Berufspilot Philip Keil fordert lebendige Fehlerkultur

Was Führungskräfte von der Luftfahrt lernen können

11.04.2018
Was Flugzeuge vor dem Crash bewahrt, hilft Managern, Krisen zu vermeiden. So lautet das Credo des Berufspiloten und Speakers Philip Keil, der einen Beinahe-Flugzeugabsturz gemeistert und überlebt hat. In einem eintägigen Workshop am 16. Mai sowie einem Videointerview zeigt er nun auf, welche Strategien Unternehmen von der Luftfahrt lernen können.

In der Luftfahrt können Fehler tödlich sein. Auch Unternehmen laufen Gefahr, durch fehlerhafte Entscheidungen in den freien Fall getrieben zu werden. Doch wie lässt sich die Katastrophe abwenden, wenn der Irrtum menschlich ist? "Einen einzelnen Fehler können wir nicht vermeiden, aber die Fehlerkette können wir verhindern", weiß Philip Keil, Berufspilot, professioneller Redner (GSA) und Sachbuchautor. Seit einem Beinahe-Absturz 2009 überträgt er das "Crew Resource Management" aus dem Cockpit auf den Alltag von Führungskräften und Mitarbeitern.

Pilot Philip Keil rät Unternehmen, die Themen Scheitern und Misserfolg nicht totzuschweigen, sondern auf die Agenda zu setzen.
Foto: Philip Keil

Erkenntnisse der NASA haben gezeigt, dass es möglich ist, die Zahl der Abstürze durch einen intelligenten Umgang mit Fehlern zu senken. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir eine Firmenkultur aufbauen können, in der kein Mensch Fehler macht. Es geht darum, die Fehler frühzeitig zu erkennen, sie abzustellen und daraus zu lernen", so Keil. Denn erst durch die Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen komme es zur Katastrophe. Ziel solle daher sein, alle Fehler offen anzusprechen. Selbst dann, wenn sie der Flugkapitän - oder der Vorstand - gemacht hat.

Die Statistik zeigt, dass klassische Hierarchien die offene Kommunikation behindern und sich fatal auf die Sicherheit auswirken. Sitzt der Co-Pilot am Steuer, stürzen Flugzeuge weitaus seltener ab als wenn der Kapitän selbst fliegt. Der Grund liegt in der Rangordnung: Der Kapitän greift bei Fehlern des Co-Piloten eher ein als umgekehrt - schlimmstenfalls greift der Co-Pilot gar nicht ein, obwohl er einen Fehler bemerkt.

Dieses Phänomen begann man in den 70er- und 80er- Jahren zu untersuchen. Woran liegt es, dass erfahrene Piloten kapitale Fehler machen? Die Analyse von brenzligen Situationen brachte ans Licht: Die Hierarchie im Flugzeug war bis dahin so steil, dass der Co-Pilot im Ernstfall nicht eingriff. Deshalb baute die Luftfahrt ein neues Rollenverständnis auf, das auch für Unternehmen wegweisend ist: Im Cockpit gibt es ein Pilot Flying - und ein Pilot Monitoring.

Keil empfiehlt Unternehmern, die Rollen von "Pilot Flying" und "Pilot Monitoring" zu etablieren. Bei diesem Modell sitzen zwei vollwertige Piloten im Cockpit, beide übernehmen Führungsverantwortung und kommunizieren auf Augenhöhe. Er plädiert dafür, diese Eigenverantwortlichkeit auch in Betrieben stärker zu fördern. Dazu gehört Vertrauen und der Mut, auch jungen Kollegen größere Herausforderungen zuzutrauen.

Lernen aus Fehlern

In der Luftfahrt lautet eine wichtige Erkenntnis, dass man sich vor Fehlentscheidungen nicht schützen kann. Allerdings sollte die Unternehmensführung einen Rahmen schaffen, der Fehler möglichst eindämmt. Dann kommt es im Fehlerfall nicht zur Katastrophe, weil sich keine Fehlerkette anschließt, sondern ein Lernen aus der Fehlentscheidung möglich ist.

Die häufigsten Fehler neuer Chefs und Führungskräfte
Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben.
Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden.
Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen.
Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren.
Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus.
Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche.
Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.

