Warum gute Verträge so aufwändig sind

21.02.2008 von David Niepenberg
Große Serviceprojekte scheitern meist nicht an fachlichen Anforderungen, sondern an Mängeln im Vertrags-Management.

Aus Zeitdruck oder aus Mangel an entsprechenden Kenntnissen verzichten manche Auftraggeber darauf, den Vertrag selbst zu erstellen und übernehmen stattdessen die Formulierungen und Leistungsscheine des IT-Dienstleisters. Das mag auf den ersten Blick bequemer sein. Im Projektverlauf hat dieser Ansatz allerdings gravierende Nachteile. So enthalten die Vorlagen des Providers oft einseitige Formulierungen, die ihn begünstigen und die Position des Auftraggebers schwächen. Unerwünschte Klauseln sind meist schwer zu erkennen und müssen in mühsamen Verhandlungen entfernt werden. Vor allem aber kann der Auftraggeber bei einem vom Provider erstellten Vertrag seine Forderungen erst in den Verhandlungen stellen. Oft sind diese dann unpräzise formuliert und lassen sich schwerer an die Verantwortlichen des Dienstleisters kommunizieren. Im Extremfall stellt sich nach den Verhandlungen sogar heraus, dass der potenzielle Auftragnehmer die gewünschten Leistungen nicht nach Wunsch erbringen kann. Dagegen befinden sich Unternehmen, die dem Provider einen eigenen Rahmenvertrag und eigene Leistungsscheine vorgeben, in einer wesentlich besseren Ausgangsposition.

Kaufen Sie nicht die Katze im Sack!

Vor allem bei umfangreichen Outsourcing-Vorhaben sind klar definierte "Spielregeln" das A und O. Um schon während der Startphase die richtige Weichen zu stellen, kommt es vor allem auf zwei Dinge an: Beide Parteien müssen die Rahmenbedingungen festlegen und anschließend sicherstellen, dass die vereinbarten Leistungen auch erbracht werden. Ein fundiertes Vertrags-Management durch den Anwender ist dabei eine große Hilfe. Allerdings ist der damit verbundene Aufwand nicht zu unterschätzen. Basis des Vertrags-Management sollte eine eigene Vorlage mit klar formulierten Zielen und Anforderungen sein.

Ohne Ziel kein Weg

Um den Überblick über die anfallenden Aufgaben zu behalten, bietet es sich an, den Vertrag in Phasen zu unterteilen.

Zu Beginn der Vorbereitungen sollte sich der Auftraggeber mit seinen Erwartungen auseinandersetzen. Entscheidend dabei ist, dass die Ziele realistisch sind. Es klingt zwar verlockend, eine IT-Abteilung mit massiven Schwierigkeiten an einen externen Anbieter auszulagern. Doch die Hoffnung, dass man mit der IT auch ihre Probleme löst, ist trügerisch. Meistens wird es teurer. Die IT-Abteilung muss ihre selbst verursachten Probleme selbst in den Griff bekommen, wobei ihr externe Dienstleister aber behilflich sein können.

Auch unternehmensinterne Interessenkonflikte können den Erfolg von Projekten gefährden. So ist es schon vorgekommen, dass die verhandlungsführende Fachabteilung – etwa der Einkauf - ohne Rücksprache mit den Projektverantwortlichen – bestimmte Leistungen gestrichen hat. Später stellte sich jedoch heraus, dass diese für andere Fachabteilungen unentbehrlich waren. Solche Vorfälle lassen sich verhindern, wenn vor der Verhandlung alle Betroffenen gemeinsam klare Ziele formulieren und dabei festlegen, welche Services unerlässlich sind und wo gegebenenfalls auch Kompromisse möglich sind. Ausreichendes Know-how über die benötigten Leistungen ist dabei eine wichtige Voraussetzung.

