Nachgefragt

Was CIOs Spaß macht

10.12.2010 von Michael Schweizer
IT-Leiter manövrieren zwischen geschäftlichen Vorgaben, den Anwendern, ihren Mitarbeitern und der Technik. Dieses Spannungsfeld interpretieren sie unterschiedlich.
Knut Deimer, CIO der Berliner Flughäfen, hat Spaß an neuen Techniken.
Foto: Flughafen Berlin, Knut Deimer

Ohne IT könnte man den entstehenden Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) nicht betreiben. Das klingt banal, aber nach einer großen Belastung für den, der die komplett neue Infrastruktur entwerfen und einführen muss. Knut Deimer, CIO der Berliner Flughäfen, erinnert sich jedoch gelassen: "Immer eine interessante Herausforderung, aber nie ein schlimmer Druck" sei das Projekt IuK@BBI für ihn gewesen. Im Frühjahr 2011 soll es abgeschlossen sein, 2012 soll der neue Hauptstadt-Airport den Betrieb aufnehmen.

Je nach Phase wirkten an IuK@BBI bis zu 40 interne IT-Mitarbeiter mit. Für etliche technische Details waren externe Dienstleister und Lieferanten zuständig. Deimer und sein Team mussten die Schnittstelle bilden, damit die Zusammenarbeit funktionierte und die vielen neuen Systeme sich richtig integrieren ließen. Auch intern definiert der CIO seine Arbeit mehr zwischenmenschlich als technisch: "Wir haben hier viele sehr gute technische Fachleute, auf die ich mich verlasse.

Meine wesentliche Aufgabe ist es, Kontakt zu den Fachbereichen und der Geschäftsführung zu halten, alle Beteiligten zu koordinieren und meine Mitarbeiter zu motivieren." Neue Techniken kennen zu lernen macht ihm aber immer noch Spaß, zumal er beruflich als Systementwickler und in der Datenbankadministration begonnen hat.

Die interne Reputation der Flughafen-IT ist durch IuK@BBI deutlich gestiegen. Deimer ist es wichtig, dass außer den anwendenden Kollegen auch seine rund 100 IT-Mitarbeiter zufrieden sind.

Die Sprache der Dozenten

Carsten Matthias, IT-Leiter des Bildungswerks der Niedersächsichen Wirtschaft, mag die technische Seite seines Berufs.
Foto: Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft, Matthias Carsten

Knut Deimer und sein Team konnten und mussten mit ihrem Projekt auf der grünen Wiese anfangen. Häufiger stehen IT-Leiter, die etwas Neues einführen wollen, vor einer anderen Situation: Vielen Anwendern erscheinen ihre gewohnten Programme umso attraktiver, je näher ihre Abschaffung rückt. So erging es auch Carsten Matthias, Leiter der IT-Abteilung beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft, als er dort mit zunächst nur vier Mitarbeitern begann, eine Zentral-IT und ein zentrales Rechenzentrum aufzubauen.

Das Bildungswerk war so rasant gewachsen, dass es nicht mehr praktikabel war, dass jede Niederlassung ihre eigene IT betrieb. Heute versorgt die zentrale IT von Hannover aus die Computer von etwa 1200 Mitarbeitern an 142 Standorten, dazu kommen 3000 Schulungsraumrechner und 800 Drucker.

"Ein IT-System befindet sich immer an der Schnittstelle zwischen dem, was organisatorisch und technisch möglich ist, und dem, was die Mitarbeiter wollen und brauchen. An dieser Schnittstelle fühle ich mich sehr wohl", sagt Matthias. Er mag die technische Seite seines Jobs, er weiß aber auch, wie sehr ihm sein Studium des Sozialwesens - zuvor hatte er als Maschinenschlosser gearbeitet und eine Ausbildung als Erzieher absolviert - als IT-Leiter hilft. Die Dozenten des Bildungswerks sind zum großen Teil Pädagogen, Psychologen, Lehrer und Sozialwissenschaftler: "Deren Kommunikation kenne ich, ich kann mit ihnen in ihrer Sprache über die IT reden."

