Trotz guter Bezahlung

Warum IT-Profis selten im Sales landen

09.11.2015 von Bernhard Kuntz
Im Vertrieb winkt oft eine bessere Bezahlung, was den einen oder anderen Entwickler zum Wechseln animiert. Doch nur wenige Informatiker verfügen über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die ein Vertriebsprofi braucht – speziell im Firmenkundengeschäft.
  • Eine fundierte Kenntnis der Geschäftsprozesse der Zielkunden ist von elementarer Bedeutung
  • Informatikern fehlen häufig wichtige "Vertrieblerfähigkeiten"
  • Karrierechancen für Informatiker werden sich in den kommenden Jahren verbessern

Die IT ist omnipräsent und ohne sie läuft (fast) nichts mehr. Egal, ob wir die Waschmaschine einschalten, am Fahrkartenautomaten ein Ticket ziehen oder mit unseren Liebsten per Handy kommunizieren, stets sorgen in die Hardware integrierte Softwareprogramme dafür, dass sich unsere Wünsche erfüllen. Ähnlich verhält es sich in den Unternehmen. Funktioniert in ihnen die IT nicht mehr, dann stehen bildhaft gesprochen (fast) alle Räder still. Nicht nur die Mitarbeiter in den Verwaltungs-, sondern auch in den Produktionsbereichen können dann nur noch Däumchen drehen - da heute die meisten Maschinen und Anlagen computergesteuert sind.

Was IT-Vertriebler können müssen

Entsprechend groß ist heute der Bedarf an IT-Leistungen; entsprechend stark ist meist aber auch der Wettbewerb - weshalb alle Anbieter im IT-Bereich einen Vertrieb brauchen, der ihre Leistungen aktiv verkauft. Das ist keine leichte Aufgabe - speziell im Business-to-business-Bereich (B2B), betont Peter Schreiber, Inhaber des auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld bei Heilbronn. Denn für die meisten Anbieter im IT-Bereich gilt: Ihre Kunden sind keine Startups auf der grünen Wiese, sondern etablierte Unternehmen. Das heißt: In ihnen existiert bereits eine oft über Jahrzehnte gewachsene IT-Landschaft und mit dieser müssen die neuen Lösungen harmonieren. Dies ist ein Grund, warum Hans-Joachim Neher, Inhaber der auf Reiseveranstalter spezialisierten DCS Dialog-Computer-Software GmbH in Darmstadt sagt: "Unsere Vertriebler müssen die Geschäftsprozesse unserer Kunden verstehen. Denn ohne dieses Know-how können sie für diese - unterstützt von unseren Technikern - keine passgenauen Lösungen entwerfen."

Peter Schreiber, Peter Schreiber & Partner: "Wenn sich ein Unternehmen für eine IT-Lösung entscheidet, dann geht es mit dessen Anbieter oft eine jahrzehntelange Geschäftsbeziehung ein." Dies kann bei einer Fehlentscheidung weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.
Foto: Peter Schreiber & Partner

Ähnlich äußern sich fast alle IT-Unternehmen, wenn es um die Frage geht: Welche Fähigkeiten brauchen ihre Vertriebsmitarbeiter? Unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um mittelständische Systemhäuser oder IT-Konzerne handelt. Sie betonen übereinstimmend: Ohne eine fundierte Kenntnis der Geschäftsprozesse der Zielkunden geht heute im Firmenkundengeschäft fast nichts mehr. Auch aus folgenden Grund, erläutert Georg Kraus, Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal: "Kein Geschäftsführer oder Vorstand entscheidet einfach so 'Lasst uns mal ein neues IT-System einführen'. Wenn das Management eines Unternehmens dies tut, dann verfolgt es damit konkrete Ziele." Zum Beispiel, dass die Stückkosten sinken. Oder dass die Durchlaufzeiten sich verkürzen. Oder dass die Kunden besser betreut werden. Also lautet eine Herausforderung, vor der die Vertriebsmitarbeiter der IT-Unternehmen bei ihrer Arbeit oft stehen: Sie müssen den Kunden das Gefühl vermitteln "Mit dieser Lösung…" beziehungsweise "…mit diesem Anbieter erreichen wir sicher unser Ziel".