Mögliche Veränderungen einplanen

Auch die vertragliche Flexiblität entscheidet über den Erfolg großer Projekte. Niemand weiß, ob und wie sich in drei Jahren der Geschäftsbedarf oder jeweilige Markt verändert. Bestimmte Services können dann komplett überflüssig sein, während andere, im Vertrag nicht vereinbarte Leistungen benötigt werden. Auch nicht mehr marktgerechte Preise sollten sich nach der Unterzeichnung entsprechend angleichen lassen. Im Idealfall bestimmt der Auftraggeber Verantwortliche, die den Vertrag in regelmäßigen Abständen nach nicht benötigten Leistungen durchforsten und die Preise überprüfen.

Zudem sollten Kündigungsfristen und Verlängerungsoptionen minutiös festgelegt werden. Darüber hinaus sollte der Vertrag eine Klausel über eine vorzeitige Auflösung der Zusammenarbeit enthalten – etwa wenn die Nachverhandlungen zu keiner Einigung führen oder wenn Leistungen zum wiederholten Male nicht erfüllt wurden. Wichtig ist es dann, einen sauberen Abschluss mit einer ordnungsgemäßen Übergabe und klaren Bestimmungen zur Rückführung zu regeln.

Ausschreibung und Auswahl der Anbieter

Neben den technischen Anforderungen sollte der Auftraggeber grundsätzliche Vertragsgegenstände schon bei der Ausschreibung kommunizieren. Dann fällt die Wahl des Providers leichter und die Verhandlungen ziehen sich nicht in die Länge. Auch die Verteilung der Projektsteuerungsaufgaben erfolgt im Idealfall bereits während der Ausschreibung. Das gleiche gilt für die Projekt-Kommunikation – etwa die Teilnahme an Projektleitersitzungen und die Benennung eines internen Gremiums, das die Aufgaben des Change-Managements koordiniert. Wichtig sind zudem eindeutig definierte Eskalationsstufen inklusive Ansprechpartner sowie die Klärung der Mitbestimmung bei der Auswahl und dem Austausch von Schlüsselpersonen. Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Parteien zu gewährleisten, müssen zudem alle Verantwortlichen Zugang zu den vertragsrelevanten Informationen haben. Und vor allem bei wettbewerbsrelevanten Themen sollte der Vertrag Richtlinien zur Herausgabe von Unterlagen und Daten sowie den Urheberrechten an den Arbeitsergebnissen enthalten.

Die Verhandlungen gut vorbereiten

Vorsicht ist geboten, wenn der Dienstleister bestimmte Verhandlungstaktiken während der Ausschreibung verfolgt. Beliebt ist beispielsweise die Methode, ein Angebot als besonders preiswert herauszustellen und zu behaupten, dass es zeitlich begrenzt sei. Auf diese Weise soll der Auftraggeber dazu verleitet werden, den Konditionen innerhalb weniger Tage zuzustimmen, so dass ihm keine Zeit mehr bleibt, die genannten Preise mit den am Markt üblichen Preisen zu vergleichen. Auch auf so genannte Geheimhaltungsvereinbarungen, die dem Verhandlungspartner besondere Zugeständnisse suggerieren, sollte sich kein Auftraggeber einlassen. Und eine weitere Faustregel gilt es zu beachten: Wer den Kreis der Verhandelnden klein hält, kommt schneller zum Vertrag.

Benchmarks – ein ambivalentes Werkzeug

Benchmarking-Klauseln geben dem Auftraggeber eine starke Waffe in die Hand. Sie bilden eine Argumentationsgrundlage für marktgerechte Preise – etwa in Form von automatischen Preisanpassungen. Grundsätzlich sind solche Methoden für das Vertrags-Management hilfreich. Allerdings lohnt der Einsatz von Benchmarks nur bei lang laufenden Verträgen, da ihre Konzeption sehr aufwändig ist. So muss der Anwender sicherstellen, dass die Angebote vergleichbar sind, die Vergleichsangebote vertraulich behandelt werden und keine Dumping-Offerten zustande kommen. Es gibt aber noch ein anderes Problem: Wenn Benchmarks nicht Teil des ursprünglichen Vertrags sind, wirken sie nicht gerade als vertrauensfördernde Maßnahme. Ergreift der Auftraggeber solche Maßnahmen erst im laufenden Projekt, ist sein Verhältnis zum Dienstleister mit großer Wahrscheinlichkeit zerrüttet - und dann hilft auch kein Benchmarking weiter. (sp)