Abkehr vom ERP-Monolithen

Was die SAP Business Suite 7 bringt

20.02.2009 von Frank Niemann
Mit der unlängst präsentierten "Business Suite 7", in der Module wie ERP, CRM, und SCM enthalten sind, will SAP sich von monolithischen Applikationssilos verabschieden. Firmen sollen prozessorientierte Bausteine ("Value Scenarios") erhalten. Beim Lizenzmodell bleibt indes alles beim Alten.

"Nein, SAP ändert das Lizenzmodell für die Business Suite nicht", macht Sven Denecken deutlich. Der Vice President Suite Solution Management bei SAP in Walldorf korrigiert damit Medienberichte, in denen von "neuen Lizenzkonzepten" sowie dem "An- und Abschalten von Softwarekomponenten nach Bedarf" die Rede war.

Laut Sven Denecken, Vice President Solution Management bei SAP, gibt es kein neues Lizenzmodell für die Business Suite.

Verändern will SAP aber die Art, wie Anwender die Software verwenden. Hatte sich SAP bisher auf einzelne Suite-Module wie ERP, CRM und SCM konzentriert, will der Konzern nun das Augenmerk auf Geschäftsprozesse richten. Gelingen soll dies über "Value Scenarios": Sie beschreiben einen Prozess, der quer zu den Suite-Modulen gestaltet ist. Das Szenario "Time to Profit" beispielsweise zielt unter anderem darauf ab, die Kundenakquise und die Lieferkette eines Unternehmens zu verbessern. Hierzu wurden Prozessbeschreibungen, Ablaufsteuerung und Oberflächen zusammengestellt, über die entsprechende Funktionen der Suite, etwa aus dem CRM- und dem SCM-Modul, zugänglich sind. "Den Kunden soll nicht interessieren, ob die für einen Prozess erforderlichen Funktionen in unserer ERP- oder CRM-Software stecken", erläutert Denecken. Für die Einbindung von Funktionen aus unterschiedlichen Business-Suite-Elementen in die besagten Szenarien greift der ERP-Anbieter auf Service-orientierte Konzepte zurück, also auf die der Suite unterliegenden Plattform "Netweaver" und dem Enterprise Services Repository.

Modulübergreifende ERP-Prozessszenarien

Bisher musste der Kunde dies wissen, denn bis dato gab es solche Szenarien nicht und Firmen blieb nichts anderes übrig, als sich die erforderlichen Funktionen aus den einzelnen Suite-Komponenten selbst zusammen zu suchen.

Die nun vorgestellte Business Suite 7 wird im Kern für etwa die nächsten fünf Jahre unverändert bleiben, so SAP. Funktionale Ergänzungen will man den Kunden in regelmäßigen Abständen über Enhancememt Packages ausliefern. Enhancement Packages sind Erweiterungen für SAP-Software, die Anwender nach Angaben des Softwarehauses bei Bedarf und mit weit weniger Aufwand als bei einem klassischen Release-Wechsel einspielen können. Aktivieren lassen sich die Features eines Erweiterungspakets über das "Switch Framework".

Tools von Business Objects

Die Business Suite 7 enthält Teile der Reporting-Software "Crystal Reports" von Business Objects. Bestandteile der Software "Xcelsius", die Anwendern umfangreiche Funktionen zur dynamischen Darstellung von Geschäftsdaten sowie dem Erzeugen von Dashboards erlauben, wird es erst mit dem Enhancement Package 1 aus, das im Laufe dieses Jahres erscheinen soll.

Die integrierten Business-Objects-Funktionen dienen dazu, mit SAP-Geschäftsdaten zu arbeiten. Sollen auch externe Quellen eingebunden werden, müssen Firmen zusätzliche Softwarelizenzen erwerben.

Value Scenarien sollen Anwendern Geschäftsprozesse bereitstellen, die sich der Suite-Funktionen bedienen.

Bei Value Scenarios handelt es sich nicht um Produkte auf einer Preisliste, sondern um für Suite-Kunden verfügbare Bausteine für bestimmte Prozesse, die technisch in Form von Enhancement Packages in die Software eingeführt werden. Darüber hinaus sollen industriespezifische Funktionen den Anwendern über solche Value Scenarios bereitgestellt werden. Ferner will SAP Partnerfirmen beziehungsweise unabhängige Softwarehäuser ermuntern, ihre Entwicklungen als Value Scenarios auszuliefern. Auf diese Weise hat SAP eigenen Angaben zufolge beispielsweise die elektronische Rechnungseingangserfassung des Dokumenten-Management-Anbieters Open Text in das Finanz-Management der Business Suite eingebunden.