Georg Kraus, Dr. Kraus & Partner: "Vertriebsmitarbeiter müssen den Kunden das Gefühl vermitteln "Mit dieser Lösung…" beziehungsweise "…mit diesem Anbieter erreichen wir sicher unser Ziel".
Foto: Georg Kraus

Kunden haben viele Nutzenerwartungen

Das gelingt reinen IT-Experten oft nicht. Denn ihnen ist häufig nicht ausreichend bewusst, dass die Kunden meist "ein ganzes Bündel unterschiedlichster Nutzenerwartungen" an eine IT-Lösung haben, erklärt Peter Schreiber. Diese fasst der Vertriebsberater in seinen Trainings und Workshops in der T.A.S.K.-Formel zusammen. Ihr zufolge haben die Kunden neben technischen meist auch ablauf-organisatorische "Nutzenerwartungen" - wie zum Beispiel, dass das Implementieren der neuen IT-Lösung nicht das Alltagsgeschäft lahmlegt. Oder dass ihr Lieferant auch die Mitarbeiter schult. Außerdem haben sie sozial-menschliche Erwartungen - wie zum Beispiel: Sie wollen als Person wahrgenommen und gewertschätzt werden. Und sie möchten bei Problemen einen verständnisvollen Ansprechpartner haben. Und selbstverständlich haben sie auch kaufmännisch-wirtschaftliche Erwartungen. Die Investition soll sich zum Beispiel rechnen; und die Wartungskosten oder Lizenzgebühren ihnen nicht die Haare vom Kopf fressen.

Per Ferndiagnose lassen sich die für den Vertriebserfolg nötigen Infos, was dem Kunden wichtig ist, nur zum Teil gewinnen. Also müssen die Vertriebler eine persönliche Beziehung zu den Entscheidern bei ihren Kunden aufbauen. Denn nur dann können sie ermitteln,

Dies zu ermitteln, ist laut Uwe Reusche, Geschäftsführer des Instituts für Sales- und Managementberatung (ifsm), Urbar bei Koblenz, im B2B-Vertrieb meist nicht leicht. In der Regel entscheidet, wenn ein Unternehmen zum Beispiel ein neues ERP-, CRM- oder Warenwirtschaftssystem einführen möchte, dessen Inhaber, Geschäftsführer oder Vorstand dies nicht allein - "selbst wenn er am Schluss den Vertrag unterschreibt".

Er konferiert vielmehr im Verlauf dieses Kaufentscheidungsvorganges regelmäßig mit den Leitern der betroffenen Bereiche und den (IT-)Experten in seinem Unternehmen darüber: Was wäre/ist für uns die beste Lösung und worauf sollten wir bei der Auswahl des künftigen Partner achten? Zurecht: "Wenn sich ein Unternehmen für eine IT-Lösung entscheidet, dann geht es mit dessen Anbieter oft eine jahrzehntelange Geschäftsbeziehung ein", betont Schreiber. Entsprechend weitreichend können die Folgen einer Fehlentscheidung sein. "Das ist den Kunden oft bewusster als den Vertriebsmitarbeitern", moniert der Berater.

Diese Soft Skills brauchen IT-Experten
Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt.
Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ...
Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ...
Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein."
Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ...
Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung."
Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ...
Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ...
Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen."
Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ...
... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ...
Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse."
Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ...
Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ...
Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ...
Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen."
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich.
Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ...
Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung."
Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen."
Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ...
Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen."
Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso."
An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben."
Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.

Die Einschätzungen sowie Wünsche und Bedürfnisse der Mitglieder des Buying-Center können aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion im Unternehmen stark divergieren. So kann zum Beispiel beim Kauf eines CRM-Systems der zentrale Wunsch des Vertriebsleiters sein, dass dieses die bewährten Prozesse im Vertrieb unterstützt - und die Abläufe kaum verändert werden müssen, damit möglichst wenig Unruhe in seinem Team entsteht. Und der Leiter der IT-Abteilung? Er achtet primär darauf, dass sich das System leicht in die bestehende IT-Landschaft integrieren lässt. Und dem Leiter der Personalabteilung? Er hat vor allem den Schulungsaufwand vor Augen, der mit der Einführung verbunden ist. Und der Geschäftsführer? Er will vor allem, dass sich die Investition möglichst schnell amortisiert und die "Costs-of-ownership" niedrig sind.

Ohne ausreichendes Wissen über die Geschäftsprozesse der Zielkunden ist es äußerst schwer, mit diesen ins Geschäft zu kommen. Auch haben die Kunden einen Haufen Erwartungen an eine IT-Lösung - dies ist IT-Experten oftmals nicht klar.
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Flexibilität im Denken und Verhalten

Also steht der Vertrieb des IT-Unternehmens vor der Herausforderung, alle Mitglieder des Buying-Center davon zu überzeugen, dass die vorgeschlagene "Lösung" die Beste ist. Das ist nicht nur wegen der unterschiedlichen Nutzenerwartungen eine herausfordernde Aufgabe, betont Uwe Reusche, sondern auch, weil die Mitglieder des Buying-Center meist "unterschiedlich ticken" - also verschiedene Persönlichkeiten sind. Während zum Beispiel der Vertriebsleiter als pragmatischer Macher vor allem will, dass sein Team endlich - am liebsten morgen - das Tool hat, das es für eine effektive Marktbearbeitung braucht, ist dem Leiter IT das Thema Sicherheit sehr wichtig. Entsprechend stark beschäftigt ihn die Frage, wie ausgereift die Software ist und welche Erfahrungen andere Unternehmen mit ihr gesammelt haben. Und der Geschäftsführer? Er liebt Zahlen, Daten und Fakten. Also will er vor allem Kosten-Nutzen-Rechnungen sehen, die belegen, dass sich die Investition schnell amortisiert. Entsprechend flexibel müssen Vertriebler in ihrem Denken und Verhalten sein. Und entsprechend fein müssen laut Schreiber ihre Antennen dafür sein:

Auch eine (gesprächs-)taktische Schulung ist von Nöten.

