"Ein CIO darf keine Dankbarkeit erwarten."

Was CIOs jungen Kollegen empfehlen

01.12.2012 von Michael Schweizer
Kommunizieren, netzwerken, die Technik kennen: All das raten erfolgreiche Teilnehmer des Wettbewerbs "CIO des Jahres" dem Nachwuchs. Die Schwerpunkte setzen sie unterschiedlich.
Thomas Noth, CIO der Talanx AG:
Foto: Joachim Wendler

Um auch konzeptionell arbeiten zu können, benötigt ein CIO gute Führungskräfte, die ihm im Rahmen einer adäquaten Arbeitsteilung das Troubleshooting abnehmen", sagt Thomas Noth. Der CIO der Talanx AG hat in diesem Jahr den von der COMPUTERWOCHE und ihrem Schwestermagazin "CIO" veranstalteten Wettbewerb "CIO des Jahres" in der Kategorie Großunternehmen gewonnen. "Wenn nötig, muss er zwar selbst ein effizienter Troubleshooter sein, aber er darf sich da nicht ständig hineinziehen lassen, sondern muss sich auf seine Führungskräfte verlassen können."

Noth gehört dem Vorstand der Talanx AG an und ist Vorstandsvorsitzender des konzerneigenen IT-Dienstleisters Talanx Systeme AG. Konzeptionell gearbeitet hat er in den letzten Jahren viel: Im Zuge der IT-Post-Merger-Integration von HDI und Gerling erneuert die Talanx AG ihre Anwendungslandschaft mit Hilfe von SAP-Standardsoftware. Das ist ungewöhnlich in einer Branche, die sonst auf Eigenentwicklungen setzt: "Indem wir als sehr große Versicherungsgruppe nun SAP-Software für wesentliche versicherungstechnische Funktionen einsetzen, sind wir Pioniere."

Solche Großprojekte greifen in die Arbeitsgewohnheiten Tausender Mitarbeiter ein. Sie stehen unter ambitionierten wirtschaftlichen Vorgaben und brauchen intensive Verhandlungen mit mächtigen IT-Unternehmen. Um hier eine tragende Rolle ausfüllen zu können, muss man kommunikations- und konfliktfähig sein. Diese Eigenschaften hält Noth für eine Frage der Persönlichkeitsstruktur und daher für "nur begrenzt trainierbar". Jungen CIOs und CIO-Aspiranten empfiehlt er, sich entsprechend zu prüfen: "Wenn jemand dünnhäutig oder sehr introvertiert ist, passt der CIO-Job wahrscheinlich nicht zu ihm."

Nicht nur an die Unis denken

Astrid Fey, IT-Leiterin des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn:
Foto: Fey

Astrid Fey, IT-Leiterin des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn, glaubt, dass man Kommunikativität üben kann. Der wichtigste Trainer sitze im eigenen Kopf: "Es kostet Überwindung, aber Schauspieler machen auch nichts anderes. Wenn man Verantwortung für seine Mitarbeiter übernehmen will, muss das sein." Fey hat die CIO-des-Jahres-Jury mit einem dreiteiligen "Projektbündel" überzeugt: Sie und ihr Team haben im BIBB ein Smartcard-basiertes Single-Sign-on, ein IT-gestütztes Nachhaltigkeits-Management sowie im Rechenzentrum neue Klimatechnik mit direkter freier Kühlung eingeführt. Die IT-Leiterin kennt viele Informatiker, die ihren Beruf gewählt haben, weil sie die Technik mögen: "CIO werden ist für manche dann wie ein Abdriften, man sitzt ständig in Meetings, und bei den Herren zwickt die Krawatte." Solchen Kollegen rät Fey, sich eine "technische Spielecke" zu suchen: "Das erhält die Freude an der Arbeit" und signalisiert Mitarbeitern und Dienstleistern, dass sie den Chef in praktischen Fragen nicht veräppeln können.

Auch für junge Leute, die noch lange nicht CIO sind, hat die IT-Leiterin einen Tipp: eine Informatikausbildung beim BIBB. Das Institut ist mit seinen Azubis, unter ihnen Studienabbrecher und Umschüler, sehr zufrieden: "21-Jährige kann ich viel besser an das gewöhnen, was bei uns wichtig ist, als Hochschulabsolventen." Das Interesse ist beidseitig: "Unsere Azubis können in Ruhe das Haus kennenlernen und, wenn wir sie übernommen haben, nebenberuflich studieren. Viele bleiben danach, obwohl sie anderswo viel mehr verdienen könnten."

Vernetzung ist Führungsarbeit

Sönke Björn Vetsch, CIO und COO der Börse Stuttgart:
Foto: Joachim Wendler

Sönke Björn Vetsch, CIO und COO der Börse Stuttgart, hat dort mit seinen Mitarbeitern die gesamte IT-Infrastruktur erneuert. "In einem Unternehmen wie unserem sind die IT und die Unternehmensprozesse so komplex, dass kein Individuum mehr den Überblick behält. Deshalb sind Abstimmung und Kommunikation enorm wichtig." Die vielen Spezialisten zu vernetzen und zu steuern sei Führungsarbeit.

