Zusammenbruch der Silicon Valley Bank

Was die Pleite für die europäische Startup-Szene bedeutet

Kommentar  von Spencer Izard
Die Schockwellen der SVB-Pleite sind immer noch deutlich zu spüren. Wie der Zusammenbruch den europäischen Technologiesektor beeinflusst, erläutert Spencer Izard, Research Director bei PAC.
Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank hat Spuren hinterlassen, auch in der europäischen Tech-Szene.
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Durch die Insolvenz der Silicon Valley Bank (SVB) könnte es für viele europäische Unternehmen aus der Tech-Branche in Zukunft schwieriger werden, Zugang zu den großen Fonds zu erhalten, die durch die SVB bereitgestellt wurden. Und wollen Banken jetzt in das Geschäft mit Technologie-Unternehmen oder Start-ups aus diesem Bereich einsteigen, heißt es umzuschalten und auf die durch SVB etablierten Mechaniken zu setzen, zum Beispiel eigene Networking-Veranstaltungen sowie weitere Aktivitäten, die die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus dem Tech-Bereich in ganz Europa vertiefen. Aber nochmal einen Schritt zurück: Was war eigentlich passiert?

Der Zusammenbruch

Am Freitag, den 10. März 2023, wurde die in den USA ansässige Silicon Valley Bank (SVB) Financial Group von der kalifornischen Behörde für Finanzschutz und Innovationen (DFPI) geschlossen. Sie war Mitglied des Federal Reserve System (FRS) und hatte Niederlassungen in dreizehn Ländern und Regionen auf der ganzen Welt. Die Aufsichtsbehörde DFPI ernannte die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) zum Konkursverwalter für den US-Teil des Geschäfts, der die Bank unter Zwangsverwaltung stellte, um ihre Vermögenswerte zu veräußern.

Seit dem 13. März haben alle Einleger in den USA vollen Zugang zu ihren Einlagen, da die FDIC die Kontrolle über das Unternehmen übernommen hat. Zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs war die SVB die sechzehntgrößte Bank in den USA, und ihr Kreditgeschäft hatte sich vor allem auf etablierte und neu gegründete Technologieunternehmen konzentriert.

Aber was hat nach den derzeit zur Verfügung stehenden Informationen zu dieser Situation geführt? Es ist davon auszugehen, dass es schon während der weltweiten Pandemie begann: Aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Lösungen und Dienstleistungen der Technologieunternehmen verzeichnete der US-Teil der Bank zu dieser Zeit einen sprunghaften Anstieg der Einlagen. Und die SVB investierte einen großen Teil davon in US-Staatsanleihen, die in den USA traditionell als eine der sichersten Anlageformen gelten.

Als die US-Notenbank jedoch begann, die Zinssätze zu erhöhen, um einen sprunghaften Anstieg der Inflation aufgrund verschiedener wirtschaftlicher Probleme in den Staaten zu bekämpfen, begannen die Probleme. Denn die SVB hatte einen großen Teil ihrer Barmittel in US-Anleihen investiert. Und deren Wert begann zu sinken.

Gleichzeitig machten die Auswirkungen der Inflation einen Großteil des Erfolgs zunichte, den der US-Technologiesektor während der weltweiten Pandemie verzeichnet hatte. Ein breiter Nachfragerückgang bei Verbrauchern und Unternehmen wirkte sich auf eine Vielzahl der US-amerikanischen Technologieunternehmen aus. Das wiederum führte dazu, dass die Kunden der SVB ihre Mittel abziehen mussten, um ihre Schulden zu begleichen und ihren Betrieb aufrechtzuerhalten.

Dieser sprunghafte Anstieg der Mittelabzüge durch die Kunden zwang die SVB dazu, die von ihr gekauften US-Anleihen zu einem deutlich niedrigeren Kurs zu verkaufen, um die Liquidität zur Deckung der gestiegenen Nachfrage sicherzustellen. Damit erlitt die Bank erhebliche Verluste aus dem Anleiheverkauf, was bei den Kunden Bedenken hinsichtlich der finanziellen Gesundheit der Bank weckte. Innerhalb des darauffolgenden "Bank Run" zog ein Großteil der Kunden binnen 48 Stunden so viel Geld ab, dass die SVB zusammenbrach.

Der Fallout

Der Zusammenbruch der SVB hat verständlicherweise Schockwellen durch die US-Regierung und den weltweiten Bankenmarkt geschickt. Obwohl die SVB mit einem Vermögen von 209 Milliarden US-Dollar im Dezember 2022 die sechzehntgrößte Bank in den USA ist, wird sie von Branchenexperten als mittelgroßer Kreditgeber und nicht als eine der größten Banken in den USA angesehen. Zum Vergleich: Die größte Bank in den USA ist JPMorgan Chase mit einer Bilanzsumme von 3,67 Billionen Dollar.

Im Gegensatz zu den großen Banken mit stark diversifizierten Portfolios konzentrierte sich der Kundenstamm der SVB überwiegend auf in den USA ansässige Start-ups und mittelständische Unternehmen aus der Technologiebranche, die von anderen Banken als zu riskant für eine Kreditvergabe angesehen werden. Und genau deshalb hat der Zusammenbruch der Bank erhebliche Auswirkungen auf den US-amerikanischen Technologiesektor. Berichten zufolge suchen viele Tech-Unternehmen jetzt händeringend nach Alternativen.