Luxuriöse Fummeleien

Astrid Fey, IT-Leiterin des BIBB, schraubt gerne Kisten und probiert neue Produkte persönlich aus.
Foto: Bundesinstitut für Berufsbildung, Astrid Fey

"Im öffentlichen Dienst ist der Spielraum, Mitarbeiter mit finanziellen Anreizen zu locken, eher gering", sagt Astrid Fey, Referatsleiterin Informationstechnik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Umso wichtiger ist die Arbeitszufriedenheit. Feys Mitarbeiter sollen wissen, dass ihre Chefin sie ernst nimmt und dass sie für eine sinnvolle Sache arbeiten. Dann stellt sich der Spaß an der Sache ein, ohne den zum Beispiel die Einführung von SAP-Software als Hausstandard, die Fey in den letzten Jahren betrieben hat, nicht möglich gewesen wäre.

Die zwei bis zehn Mitarbeiter, die je nach Phase daran beteiligt waren, waren eigentlich schon durch verpflichtende andere Ausgaben ausgelastet. Frustrierend ist es für Fey, wenn sie engagierten Mitarbeitern nur Zeitverträge anbieten kann.

Die promovierte Politikwissenschaftlerin offenbart aber noch eine andere Seite: "Ich brauche diese technischen Fummeleien, obwohl ich administrativ so viel zu tun habe, dass es ein Luxus ist, sich auch noch um Systeme zu kümmern. Aber es macht eben Spaß." Astrid Fey schraubt gerne Kisten. Nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern aus Vergnügen probiert sie neue Produkte persönlich aus. Bald wird sie die erste Prüfung auf dem Weg zum Cisco Certified Network Associate (CCNA) ablegen, dann folgt noch eine zweite Schulung. Auch für die Verhandlungen mit den Lieferanten ist es wichtig, dass sie sich technisch sehr gut auskennt.

Freudig überraschte Anwender

Thomas Fischer, IT-Leiter des GDV: "IT merkt man nur dann, wenn etwas nicht funktioniert."
Foto: Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, Thomas Fischer

Wenn IT-Leiter einen Kongress besuchen, einen Coach engagieren oder eine Fachzeitschrift aufschlagen, wird ihnen nahegelegt, in jedes neue Vorhaben von Anfang an die Anwender einzubinden sowie die interne und externe Öffentlichkeit möglichst unablässig über die eigenen Leistungen ins Bild zu setzen. Manche machen das sogar. Thomas Fischer nicht.

Als der IT-Leiter des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) alle BS2000-Anwendungen auf Unix-Systeme migrierte und den BS2000-Mainframe außer Betrieb nahm, bekamen die Anwender davon zunächst wenig mit: "Die meisten Anwendungen haben wir eins zu eins übertragen, so dass es nicht nötig war, die Fachabteilungen früh einzubeziehen. Gegen Ende haben wir Funktionstests betrieben, da waren die Anwender positiv überrascht über die bessere Performance."

Fischer und die ungefähr 20 Projektmitarbeiter im Hamburger Büro und der Berliner Zentrale des GDV konnten so vorgehen, weil die Migration klassische Hintergrundsysteme zur Massendatenverarbeitung betraf. Die Anwender im Haus erstellen damit versicherungsbezogene Statistiken, die die Verbandsmitglieder dann online abfragen können.

"IT merkt man nur dann, wenn etwas nicht funktioniert", schrieb Fischer in seinem Teilnehmer-Fragebogen. Ein erfolgreicher CIO schaffe es, dass die IT sich weiterentwickle, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen. "Dann ist der Betrieb ohne Störungen verlaufen, sind die Anforderungen der 'Kunden' erfüllt und das Budget eingehalten worden."

Etwas bewegen

Daniel Maute, IT-Leiter bei Falch: "Es macht Spaß, Prozesse und Standards zu definieren und etwas bewegen zu können."
Foto: Falch, Daniel Maute

"Es macht Spaß, Prozesse und Standards zu definieren und etwas bewegen zu können", sagt Daniel Maute, IT-Leiter bei Falch. Das Unternehmen aus Merklingen begann 1986 mit einem von Malermeister Achim Falch erfundenen Farbwalzenreiniger und hat sich mittlerweile auf Hochdruckreiniger und Wasserstrahlgeräte spezialisiert. 1350 deutsche Bahnhöfe und der Stuttgarter Zoo Wilhelma werden mit Falch-Geräten gesäubert. 2007 öffneten die ersten Auslandsniederlassungen.

