Drei Preisträger erzählen

Was ein CIO können muss

28.11.2008 von Michael Schweizer
Technischer Sachverstand ist das eine. Wer ein guter CIO sein will, muss aber auch das Geschäft verstehen und mit Menschen umgehen können.
Christina Stehle leitet die Abteilung Zentrale Dienste IT bei den Kreiskliniken Dillingen-Wertingen.

"Wenn ein Arzt mit einem IT-Menschen redet, stehe ich oft daneben und lache mich schief. Das sind einfach verschiedene Welten", sagt Christina Stehle, Leiterin Zentrale Dienste IT in den Kreiskliniken Dillingen-Wertingen. Eine solche kleine Szene enthält vieles, was für die Arbeit der meisten CIOs wichtig ist. Immer wieder müssen sie zwischen technisch unwissendenen Fachleuten und fachlich unbeleckten Technikern vermitteln. Im Prinzip sollten sie unterschiedlichen, unter Umständen machtbewussten Gruppen und Einzelnen gerecht werden, ohne sich von einer Seite vereinnahmen zu lassen.

Christina Stehle hilft bei ihren Vermittlungsdiensten eine sehr passende berufliche Biografie. Als sie 2002 in die IT des Krankenhauses Lauingen wechselte, hatte sie 21 Jahre lang als examinierte Krankenschwester auf der Intensivstation gearbeitet. Viele Weiterbildungen und ein zweijähriges Master-Studium in Health Information Technologies verschafften ihr das Technikwissen für ihre jetzige Position.

Auf Augenhöhe mit Ärzten und IT-Mitarbeitern

"Ich kann mit Ärzten und Krankenschwestern auf einer Stufe reden" - das bedeutet zweierlei: Stehle vermag IT-Anbietern aus eigener Kenntnis zu sagen, was Patienten und Medizinern hilft, zum Beispiel, auf welche Details es bei einem neuen digitalen Patientenakten-Archiv ankommt; sie merkt es aber auch, wenn ein technikfreudiger Kliniker etwas angeschafft haben möchte, das medizinisch unnötig ist. Stehle hat die Kernprozesse der Klinik definiert und stellt die IT darauf ab. Als eines der ersten deutschen Krankenhäuser hat Dillingen-Wertingen seine Server-Landschaft virtualisiert.

CIOs sollten ...

  1. ... zwischen Anwendern, Technikern und Geschäftsführern dolmetschen können.

  2. ... auch im Detail wissen, wovon das Unternehmen lebt.

  3. ... technisch fit genug sein, um die eigenen Projekte zu verstehen.

  4. ... gerne zuhören und gerne reden.

  5. ... wertvolle Zwecke entdecken, für die IT das richtige Mittel ist.

  6. ... den Ärger zwischen den Fronten verkraften.

  7. ... vom Sparen nicht depressiv werden.

  8. ... ihre Mitarbeiter mögen.

  9. ... sich für Neues begeistern können.

Von der Krankenschwester zur IT-Chefin

Stefanie Kemp,CIO von Vorwerk, hat beruflich als Krankenschwester begonnen, verfügt inzwischen aber über 21 Jahre IT-Erfahrung.

Von Group Information Officer Stefanie Kemp erwartet dagegen wahrscheinlich niemand, dass sie die gesamte IT der Vorwerk & Co. KG überblickt. Schließlich ist das Unternehmen mit seinen Haushaltsgeräten, Teppichen, Gebäudediensten, den Jafra Cosmetics und der akf Bankengruppe in 61 Ländern aktiv. 23.000 Angestellte und über eine halbe Million Berater im Direktvertrieb haben 2007 einen Umsatz von 2,32 Milliarden Euro erwirtschaftet. Trotz dieser Dimensionen hat Kemp bei jedem Projekt "immer den Anspruch, dass ich das Gesamtkonzept verstehe und dafür die richtigen Leute finde". Anhand von "Zielen, Meilensteinen und Key-Peformance-Indikatoren" will sie überprüfen können, ob die "strategische Roadmap" eingehalten wird.

Das gilt auch für ihr derzeit wohl anspruchsvollstes Vorhaben, die "Vorwerk integrated Architecture" (VIA): Bis Anfang 2010 soll die Vorwerk-IT in Deutschland und fünf anderen europäischen Ländern harmonisiert und standardisiert werden. Den Anwendern werden dabei zunächst nur "geringe Anpassungen im Look and Feel" ihrer Arbeits-IT zugemutet. Ist die IT vereinheitlicht, können im zweiten Schritt Geschäftsprozesse einfacher verändert werden, als es jetzt möglich wäre. Auch Stefanie Kemp hat beruflich als Krankenschwester begonnen, blickt mittlerweile aber auf 21 Jahre professionelle IT-Erfahrung zurück.

