Automotive & Cybersecurity

Was die Industrie von Hollywood lernen kann

14.03.2018 von Stefan Pechardscheck  
In Hollywood-Filmen nehmen immer mehr Hacker die Rolle des Bösewichts ein. Auch wenn im Kino die Hackerangriffe nur selten realistisch dargestellt sind, hat Hollywood die potenzielle Gefahr richtig erkannt.
Hollywood übertreibt mal wieder etwas, doch im Kern haben die Blockbuster-Filme eine wichtige Message.
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Bald stehen Hunderte Autos in Manhattan unter ihrem Kommando. Sie bremsen scharf quietschend, fliegen durch Glaswände und blockieren den Verkehr. Therons Charakter in Fast & Furious 8, eher uninspiriert Cipher genannt, ist Hollywoods Version eines modernen Bösewichts, der Zero-Day-Angriffe und Auto-Hacks dirigiert.

Obwohl die Hacking-Sequenzen des Films charakteristisch übertrieben sind, haben die Hollywood-Autoren verstanden: Autofahrer werden mehr und mehr zu Usern und Autos zu Allrad-Computern, vollgepackt mit elektronischen Bauteilen und Algorithmen. Autonomes Fahren macht immer häufiger Schlagzeilen, Auto-Hacking wird zum Mainstream. Und sowohl die Automobil- als auch die Sicherheitsbranche müssen sich bewusst sein, dass Menschenleben auf dem Spiel stehen.

Eine beängstigende Demonstration dessen, was Hacker anrichten können, fand im Sommer 2015 statt, als die Sicherheitsforscher Charlie Miller und Chris Valasek via Internet die Kontrolle über einen Jeep Cherokee übernahmen, während der WIRED-Reporter Andy Greenberg mit 113 km/h fuhr. Die Forscher kaperten die Bremsen und das Getriebe, und sagten dem Journalisten: "Du bist verloren!?"

Realität oder Hollywood?

Die Geschichte wurde schnell von Medien auf der ganzen Welt aufgegriffen, so dass Millionen von Menschen – von Autofahrern über Automobilexperten bis hin zu Politikern –befürchteten, solche Hacks könnten Realität werden.

Mehr Technik im Auto bedeutet bei mangelnder Sicherheit auch mehr Angriffsmöglichkeiten für Hacker.
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Chrysler beschloss, fast 1,5 Millionen Fahrzeuge zurückzurufen, um das Leck zu beheben, das für die Demonstration ausgenutzt wurde. Andere Marken kämpften mit ähnlichen Vorfällen: GM-Fahrzeuge wurden von Hackern getrackt, um die Bremsen bei hoher Geschwindigkeit zu deaktivierten; auch bei Teslas Modell S aktivierten Forscher die Bremsen ferngesteuert.

Darüber hinaus sollte der Datenschutz bedacht werden – Forscher warnen davor, dass Kontakte und Textnachrichten von mit Fahrzeugen synchronisierten Telefonen unverschlüsselt gespeichert werden.

Technologie macht das Fahren sicherer und einfacher als je zuvor. Autos werden mit anderen Geräten und untereinander verbunden, und nutzen dazu große Datenmengen. Die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen sinkt. Wie in der zivilen Luftfahrt hat die Automatisierung Tausende von Menschenleben gerettet und unzählige Vorteile gebracht. Die Automobilindustrie steht kurz davor, den gleichen Schritt zu tun.

Doch all das hat auch Schattenseiten, insbesondere im Bereich der Cybersecurity. Nicht nur Hacker interessieren sich immer mehr dafür, die Kontrolle über Fahrzeuge zu übernehmen. Auch technisch versierte Nutzer wollen ihre Fahrzeuge aufrüsten. Online-Foren sind voll von Informationen, wie Navigationssysteme manipuliert werden können. Autofahrer sind bereit, ihre Sicherheit aufs Spiel zu setzen, nur um die Farbe eines Pfeils von grün auf blau umzustellen.

Zeit zum Handeln

In der Welt der wirklich autonomen Autos, auf die wir zusteuern, wird Verkehrssicherheit eine ganz andere Bedeutung haben. Das elektronische Hirn des Autos wird die Steuerung übernehmen und muss daher gesichert werden. Der Fahrer könnte sich zum reinen Zuschauer wandeln, der nicht in der Lage ist, das Geschehen zu kontrollieren. Wir legen unser Vertrauen in die Hände von Bordcomputern und Sensoren, die über unsere Autos verstreut sind, und wir verlassen uns auf die Autohersteller, um uns vor Hackern zu schützen.

Autokonzerne müssen einen Zahn zulegen, um mit Kriminellen mithalten zu können. Neben Investitionen in auffällige Gizmos, IoT und Datenanalytik müssen sie auch ihre Budgets für Cybersecurity erhöhen, um Autounfälle, Datenlecks und Reputationsschäden zu verhindern.

Die größten Cyberangriffe auf Unternehmen
Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre.
Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen.
Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar.
Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt.
Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft.
Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty".
Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert.
Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert.
Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst.
Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen.
Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten.
Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert.
J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren.
The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert.
Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China.
Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.

Einige steuern bereits in die richtige Richtung - laut Gartners CIO-Agenda 2018 sind die Ausgaben für Cybersicherheit in der gesamten Automobilbranche gestiegen. 17 Prozent der befragten CIOs gaben an, dass ihre Organisation in diesem Jahr den höchsten Betrag an neuen oder zusätzlichen Mitteln in Cybersecurity investieren wird.

Fazit

Mehr Geld allein reicht jedoch nicht. Automobil- und Mobilitätsunternehmen müssen auch ihre Strategie überprüfen und Produkte und Funktionen weiterentwickeln, ohne dabei die Sicherheit und den Datenschutz aus den Augen zu verlieren. Da Autos ständig Informationen in die Cloud hoch- und runterladen, übernehmen die CIOs der Fahrzeughersteller zusätzliche Verantwortung. Sie müssen tradierte Standards in Frage stellen und erkennen, wo Verbesserungspotenzial besteht.

Wahrscheinlich werden wir in Zukunft Autohacks à la Hollywood sehen. Es liegt an der Automobilindustrie, sie ernst zu nehmen und sogar von ihnen zu lernen, um Hackerangriffe im wirklichen Leben zu verhindern. Die Konzerne müssen sich wappnen gegen Szenarien wie jenes aus Fast & Furious 8. "Eins kann ich garantieren, Dom", sagt Cipher im Film, "niemand ist bereit dafür."