Unternehmen setzen eher auf BWLer als ITler

Diese für den Vertriebserfolg wichtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, haben IT-Profis oft nicht in ausreichendem Maße. Deshalb arbeiten im Vertrieb der IT-Unternehmen heute mehr Betriebswirte und Kaufleute als Informatiker. "Zumindest wenn es um das Türöffnen und Interesse-wecken geht, setzen die meisten Betriebe eher auf Betriebswirte", betont Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Branchenverband Bitkom. Anders sieht es aus, wenn es darum geht, die Projekte im Dialog mit den Kunden zu planen und zu realisieren.

Dass viele Unternehmen im Vertrieb - zumindest beim Anbahnen und Managen der Kundenkontakte und -beziehungen - primär auf Nicht-ITler und solche "Zwitter" wie Wirtschaftsinformatiker setzen, hat laut Oliver Grün, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi), Aachen, auch folgenden Grund: Das Informatiker-Bild der Öffentlichkeit ist noch stark vom "Nerd" geprägt - also dem blässlichen Jüngling, der am PC über irgendwelche technische Probleme grübelt und mit seiner Umwelt, wenn überhaupt, per Computer kommuniziert. Deshalb entschieden sich eher kommunikative Typen in der Vergangenheit meist gegen ein IT-Studium.

Vertriebler brauchen ein dickes Fell

Auch wegen der in der Vergangenheit oft einseitigen Ausrichtung der Informatikstudiengänge auf die Programmiertätigkeit fehlen vielen Informatikern gewisse Fähigkeiten, die Vertriebler brauchen. Dazu zählt nicht nur die Kenntnis der Geschäftsprozesse in Unternehmen. "Dieses Know-how haben sich viele Informatiker, die heute als Projekt-Manager arbeiten, im Verlauf ihres Berufslebens angeeignet", betont Karl-Wilhelm Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Hannover, die unter anderem die dualen Studiengänge "Wirtschaftsinformatik" und "Angewandte Informatik" anbietet - "ebenso das nötige betriebswirtschaftliche Know-how". Das allein genügt aber nicht, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. "Denn um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten."

Karl-Wilhelm Müller-Siebers, FHDW: "Um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten."
Foto: FHDW

Welche Skills dies sind, beschreibt Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen am Fachbereich Informatik der Fachhochschule Worms. Laut Aussagen der Diplominformatikerin, die den Karriereratgeber für ITler "Jenseits der Programmierung" schrieb, muss ein Verkäufer zum Beispiel Niederlagen gut wegstecken können. Nicht umsonst laute ein alter Spruch: "Ein guter Vertriebler kommt, wenn er durch die Vordertür rausgeschmissen wurde, durch die Hintertür wieder herein." Die Kunden haben nicht immer einen Bedarf. "Aber wenn ein neuer Bedarf entsteht - zum Beispiel, weil das Unternehmen sich neue Ziele setzte oder sein Markt sich wandelte - dann muss der Vertriebler auf der Matte stehen und sich als kompetenter Lösungspartner erweisen", betont der Coach Georg Kraus.

Heinemann Elisabeth, FH Worms: "Ein Verkäufer muss Niederlagen gut wegstecken können."
Foto: FH Worms

ITler sind zu "wertvoll" für den Vertrieb

Diese Hartnäckigkeit, Ausdauer und Konsequenz hat nicht jeder. Deshalb rät Bitkom-Mann Pfisterer jungen Informatikern ab, eine Karriere im Vertrieb anzustreben, wenn sie sich als Entwickler wohlfühlen,- selbst wenn dort aufgrund der variablen Vergütungsanteile oft eine bessere Bezahlung lockt. Eher sollten sie darauf hinarbeiten, eine Teamleiter-Position oder eine Projekt-Management-Funktion zu übernehmen. Denn zumindest in vielen Großunternehmen stehen heute auch Spezialisten attraktive Karrierewege offen.

Und die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten werden sich in den kommenden Jahren noch verbessern - auch außerhalb des Vertriebs. Davon sind alle befragten Experten überzeugt. Denn gute Informatiker und Entwickler sind in Deutschland rar. Viele Unternehmen sind heute bereits froh, wenn sie ausreichend Mitarbeiter mit dem benötigten IT-Know-how beispielsweise zum (Weiter-)Entwickeln ihrer Produkte haben. Entsprechend gering ist ihr Interesse daran, dass diese wertvollen, weil gesuchten Mitarbeiter im Vertrieb arbeiten. Sie werden für andere Aufgaben gebraucht.