Reden, reden, reden

Damit seine Projekte nicht versanden, muss ein CIO sie immer wieder erklären. "Es geht immer um Kommunikation in beide Richtungen, um Überzeugungsarbeit nach oben und unten", sagt Kemp. Klinik-IT-Chefin Stehle erlebt es genauso: "Ich bin den ganzen Tag am Reden, nicht nur in der Abteilung, sondern auch mit der Geschäftsführung und im ganzen Haus."

Uwe Ufer ist nicht nur Bürgermeister der Stadt Hückeswagen, sondern kümmert sich auch um die IT-Projekte der Gemeinde.

Einer, der spürbar gerne von den Vorzügen seines Arbeitsfeldes berichtet, ist Uwe Ufer. Der Bürgermeister der Stadt Hückeswagen hat sich am Wettbewerb "CIO des Jahres" mit dem elektronischen Bürgerkonto beteiligt, das am 1. Februar 2008 ans Netz ging. Jeder Hückeswagener kann nun am heimischen Computer auf einen Blick sehen, was er sämtlichen städtischen Stellen bezahlt hat oder noch schuldet. In der geplanten zweiten Stufe soll das Konto auch zeigen, was die Stadt seinem Inhaber, beispielsweise für Handwerksaufträge, überweisen wird.

Das elektronische Bürgerkonto ist in den deutschen Kommunen das erste seiner Art. "Die ersten in Deutschland" waren Ufer und seine Mitarbeiter letztes Jahr auch mit der Zertifizierung als mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung durch den TÜV Nord. In der 16.542-Einwohner-Stadt (Stand Mai 2008) entstanden in letzter Zeit besonders durch Ansiedlungen etwa 1000 neue Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit sank von zwölf auf 4,6 Prozent.

Mittel zum Zweck

Die Hückeswagener Reformen stützen sich auf IT. Die ist aber, sagt Uwe Ufer, immer nur "Mittel zum Zweck". Auch das elektronische Bürgerkonto ist kein reines IT-Projekt, sondern beruht, was das Datenmaterial betrifft, auf einer kompletten Umstrukturierung des Finanzwesens. Mit hervorragender Dienstleistung will die Verwaltung "die Köpfe und Herzen erreichen".

Durch ein Shared-Services-Projekt mit Nachbarstädten möchte Ufer die IT billiger machen. Unter Spardruck steht, wie das gesamte Gesundheitswesen, auch Christina Stehle: "Wir bekommen immer weniger genehmigt." Stefanie Kemp empfiehlt jungen Menschen, die mit einer IT-Karriere liebäugeln, ein BWL-Studium mit Informatikschwerpunkt: "Die betriebswirtschaftlichen Aspekte werden immer wichtiger."

Ärger, Motivation und neue Wege

CIOs müssen Ärger verkraften können, denn Vorstände verlangen von ihnen fast immer etwas anderes als Fachbereiche und einzelne Anwender. Stefanie Kemp: "Wer diesen Spagat nicht beherrscht, sollte den CIO-Job nicht machen." IT-Leiter, die sich nicht abschotten, sind eine wandelnde Beschwerdestelle: "Wenn jemand schlechte Laune hat, und dann geht sein Rechner nicht, lässt er das an uns aus", schildert Christina Stehle.

Deshalb sollten IT-Verantwortliche in der eigenen Mannschaft gute Stimmung verbreiten können. Mit am besten in ihrer Arbeit gefällt Stehle, "dass die Jungs" beziehungsweise "meine Männer" - gemeint sind ihre fünf Mitarbeiter - "so gut mitziehen". Bürgermeister Ufer ist "unglaublich stolz" auf seine Beamten und Angestellten, nicht nur in der IT: "Alle bringen viel mehr Zeit ein, als von ihnen erwartet werden kann."

Vielleicht sind erfolgreiche CIOs Menschen, bei denen die Angst vor Neuem unterdurchschnittlich entwickelt ist. Christina Stehle erinnert sich, nach 21 Jahren als Krankenschwester sei es "einfach mal Zeit" für etwas anderes gewesen. Stefanie Kemp hat seit 1987 durchschnittlich alle drei Jahre einen neuen IT-Job angetreten. Und wenn man Uwe Ufer fragt, ob er nach dem Shared-Services-Projekt endlich einmal Ruhe in der IT haben werde, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: "Ich hoffe nicht."

Weitere Informationen und Berichterstattungen zum "CIO des Jahres 2008" finden Sie hier.