Warum Outsourcing-Projekte scheitern

19.01.2006 von Eberhard Groetschel
Ehrgeizige Topmanager, schlechte Vorbereitung und überhastete Vertragsverhandlungen können jedem Auslagerungs-Deal den Garaus machen.

Die von renommierten Analysten genannten Zahlen zum Verlauf von Outsourcing-Projekten sind besorgniserregend: 50 Prozent der Kunden sind mit der Situation nach dem Betriebsübergang unzufrieden, 30 Prozent der Vorhaben scheitern ganz. Warum sind diese Quoten so hoch? Die Hauptursache sind Kardinalfehler in der Vorbereitung:

Hier lesen Sie ...

  • welche internen Aktivitäten einem Outsourcing-Projekt schaden können;

  • wie sich IT-Manager auf die Auslagerung vorbereiten können;

  • welche Fallstricke bei Vertragsverhandlungen lauern.

Alle drei Fehlerquellen können sich bei ungünstigem Projektverlauf in ihrer Wirkung gegenseitige verstärken.

Als schwere Bürde in Outsourcing-Projekten empfinden die meisten Verantwortlichen die Überarbeitung der Prozesse und der Organisation.

Sobald die ersten Outsourcing-Gedanken angestellt werden, besteht die Gefahr, dass vorpreschende Führungskräfte vorschnell die kurzfristige Umsetzung einfordern, um sich durch das Propagieren möglicher Einsparpotenziale zu profilieren. In der Folge geraten IT-Abteilung und CIO schon unter erheblichen Zeitdruck, bevor das Outsourcing-Vorhaben überhaupt gestartet wurde. Dass die für den IT-Betrieb zuständige Abteilung und der CIO sich durch andere Unternehmensbereiche derart in die Defensive drängen lassen, hängt mit der Stellung der IT im Unternehmen zusammen: Ihr Wert wird nicht erkannt, und ihre Rolle in der Unternehmensstrategie bleibt unklar.

Wichtige Fragen klären

Deshalb sollten Unternehmen, bevor sie die IT-Auslagerung in Erwägung ziehen, zunächst klären, wie sich die IT in all ihren Facetten in die Unternehmensstrategie einfügt und wie sie die Geschäftsziele unterstützen kann. Antworten auf folgende Fragen können helfen:

Ist die Unzufriedenheit mit der IT der Grund für den Outsourcing-Wunsch, dann ist von einer Auslagerung dringend abzuraten. Die Fremdvergabe an einen externen Dienstleister löst keine organisatorischen Probleme, sondern legt sie nur offen. Auch einen Innovationsstau kann ein IT-Dienstleister nicht beheben, weil er keinen Durchgriff auf die Unternehmensprozesse hat, die etwa bei der Ablösung eines betagten Warenwirtschaftssystems neu geordnet werden müssten. Neben fehlender Vorbereitung sind die überzogenen Erwartungen an einen Dienstleister, derartige hausgemachte Unzulänglichkeiten zu beheben, ein weiterer Grund für das Scheitern von Outsourcing-Projekten.

Outsourcer lösen keine Probleme

Unzufriedenheit stellt sich zudem ein, wenn die erwarteten Einsparungen ausbleiben. Ein Outsourcer will mit der Übernahme einer IT natürlich Geld verdienen, doch das kann er nur, wenn er sich Skaleneffekte zunutze macht. Das funktioniert in einer gewachsenen, heterogenen und veralteten IT nur, indem der externe Dienstleister unter Einsatz eigener Experten die IT-Landschaft modernisiert. Das Tempo in diesem Erneuerungsprozess gibt jedoch der Outsourcing-Auftraggeber vor, der die veränderten Prozesse intern umsetzen muss. Das kostet Zeit und Geld und drückt das Einsparpotenzial. Daher ist es dringend erforderlich, die Probleme einer nicht zufrieden stellend arbeitenden IT zunächst intern zu lösen, bevor die Outsourcing-Gespräche beginnen.

Doch wie lassen sich die anstehenden Arbeiten effizient erledigen, wenn das Unternehmen wichtiges Know-how durch abwandernde Mitarbeiter verliert und wenn die Aufgabe der IT in einer zukünftigen Unternehmensstrategie unklar ist?

Sechs Tipps zur Vertragsgestaltung

  1. Ein Vertrag sollte in der Muttersprache der Parteien ausgehandelt werden. Besteht eine Partei auf einer Fremdsprache, erzeugt sie auf der Gegenseite inhaltliche Unsicherheit sowie finanziellen und zeitlichen Mehraufwand.