CIOs sollten die Arbeit erklärbar machen. Alle Mitarbeiter sollten wissen, wo und warum ihre Tätigkeit in den weit verästelten Zusammenhängen nötig ist: "Unsere Vision ist, dass jeder nach Hause gehen und erzählen kann, welchen Wertbeitrag er für das Unternehmen leistet. Informatik ist so vielschichtig und nuancenreich, dass dies nicht selbstverständlich ist." Erklärungsbedarf gibt es auch außerhalb der IT: Die IT der Börse Stuttgart unterhält eine Business-Relations-Abteilung, die sich um das gegenseitige Verständnis von Business und IT kümmert. Oft hilft gesunder Menschenverstand.

Technisch sollte ein CIO so beschlagen sein, dass er seine Entscheidungen im Blick auf Betriebswirtschaft, Strategie, Taktik und Politik des Unternehmens treffen kann. Empfehlenswert ist auch eine gewisse Robustheit: "Ein CIO darf keine Dankbarkeit erwarten. Dass alle Systeme funktionieren, gilt als selbstverständlich. Wenn aber bei einem Anwender nur ein Fenster auf dem Bildschirm nicht funktioniert, dann heißt es, die IT habe schlecht gearbeitet. Der Umgang damit gehört zu unserer Professionalität."

Länger als bis fünf

Foto: Volker Dirksen, Landwirtschaftsverlag

"Die Arbeit eines CIO ist sicher kein Nine-to-Five-Job", sagt Volker Dirksen, IT-Leiter des Landwirtschaftsverlags in Münster."Wenn notwendig, ist eine Ausweitung in die Abendstunden oder in das Wochenende durchaus üblich." Als Ratschlag könnte das heißen: Man sollte diese Arbeit nur machen, wenn man sie mag.

Die bekannteste Zeitschrift aus dem Landwirtschaftsverlag ist die "Landlust". 2007 wurden erstmals von einem Heft mehr als 200.000 Exemplare verkauft, im ersten Quartal 2012 waren es durchschnittlich mehr als eine Million. Führend ist der Verlag auch mit Online-Marktplätzen wie www.traktorpool.de für gebrauchte Land- und Baumaschinen. Die eher schwerfällige Datenverarbeitung, die Dirksen bei seinem Amtsantritt 2009 vorfand, wäre dem Wachstum nicht mehr gerecht geworden. In einem vielschichtigen, auch kleinteiligen Projekt transformierte er sie in eine sichere, skalierbare und modulare Applikationslandschaft und führte ein durchgängiges Enterprise-Architecture-Management (EAM) ein.

Zeit-Management nach eigenen Regeln

Damit er von seinen Mitarbeitern als Diskussionspartner akzeptiert wird, muss ein CIO technische Entwicklungen belastbar einschätzen können, empfiehlt Dirksen - "in diesem Zusammenhang spreche ich auch gerne von Bewertungskompetenz". Seine Jahre als Unternehmensberater lobt er als gute Schule im Kommunizieren, Moderieren und Konflikte austragen. Veranstaltungen wie die Hamburger IT-Strategietage besucht er auch, um mit anderen CIOs netzwerken zu können.

Kommunikation ist für jeden CIO ein großes Thema. Für Thorsten Pawelczyk war sie auch Gegenstand des Hauptprojekts, mit dem er sich als CIO des Jahres beworben hat. Für den Küchenhersteller Siematic in Löhne erfand er das Unternehmens-Wiki "Wikimatic". Transparenz (alles, was nicht als vertraulich behandelt werden muss, steht im Wiki), Freizügigkeit (unter seinem User-Namen darf jeder alles ändern) und ein gewisser Druck (Arbeits- und Prozessanweisungen stehen nur noch im Wiki, jeder muss über seine Arbeit bloggen) bewirkten durchschlagende Erfolge: Die Organisation wurde einfacher, Besprechungen kürzer, Mitarbeiter konnten auf anspruchsvollere Positionen versetzt werden.

Pawelczyk empfiehlt jungen Kollegen, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, immer wieder den ehrlichen Dialog zu suchen und um offenes Feedback zur eigenen Arbeit zu bitten. Aber wann kommt ein CIO bei der ganzen Kommunikation zum Nachdenken? "Das Wichtigste am Zeit-Management ist, dass man selbst die Regeln setzt. Wenn ich in Ruhe nachdenken will, komme ich an bestimmten Tagen schon um 6.30 Uhr ins Büro und gehe abends früher weg. Manchmal fällt mir dann auch beim Sport etwas ein."

In wechselnden Positionen ist Thorsten Pawelczyk seit 17 Jahren bei Siematic. An der Arbeit als CIO mag er die Mischung aus tiefer Technik und enger Verflechtung in Business und Kommunikation, und er findet es schön, ständig dazuzulernen: "Ich würde meinen Job immer wieder antreten. Man muss allerdings belastbar sein und ein deutliches Profil haben."