Arbeitgeber riskieren rechtliche Probleme

Warum Zielvereinbarungen unverzichtbar sind

23.08.2011 von Renate Oettinger
Werden in einem Unternehmen keine Zielvereinbarungen getroffen, können die Mitarbeiter wegen entgangener Boni Schadensersatz verlangen

Die Wirtschaft zieht an, umsatzstarke und motivierte Mitarbeiter sind heiß begehrt. Finanzielle Anreize können verhindern, dass sie zur Konkurrenz abwandern. Wer jetzt noch keine Zielvereinbarungen mit seinen Mitarbeitern geschlossen hat, sollte sich daher sputen. Das gilt für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern bereits erfolgsabhängige Boni zusätzlich zum Festgehalt zahlen und für solche, die in diesem Jahr erstmals variable Vergütungsmodelle einführen möchten.

Treffen Arbeitgeber keine Zielvereinbarung für das laufende Jahr oder geben sie keine Ziele vor, obwohl sie sich vertraglich dazu verpflichtet haben, ist das riskant: Mitarbeiter können wegen entgangener Boni Schadensersatz verlangen.

Treffen Arbeitgeber keine Zielvereinbarung vor, können Mitarbeiter unter Umständen wegen entgangener Boni Schadensersatz verlangen.
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Häufig sehen variable Vergütungsmodelle vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedes Jahr neu miteinander vereinbaren, welche Ziele für welchen Bonus erreicht werden müssen oder dass der Arbeitgeber einseitig Zielvorgaben macht. So müsste z.B. ein Vertriebsleiter seine Verkaufszahlen um 10 Prozent steigern, dafür erhielte er entweder eine prozentuale Beteiligung an der tatsächlich erzielten Steigerung oder einen festen Bonus.

Üblicherweise werden Ziele im Dezember des Vorjahres oder Anfang des betreffenden Jahres festgelegt. Der Grund liegt auf der Hand: Es macht wenig Sinn, erst im September über die Ziele eines Jahres zu sprechen. Wenn Mitarbeitern nicht mehr genügend Zeit bleibt, die vereinbarten oder vorgegebenen Ziele und damit die Bonuszahlung auch zu erreichen, kann allenfalls noch über abgespeckte Ziele diskutiert werden.

Hier können sich Arbeitnehmer durchsetzen

Wird die vertragliche Verpflichtung zu einer Zielvereinbarung oder einer Zielvorgabe nicht korrekt erfüllt und erhalten Mitarbeiter deshalb keine oder nur geringere variable Gehaltsbestandteile, können sie in folgenden Fällen Schadensersatz fordern:

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in diesen Fällen der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass eine Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wurde und er dem Mitarbeiter damit gar nicht erst die Chance gegeben hat, diese zu erfüllen. Der Arbeitgeber verletzt seine vertraglichen Pflichten, und der Mitarbeiter hat dann Schadensersatzanspruch.

Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich danach, was der Mitarbeiter bei Abschluss einer Zielvereinbarung und bei deren Erfüllung bekommen hätte. Gibt es im Vertrag dafür keine Anhaltspunkte, können die Zahlungen der vergangenen Jahre einen Richtwert darstellen. Die Verpflichtung zum Schadensersatz kann im Ergebnis dazu führen, dass das Unternehmen Zahlungen in voller erreichbarer Höhe leisten muss, obwohl der Mitarbeiter nicht tatsächlich daran gearbeitet hat, die Zielvorgaben zu erreichen. Nur wenn auch der Mitarbeiter verantwortlich dafür ist, dass letztlich keine Zielvereinbarung abgeschlossen wurde, trifft ihn ein Mitverschulden, das den Schadenersatzanspruch mindert.

Dasselbe gilt für vertragliche Regelungen, die eine einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber vorsehen. Diese sind in der praktischen Handhabung zumeist einfacher, weil der Arbeitnehmer - anders als bei der gemeinsamen Zielvereinbarung - den vorgegebenen Zielen nicht zustimmen muss.

Bonussysteme

Mit Bonussystemen können Mitarbeiter zu guten Leistungen motiviert und finanziell belohnt werden. Neben einem guten Betriebsklima und Aufstiegschancen sind finanzielle Anreize nach wie vor einer der wichtigsten Gründe, warum Mitarbeiter in einem Unternehmen bleiben. Zugleich bedeuten sie für Unternehmen eine beachtliche Möglichkeit, die Vergütung zu flexibilisieren, insbesondere abhängig von Unternehmenserfolg und individuellen Leistungen der Mitarbeiter.

"Die Ausgestaltung variabler Vergütungsmodelle und die dazugehörigen jährlichen Ziele sollte jedoch wohl überlegt sein", rät Eva Wißler, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Schmalz Rechtsanwälte. "Wer sich auf ein variables Vergütungssystem festlegt, sollte im Vorfeld überlegen, ob sich das System gut handhaben lässt, auch in der Zukunft."

Unternehmen sollten sich klar darüber sein, dass die Rechtsprechung zu variablen Vergütungsbestandteilen nach wie vor nicht ausgefeilt ist. Zu bedenken ist auch, dass es häufig zu Streit darüber kommt, ob die vereinbarten oder vorgegebenen Ziele tatsächlich erfüllt wurden: in diesem Fall muss sich letztlich das Arbeitsgericht mit den unternehmensspezifischen Inhalten einer Zielvereinbarung oder Zielvorgabe befassen. Gerade für Außenstehende sind unternehmensbezogene Feinheiten oft schwer zu verstehen und erst recht zu beurteilen. Auch dies sollte bei der Gestaltung von Zielvereinbarungen bedacht werden.

Weitere Informationen:

Eva Wißler ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin in der Frankfurter Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte, Frankfurt, www.schmalzlegal.com