  2. Auftraggeber sollten einen eigenen Vertragsentwurf in die Verhandlungen einbringen. Der Entwurf sollte als Textdatei zur Verfügung stehen, damit ihn die Gegenseite flexibel und umfassend bearbeiten kann.

  3. Outsourcer setzen auf standardisierte Dienstleistungsverträge, um das eigene Vertrags-Management zu vereinfachen. Das sollte ein Auftraggeber nur akzeptieren, wenn er eine genau beschreibbare und standardisierte IT-Dienstleistung auslagert.

  4. Vertragsverhandlungen sollten nicht allein unter juristischen Aspekten geführt werden. Wie sich die formulierten Vereinbarungen auf den IT-Betrieb auswirken, können nur erfahrene IT-Experten beurteilen.

  5. Projekte mit Referenzkunden, die dem Outsourcer nur einen geringen Deckungsbeitrag bieten, sollten beide Parteien im eigenen Interesse meiden. Outsourcer reagieren nach einiger Zeit mit Einsparungen, die Qualität sinkt.

  6. Vertragsverhandlungen brauchen Zeit, die im Projekt eingeplant werden muss. Auch hier gilt: Wenn klar ist, was warum mit welchen Erwartungen ausgelagert werden soll, verkürzt sich die Zeit erheblich, die für die Vertragsverhandlungen erforderlich ist.

Kosten genießen Priorität

Die Mitarbeiter werden durch die unklare Situation verunsichert und die Leistungsträger wandern ab, der Handlungsdruck steigt. Die Ist-Aufnahme der zu übergebenden IT wird unter Zeitdruck zumeist noch einigermaßen erledigt. Doch welche Teile der IT ausgelagert werden und wo die Schnitte zwischen internem und künftigem externen Betrieb verlaufen sollen, wird weitgehend unter Kostengesichtspunkten und leider häufig ohne Rücksicht auf die strategischen Ziele geklärt. Steht der abzugebende IT-Ausschnitt dann fest, werden im Anschluss die IT-Schnittstellen unter technischen und organisatorischen Gesichtspunkten definiert. Oft überrascht die auslagernden Unternehmen dann der Aufwand, der zur Steuerung des Dienstleisters betrieben werden muss. Das liegt weniger am externen Partner als an den Schnittstellen, die im Vorfeld nicht sauber geplant wurden. Auch dies ist eine Quelle der Unzufriedenheit mit dem Outsourcing.

Für den Erfolg eines Outsourcing-Projekts ist neben der strategischen Vorbereitung die Verhandlung des Vertrags entscheidend. In den Gesprächen kommt es zum Kräftemessen zwischen Auftraggeber und Dienstleister. Kann das auslagernde Unternehmen eine genau definierte und standardisierte Hard- und Softwarelandschaft mehreren Outsourcern zum Betrieb anbieten und lassen sich vergleichbare Offerten einholen, dann tritt das Anwenderunternehmen gestärkt in die Vertragsverhandlungen ein. Klärt sich hingegen erst im Gesprächsverlauf, etwa aufgrund der Nachfragen eines Outsourcers, der gesamte Projektumfang, gerät der Auftraggeber unter Zeitdruck und damit in die Defensive, wenn Preise und Service Level Agreements (SLAs) verschiedener Anbieter verglichen und verhandelt werden sollen.

Dumping-Angebote meiden

Zudem hat sich gezeigt, dass nur faire Verträge beiden Parteien langfristig zugute kommen. Allzu günstige Abschlüsse bringen oftmals ungeahnte Probleme, wie der Verfasser in einem Application-Management-Outsourcing-Projekt selbst feststellen musste. Erweiterungswünsche verzögerte der Outsourcer immer wieder wegen "technischer" Klärungen, und zwar so lange, bis die aus Kostengründen für mehrere Outsourcing-Kunden eingesetzten Programmierer wieder frei waren. Die Reduzierung der Leistungen ist zumeist ein schleichender Prozess und nur mit einer gewissen Zeitverzögerung zu erkennen. Durch kritische Preisvergleiche unter den Anbietern einer Größenklasse und eine Offenlegung der Faktorkosten (Flächen-, spezifische Personal-, Overhead-Kosten etc.) lassen sich zu niedrig kalkulierte Angebote aufdecken. Bei Verdacht auf ein Dumping-Angebot sollte ein anderer Partner gewählt werden.