Harmonisierte Benutzeroberflächen

Um modulübergreifende Prozesse zu ermöglichen, will SAP die Benutzeroberflächen harmonisieren. Es wird aber nicht nur eine Oberfläche geben. Schon deshalb nicht, weil ein Verkäufer, der CRM-nahe Prozesse bedient, andere Erwartungen an das Frontend stellt als ein Ingenieur, der SAP-Software für Konstruktionsprozesse nutzt. Die GUI-Harmonisierung zielt auf das Aussehen ("Look and Feel") der Oberflächen ab, damit sich Anwender auch auf unbekanntem Terrain zurechtfinden.

Value Scenarios und Softwarelizenzen

Value Scenarios wurden laut SAP im Dialog mit Anwendern der Suite entwickelt. Sie lassen sich allerdings nur dann verwenden, wenn Firmen die Softwarefunktionen, die diese Scenarien nutzen, auch erworben haben. Wer beispielsweise noch nicht über CRM-Lizenzen verfügt, aber das Szenario Time to Profit in Betrieb nehmen will, muss diese Funktionen erwerben. Er soll dabei nicht gezwungen sein, das komplette CRM-Produkt zu kaufen, sondern lediglich die in den Prozessen genutzten Features (siehe auch "CRM von SAP und Microsoft im Vergleich"). Somit kann SAP das Value-Scenario-Konzept auch dazu verwenden, den Absatz mit Softwarelizenzen anzukurbeln.

SAP will sich von Applikationssilos verabschieben und hat sich Prozessorientierung verordnet.

Das alles hört sich nach der logischen Konsequenz aus SAPs SOA-Strategie an, hat es aber in sich, denn damit will der Softwarekonzern nicht weniger erreichen, als die Ära der monolithischen Softwaresilos (ERP, CRM) zu beenden. Die mächtige, mit Redandanzen und mitunter schlecht integrierten Bausteinen behaftete Business Suite soll sich in eine leichter handhabbare Applikationsplattform verwandeln, die statt einzelnen Funktionsgruppen Geschäftsprozesse bereitstellt.

Ob das Wissen, eine stark modularisierte und prozessorientierte Softwarewelt zu bedienen, bereits bei den Kunden vorhanden ist, steht auf einem anderen Blatt. Zudem müssen viele Firmen erst noch die Grundlagen dafür schaffen. Um Business Suite 7 zu nutzen, ist SAP ERP und das ERP-Enhancement-Package 4 erforderlich. Dreh- und Angelpunkt für die Verwaltung der Erweiterungspakete und Value Scenarios bildet der "Solution Manager" (siehe auch "Was SAP-Anwender zur neuen Suite sagen").

SAPs ambitionierter Ansatz einer stärker auf Prozesse orientierten Softwarenutzung dürfte bei vielen Anwendern auf Interesse stoßen. Allerdings beschäftigt die SAP-Nutzer derzeit in erster Linie das umstrittene Wartungsmodell "Enterprise Support" (siehe auch "SAP-Kosten senken").

"Best run now": Software in kleinen Paketen

Bei den Paketen Best run now handelt es sich technisch um Enhancement Packages für die Business Suite, die zudem vorkonfigurierte Prozesse etwa für den elektronischen Einkauf (E-Procurement) und das Liquiditäts-Management (Cash-Management) beinhalten. Laut SAP enthalten die Pakete Implementierungshilfen. Ferner sind dafür Finanzierungsmodelle für den Erwerb verfügbar. Zum Teil muss der Anwender für diese Pakete eine Lizenz erwerben.

Mit den bisher 15 Best-Run-Now-Paketen richtet sich SAP vor allem an Bestandskunden der Business Suite, die auf diese Weise neue Prozesse einfach einführen können sollen. Der Konzern setzt darauf, dass die Firmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch Geld für kleine Pakete locker machen. Anwender, die bereits einen Lizenzvertrag für die Business Suite besitzen, müssen Business Suite 7 nicht neu erwerben.