1983 gegründet galt die SVB in der US-Tech-Branche als Pate des Silicon-Valley-Geschäfts. In den letzten vierzig Jahren hat sie ihre Dienstleistungen über die USA hinaus nach Europa und China ausgeweitet. Ihr Ruf für die Bereitstellung von Bankdienstleistungen, Kreditlinien und Finanzierungen, die sich auf Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial im Technologiesektor konzentrierten, war bekannt und anerkannt.

Es gibt natürlich keinen "guten Zeitpunkt" für den Zusammenbruch einer Bank, aber für die globale Tech-Branche hätte es keinen schlechteren geben können: Denn seit dem Ende der Pandemie ist dieser Sektor, insbesondere die in den USA ansässigen Unternehmen, aufgrund der Kombination aus Inflation, steigenden Zinsen und dem geopolitischen Konflikt, der sich auf die Betriebskosten und Gemeinkosten auswirkt, zunehmend anfällig geworden. Alles zusammen hat dazu geführt, dass die Gewinne vieler Technologieunternehmen, die während der Pandemie expandiert haben, schwinden.

Die Kombination aus dem Zusammenbruch von SVB und der bereits bestehenden Anfälligkeit der gesamten Technologiebranche wird nach meiner Ansicht wahrscheinlich noch jahrelang Auswirkungen auf dieses Wirtschaftssegment haben. Allerdings könnte dieser Schock für das System des Silicon Valley auch positive Auswirkung haben: Start-ups könnten in den kommenden Jahren wahrscheinlich ein stärkeres Finanzmodell und eine Strategie vorweisen müssen, die sich auf Rentabilität und eine größere Ausgabendisziplin konzentrieren. Dies könnte insgesamt dazu führen, dass viele Tech-Unternehmen finanzielle und organisatorische Umstrukturierungen vornehmen müssen. Kurzfristig könnte es aber auch zu Zusammenbrüchen von Technologieunternehmen führen.

Die Auswirkungen auf Europa

Angesichts der globalen Ausrichtung der Tech-Branche ist es leider keine Überraschung, dass der Zusammenbruch der SVB auch Auswirkungen auf europäische Tech-Firmen hat. Die SVB war in der Branche weltweit beliebt, weil sie als Risikokapitalgeber, Bank und Community-Netzwerk fungierte. Die Art der Unterstützung und Finanzierung, auf die sich die SVB konzentrierte, war in Europa nicht üblich, und sie hatte Erfolg, weil sie die folgenden Dienstleistungen anbot, die speziell auf die Bedürfnisse des Technologiesektors ausgerichtet waren:

Die SVB hat in zahlreichen europäischen Ländern stark investiert, so wie sie auch in den USA in verschiedenen Bundesstaaten tätig war. Der Technologiesektor in ganz Europa wurde von den gleichen wirtschaftlichen Problemen wie in den USA betroffen, wobei zunehmende Verluste zu Arbeitsplatzabbau und Finanzierungsengpässen führten. Für viele europäische Technologieunternehmen, die mit der SVB zusammenarbeiteten, bedeutet dies eine weitere Verschlechterung der ohnehin schon schwierigen wirtschaftlichen Aussichten.

Der Zusammenbruch der SVB hatte in Europa vor allem Auswirkungen auf die 2012 eröffnete Tochtergesellschaft in London, die ähnlich wie das US-Geschäft Start-ups in der Region mit Finanzierungen und Darlehen unterstützte. Am 10. März erklärte die Bank of England (BoE) kurzerhand, dass der britische Zweig der SVB Insolvenz anmelden würde, doch SVB und HSBC einigten sich in letzter Minute auf eine Rettungsaktion.

Fazit

Der Verlust der SVB wird auch weiterhin große Auswirkungen auf die europäische und US-amerikanische Tech-Industrie haben: viele Unternehmen waren der Meinung, dass traditionelle Kreditgeber den spezifischen Anforderungen der Tech-Industrie nicht gerecht werden konnten. Die SVB kultivierte, arrangierte und sponserte Networking-Veranstaltungen in UK und in Kontinentaleuropa - Aktivitäten, die auf die Tech-Community ausgerichtet waren und von anderen Banken nicht angeboten werden. Im Jahr 2023 befinden sich die europäischen Tech-Firmen ebenso wie die US-amerikanischen in einem Prozess der Kostenreduzierung und des Personalabbaus, der bereits vor dem Zusammenbruch der SVB stattfand.

Daher darf die Branche gespannt sein, ob die britische Tochtergesellschaft der SVB nach der Übernahme durch die HSBC in ähnlicher Weise weitergeführt wird und sich auf die spezifischen Bedürfnisse der europäischen Tech-Industrie, einschließlich der Networking-Community, konzentriert. Oder ob die HSBC ihren Bankansatz auf die Kundenbeziehungen der SVB anwenden wird.

Andere Banken, die die durch die SVB-Pleite gerissene Lücke füllen wollen, sollten sich den Tech-Spirit der SVB zu eigen machen, rät Spencer Izard, Research Director bei PAC.
Foto: PAC

Unabhängig von der unglücklichen Verkettung von Ereignissen, die zum Zusammenbruch der SVB geführt haben: Mein Plädoyer wäre, dass die Bank- und Netzwerkdienstleistungen, die über Jahrzehnte hinweg das Herzstück des Erfolgs der SVB gebildet haben, jetzt von anderen Banken in Betracht gezogen werden sollten. Eine stärkere Konzentration auf Rentabilität und Finanzdisziplin wäre hier ein positives Ergebnis - es wäre für die Branche aber wichtig, dass die Rolle, die die SVB beim Verständnis der Tech-Industrie gespielt hat, von anderen Banken, die sich intensiver mit Firmen in der Branche beschäftigen wollen, übernommen wird. (ba)