Wie können Unternehmen das umsetzen? Totschweigen hilft an dieser Stelle nicht weiter. Viele Airlines haben inoffizielle Magazine, in denen Fehler beschrieben und Gründe benannt werden. "Aus dieser Broschüre habe ich für meinen Job mehr gelernt als aus allen Trainings und Schulungen zusammen", berichtet Keil aus dem Nähkästchen und mit einem Augenzwinkern. "Wenn man Vertrauen bei den Mitarbeitern schafft, findet ein Gedanken- und Erfahrungsaustausch auf einem wichtigen Niveau statt." Keil rät Unternehmen deshalb, die Themen Scheitern und Misserfolg auf die Agenda zu setzen. Hier ist die Führungskraft gefragt. Manche Unternehmen veranstalten einmal Monat mit allen Kollegen eine "Fuck-up-Night", in der sich alle zusammensetzen und von ihren gescheiterten Aktionen berichten, was zu einer effektiven Fehlerkultur führt. Dabei ist es hilfreich, lösungsorientiert zu fragen, statt einen Schuldigen zu suchen, beispielsweise: "Wie kam es zu diesem Fehler?" Und: "Wie können wir ihn in Zukunft vermeiden?"

Steriles Cockpit

Was können Unternehmen tun, um Fehler zu vermeiden? Konzentration und Fokus sind die Voraussetzungen. Pilot Keil ist überzeugt, dass wir wesentlich produktiver wären, wenn wir öfter eine kreative Pause machen. In der Luftfahrt nennt man diese Auszeit "Steriles Cockpit". Um im entscheidenden Moment volle Konzentration zu haben, sollten Führungskräfte und Mitarbeiter im Vorfeld gezielt ihre Pausen planen. Ein steriles Cockpit für Unternehmen soll dazu führen, die Zeit produktiver zu nutzen. Sein Tipp: "Verwandeln Sie Ihr Büro für eine zuvor festgelegte Stunde am Tag in ein steriles Cockpit: E-Mail Postfach geschlossen, Handy aus, nicht zu sprechen für Kollegen. Eine Stunde nur Sie, viel Ruhe und das wichtige Projekt. Das ist ein Produktivitäts-Booster!"

Krisensimulation

Mögliche Krisensituationen im Kopf durchzugehen ist ein bewährtes Vorgehen, das aus der Luftfahrt bekannt ist. Piloten üben im Flugsimulator, sie spielen Stresssituationen durch, um im Ernstfall klüger zu reagieren. Auch Ärzte und Sanitäter trainieren schwierige Einsätze. Wenn in der Krise das Denken schwerfällt, ist es wichtig, auf Erfahrungen zurückgreifen zu können, weil das auch unter Stress noch funktioniert. "Warum gibt es eigentlich keinen Krisensimulator in der Managerausbildung?", lautet daher eine Frage, die Keil gestellt wird.

Philip Keil: "Warum gibt es eigentlich keinen Krisensimulator in der Managerausbildung?"
Foto: Philip Keil

Die Luftfahrt hat es wie kaum eine andere Branche durch kluges Fehlermanagement geschafft, die Zahl der Unglücke dramatisch zu senken. Keil ist überzeugt, dass Unternehmen von Flugzeugbesatzungen lernen könnten. Auch für Firmen und für das Management sei es eine wertvolle Routine, mögliche Krisen durchzuspielen, bevor sie eintreten. "Was spricht dagegen, sich einmal im Jahr aus der Alltagsroutine auszuklinken und den Ernstfall in Gedanken durchzugehen?", fragt der Ex-Pilot. Unternehmen könnten sich an so einem Tag überlegen, wie sie Fehler besser kommunizieren, damit alle daraus lernen können. Mit Managern und Teams geht Keil deshalb in Trainings in den Flugsimulator. Auch in Seminaren und Vorträgen gibt er sein Wissen weiter.

Wenn Sie wissen möchten, wie Sie eine funktionierende Fehlerkulturin Ihrem Unternehmen etablieren und Ihr Team fördern können, besuchen Sie das Tagesseminar der CAREERS LOUNGE gemeinsam mit der COMPUTERWOCHE und dem CIO-Magazin am 16.Mai 2018 in München. Im Seminar öffnet Philip Keil die Cockpit-Tür für Sie. Sie erhalten aus erster Hand Einblicke in die Leadership-Tools von Profi-Piloten.

Gewinnen Sie einen Eindruck von dem, wie Keil arbeitet - und sehen Sie das Video KarriereTalk mit ihm in der CAREERS LOUNGE.

Link zum Video Karriere Talk mit Philip Keil: https://www.careerslounge.com/video-philip-keil-im-karrieretalk/?pk_campaign=pressemitteilung&pk_kwd=1802%20presse%20fuehrungskraefte%20philip%20keil%20computerwoche

Link zum Seminar mit Philip Keil: https://www.careerslounge.com/veranstaltungen/seminar-leadership-und-teamwork-in-turbulenten-zeiten/?pk_campaign=pressemitteilung&pk_kwd=1802%20presse%20fuehrungskraefte%20philip%20keil%20computerwoche

Link zur CAREERS LOUNGE Website mit der Möglichkeit, sich anzumelden: https://www.careerslounge.com/?pk_campaign=pressemitteilung&pk_kwd=1802%20presse%20fuehrungskraefte%20philip%20keil%20computerwoche