Schnelles Wachstum für Linux und Co

Warum Open Source zum Milliardenmarkt wird

19.06.2008 von Wolfgang Herrmann
Mit der zunehmenden Akzeptanz von Open-Source-Software in der Unternehmens-IT vervielfachen sich die damit verbundenen Umsätze.

Bis zum Jahr 2012 wächst der Markt für quelloffene Software auf ein Umsatzvolumen von 4,83 Milliarden Dollar. Das zumindest prognostiziert das amerikanische Marktforschungs- und Beratungshaus IDC. Glaubt man den Vorhersagen, werden sich die Einnahmen mit sogenannter Standalone Open-Source-Software innerhalb von fünf Jahren nahezu verdreifachen. IDC errechnet für das Jahr 2007 einen weltweiten Umsatz von 1,73 Milliarden Dollar. Damit ergäbe sich eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 23 Prozent.

OSS-Projekte wachsen schnell

Unter Standalone Open-Source-Software will IDC-Analyst Matthew Lawton quelloffene Programme verstanden wissen, die kommerziell vermarktet werden. Er unterscheidet dabei zwischen neuen Open-Source-Projekten, die mit durchschnittlich 32 Prozent pro Jahr vergleichsweise schnell wachsen, und solchen, die auf einstmals proprietärer Software aufsetzen. Zu Letzteren zählt der Marktforscher etwa die von Sun Microsystems angestoßene Initiative OpenSolaris, die das herstellereigene Unix-Derivat weiterentwickelt. Diese zweite Gruppe von quelloffenen Systemen lege zwar langsamer zu, generiere aufgrund ihrer Vergangenheit aber relativ große Umsätze.

Über die tatsächliche Verbreitung von Open-Source-Software sagen diese Zahlen indes nur wenig aus, schränkt Lawton ein. Viele Unternehmen nutzen quelloffene Komponenten nicht in Form fertiger Produkte sondern beispielsweise über kostenlose Downloads oder als integrierte Bestandteile anderer Systeme. Auf diesen Umstand verweist auch eine Studie von Saugatuck Technology (siehe dazu: Die Zukunft von Open Source). Die Autoren sehen die größten Wachstumspotenziale in "Mixed-Source"-Szenarien. Open-Source-Software hält demnach immer stärker Einzug in traditionelle IT-Systeme der Anwender. Gleiches gelte für Softwarelösungen kommerzieller Anbieter. Diese "versteckte Präsenz" quelloffener Software führe zu einer allmählichen Veränderung der Unternehmens-IT insgesamt.

"Der Umsatz mit Standalone Open-Source-Software ist ein wichtiger, aber vergleichsweise schwacher Indikator für den kommerziellen Erfolg quelloffener Software", erläutert IDC-Experte Lawton. Etliche große Anbieter erzielten indirekte Umsätze mit Supportdiensten und anderen Aktivitäten. Eines aber scheint für ihn klar zu sein: Die Anbieter proprietärer Software werden den zunehmenden Einsatz von Open-Source-Software in produktiven IT-Umgebungen schon bald zu spüren bekommen.

Wie verbreitet ist Open Source wirklich?

Mehr Aufschluss über den Einsatzgrad quelloffener Software in Unternehmen gibt eine Studie der CW-Schwersterpublikation CIO.com. Von den 328 befragten Führungskräften aus der IT und anderen Abteilungen gab mehr als die Hälfte an, bereits Open-Source-Software in der Organisation zu nutzen. Weitere zehn Prozent planen den Einsatz im nächsten Jahr. 44 Prozent der Manager betrachten quelloffene und proprietäre Software im Einkaufsprozess als gleichwertige Alternativen.

Kaum überraschend gehört das Betriebssystem Linux mit 78 Prozent zu den am meisten genutzten Open-Source-Systemen. Auch Infrastruktur-Software wie Backend-Datenbanken oder Web-Server setzen 74 Prozent der Interviewten ein. Mit 61 Prozent stehen zudem Entwicklungs-Tools wie Eclipse ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Den Einwand vieler Kritiker, im Bereich Business-Anwendungen spiele Open Source kaum eine Rolle, stützt die CIO-Erhebung nicht. Fast die Hälfte der Befragten arbeitet mit Desktop-Applikationen wie OpenOffice.org; immerhin 29 Prozent nutzen klassische Enterprise Applications. Zu den populärsten Programmen dieser Gattung gehören Collaboration-Werkzeuge, CRM-Tools und ERP-Anwendungen. Dabei scheint das Vertrauen in quelloffene Lösungen unter Führungskräften generell gestiegen zu sein. Zwei von fünf der Interviewten stimmten der Aussage zu, Linux eigne sich in puncto Zuverlässigkeit auch für geschäftskritische Anwendungen.

Gründe für Open Source

Die wichtigsten Gründe für den Einsatz von Open-Source-Software sind finanzieller Art, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. 59 Prozent der Verantwortlichen wollen damit Betriebskosten senken (TCO, Total Cost of Ownership). Fast ebenso viele (56 Prozent) erhoffen sich günstigere Konditionen bei der Beschaffung. Doch Geld ist nicht alles. Immerhin 32 Prozent nannten eine größere Flexibilität als Hauptmotiv; der freie Zugang zum Quellcode ist für 30 Prozent entscheidend. Dagegen spielt das von Protagonisten oft vorgebrachte Argument der angeblich besseren Code-Qualität nur für zwölf Prozent eine Rolle.

Die Analysten von Saugatuck Technology kommen in ihrer Studie zu ähnlichen Ergebnissen. So nannten 44 Prozent der Befragten Lizenzbedingungen und Kosten als bedeutendste Faktoren. Fast ebenso wichtig (37 Prozent) war den Unternehmen eine verringerte Abhängigkeit von herstellerspezifischen Lösungen. Überraschend hoch bewerteten Teilnehmer der Saugatuck-Umfrage die grundsätzliche Möglichkeit, Open-Source-Software nach ihren Wünschen anzupassen.

Was gegen Open Source spricht

Geht es um die Hürden für einen professionellen Open-Source-Einsatz, haben die von CIO.com befragten Manager und Fachkräfte ein klare Meinung: 45 Prozent sorgen sich um den Support einschlägiger Produkte. Dahinter steht der Wunsch, bei technischen Problemen zuverlässige Ansprechpartner ans Telefon zu bekommen. Trotz zahlreicher Serviceangebote von spezialisierten Open-Source-Dienstleistern scheinen die Bedenken vieler IT-Verantwortlicher noch nicht ausgeräumt zu sein. Andere Hindernisse wie mangelnde Kenntnisse passender Open-Source-Lösungen (29 Prozent) oder Sicherheitsbedenken (26 Prozent) spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Immerhin 22 Prozent fehlt die für einen breiten Open-Source-Einsatz nötige Rückendeckung aus dem Management.

Policy für Open Source

Wie weit Unternehmen in Sachen Open Source sind, lässt sich auch daran ablesen, ob sie eine formale Policy für den Einsatz formuliert haben. Der CIO-Umfrage zufolge arbeitet mehr als ein Viertel der Organisationen mit solchen Vorgaben. 18 Prozent der Führungskräfte wollen innerhalb der nächsten 12 Monate eine Open-Source-Policy erarbeiten. Die damit verbundenen Mühen scheinen sich auszuzahlen: 45 Prozent der Manager bezeichneten ihre Policies als "sehr effektiv".