Maute hat bei Falch das CRM-System "All for Customers" eingeführt. Wie üblich, waren Vertriebler zunächst skeptisch, weil sie mehr Bürokratie und Kontrolle fürchteten. Bei einer internen Befragung schnitt das System dann aber hervorragend ab.

Der 1979 geborene Maute war bei Falch schon im Dualen Studium eingestiegen. Beim CIO des Jahres war er der mit Abstand jüngste Teilnehmer, und er kam aus dem mit Abstand kleinsten Unternehmen (150 Mitarbeiter, vier plus Maute in der IT-Abteilung). "Als wir All for Customers eingeführt haben, war ich in die technischen Einzelheiten tief involviert", erinnert er sich. "Damals habe ich auch relativ viel selbst programmiert." Heute lässt ihm seine Leitungsfunktion für manche technischen Details keine Zeit mehr: "Das Schönste an meinem Job ist, das Team entwickeln zu dürfen, Leute für die vielen Facetten der IT zu begeistern und sie erfolgreich zu machen."

Ein paar Wahrheiten über CIOs

  • CIOs haben "den schwersten Job im ganzen Unternehmen, weil Dinge kaputtgehen können. Wenn die IT ausfällt, kann das innerhalb von Minuten im schlimmsten Fall Millionenschäden hervorrufen." (George Colony, Forrester)

  • 5,3 Jahre bleibt ein CIO durchschnittlich im Unternehmen. Andere Führungspositionen: CEO 7,9 Jahre, CFO 4,5 Jahre, Personalleiter 6,5 Jahre, Marketing-Chef 2,3 Jahre. Der Durchschnittswert für Arbeitnehmer aller Berufe liegt in Deutschland immer noch bei zwölf Jahren.

  • Ein IT-Leiter verdient in Deutschland pro Jahr 94.800 Euro, der Titel CIO ist 136.000 Euro wert. Von diesen Mittelwerten gibt es große Abweichungen: "Während CIOs in internationalen Konzernen auf bis zu 400.000 Euro Jahresgehalt kommen können, müssen sich manche IT-Verantwortliche in kleineren Betrieben mit 40.000 Euro begnügen." (Studie von Personalmarkt und der COMPUTERWOCHE).

  • Das haben Teilnehmer des "CIO des Jahres" studiert oder in der Ausbildung gelernt: Diplom-, Wirtschafts- und Betriebsinformatik, Industrie-, Speditions-, Büro-, DV- und Diplomkaufmann, Mathematik, Slawistik, Politikwissenschaft, Elektrotechnik, Verwaltungswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft, Physik, Nautik, Maschinenbau, Maschinenschlosser, Erzieher, Sozialarbeiter, Maschinenmechaniker, Wirtschaftsingenieur, EDV-Sachverständiger, Nachrichtentechnik, Bauingenieur, Hotelfachmann, Kommunalbeamter, Organisationsprogrammierer, Lehramt Englisch/Geschichte/Sport, Agraringenieur, Technischer Zeichner, Biochemie, Physiologie, Logistik (Bundeswehr). (Basis: Die 75 besten Teilnehmer).

  • CIOs waren vorher: Berater, Softwareentwickler, Hirnforscher, Vertriebsreferent, Sozialwissenschaftlerin, Bürgermeister (weiter im Amt), Maschinenschlosser, Hauptmann der Pioniertruppe (Bundeswehr), wissenschaftlicher Mitarbeiter, Geschäftsführer, Leiter Systemtechnik, Netzadministrator, Operator, IT-Trainer, -Servicetechniker, Projektleiter, Systemanalytiker. (Basis: Die 75 besten Teilnehmer).

  • CIOs wären gerne: Profi-Skipper, Schauspieler, Coach, Organisationsberater, Tischler, Theoretische Physikerin. (Auswahl aus den besten Teilnehmern).

*Dr. Michael Schweizer ist freier Journalist in München.