Drei Motoren, zwei Getriebe, Hybrid-Technologie, 328 PS und ein Durchschnittsverbrauch von 3,7 Litern auf 100 Kilometer: der grüne Sportwagen von BMW mit dem Namen ‚Vision Efficient Dynamics’ war ein Star auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 2009 in Frankfurt. Jetzt hat der Münchner Automobilbauer die Serienproduktion des Fahrzeugs ab Ende 2013 im Werk Leipzig angekündigt.
Für die Software der Getriebesteuerung, des Getriebestrangs und des Hybrid-Moduls am Konzeptfahrzeug war Björn Lellmann zuständig. "Antriebe und Kupplungen sind über Software verbunden. Die regelt die richtige Gangwahl und die Antriebsart", sagt der 31-jährige Ingenieur der Mechatronik. Und kommt dabei ins Schwärmen über technische Details. Fahrzeuge sind seine Welt; in dieser wollte er von Kindheit an arbeiten.
Nach dem Abitur ging Lellmann 1999 an die Fachhochschule Kaiserslautern zum Studium der Mechatronik. Embedded Systems sind ein Ergebnis der Mechatronik, und das Anti-Blockier-System ein typisch mechatronisches Bauteil: die Bremse öffnet und schließt mechanisch, Software liefert die Informationen fürs Schließen und Öffnen der Zangen und via Elektronik werden die Daten an die Mechanik gesandt -häufig über blitzschnelle Can-Bus-Systeme, weil es beim ABS um Sicherheit in Sekundenschnelle geht. Eingebettete Systeme sind Hard- und Software in einem, sie haben einen Chip, auf dem die Daten gespeichert sind, etwa in Steuergeräten.
Experten gehen davon aus, dass Embedded Systems das Auto der Zukunft prägen. Ein Beispiel: In der alternden Gesellschaft sollen auch 80-jährige einen Sportwagen fahren können - und im Notfall eine Vielzahl an elektronischen Helferlein bei menschlichem Versagen eingreifen, bis hin zum selbständigen Einparken. Dafür sorgen die Wunderwerke der Technologie, denen der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnologie (VDE) ‚asiatische Wachstumsraten’ bescheinigt.
Mechatroniker: Bindeglieder in Teams
Die Mechatronik vereinigt Elektrotechnik, Mechanik und Informatik. "Das ist ganz schön viel auf einmal und daher die Kritik: Die können von allem nichts richtig", sagt Michael Schanz, Arbeitsmarktexperte beim VDE in Frankfurt am Main. Doch Mechatroniker seien hervorragende Systemkenner und prädestiniert für die Entwicklung von Mess-, Regel- und Automatisierungssystemen. "Trotzdem sind sie im Vergleich zu Ingenieuren des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und Informatikern eher Generalisten." Die Industrie brauche beides: Spezialisten und Generalisten. Weil Mechatroniker interdisziplinär ausgebildet sind, sprechen sie verschiedene Sprachen und sind daher Bindeglieder in Teams mit viel Detailwissen.
"Mechatronische Systeme sind allgegenwärtig", sagt Bernhard Lau, Dekan der Fakultät für Mechatronik und Medizintechnik an der Hochschule Ulm. Das mechatronische System, das im Kraftfahrzeug den Airbag auslöst, besteht aus mikromechanischen Sensoren, einer Steuerelektronik und Aktoren, die den Airbag zünden. Waschmaschinen und Geschirrspülmaschinen beinhalten ebenfalls sehr komplexe mechatronische Systeme mit zahlreichen Sensoren, Aktoren und Regelkreisen, die optimale Ergebnisse bei minimalem Strom- und Wasserverbrauch liefern sollen.
Während beispielsweise die Mechatronik am Airbag weitgehend ausgereizt ist - es gibt sogenannte Smart-Airbags, bei denen ein Sensor erkennt, wie schwer der Aufprall war und dementsprechend den Ballon weniger oder stark aufbläst - bieten elektronische Stabilitätssysteme im Auto noch viel Gestaltungsspielraum: neue Systeme kommen hinzu, die bestehenden werden beispielsweise in der Sensorik feiner. Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz sind Ergebnisse der Arbeit von Mechatronikern.
Lellmanns Studienwahl war zukunftsorientiert. Nach dem Abschluss in Kaiserslautern machte er seinen Master of Science in Borlänge (Schweden) und Annecy (Frankreich). Dennoch musste er beim Berufseinstieg seine Erwartungen erstmals zurückfahren. Obwohl er seine Diplomarbeit bei BMW geschrieben hatte - was häufig wie eine vorgelagerte Probezeit gewertet wird - wurde ihm keine Stelle angeboten. Er schaffte es dennoch zu seinem Arbeitgeber erster Wahl und zwar über den Umweg eines Ingenieurdienstleisters. Als externer Mitarbeiter begann er 2005 in der Entwicklung für Funktionen und der Applikationssteuerung im Bereich des Energie-Managements von Autos. "Geräte intelligent zu schalten senkt den Spritverbrauch und schafft Raum für elektrische Innovationen, weil die Bordnetze, vor allem in der Oberklasse, reichlich ausgelastet sind."
Nach zwei Jahren erfüllte sich auch bei Lellmann der Traum vieler Externer: der Auftragnehmer seines Arbeitgebers übernahm ihn. Gleichzeitig wechselte er in die Getriebevorentwicklung und wurde später Projektleiter für die Software von Getriebe, Getriebestrang und Hybrid-Modul des Konzept-Sportwagens. Mit Ankündigung zur Serienproduktion endete dort sein Job. Seit Februar 2011 ist er nun Produkt-Manager im Vertrieb. Seinem Thema ist er treu geblieben: Er beschäftigt sich mit Kundenwünschen zum elektrischen Antrieb.
Steckbrief Mechatronik
Die Mechatronik ist ein interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaften, das mechanische, elektronische und informationstechnische Disziplinen verknüpft. In Deutschland gibt es das Studienfach seit 1993, es wird mittlerweile an 122 Hochschulen als grundständiger und an 48 als weiterführender Studiengang angeboten. Wer sich für das Studium interessiert, sollte auf jeden Fall Spaß an Mathematik, Physik und Informatik haben. Die Entwicklung von intelligenten Produkten und Systemen setzt außerdem ein gewisses Maß an Kreativität und einen Blick für die praktische Anwendung voraus. Weitere Informationen sind zu finden unter unter www.mechatronik-portal.de.
"Jeder Absolvent findet einen Job"
Die Hochschule Ulm richtet ihren Studiengang Mechatronik neu aus. Künftig wird es allgemeine Mechatronik sowie Mechatronik im Auto und der Photonik geben. Dass auch diese Absolventen alle einen Job finden werden, davon ist Bernhard Lau, Dekan der Fakultät Mechatronik und Medizintechnik, fest überzeugt.
CW: Seit wann gibt es den Studiengang Mechatronik in Ulm und wie ist der Trend: Werden es mehr oder weniger Studenten?
LAU: Mitte der 1990-er Jahre wurde die Feinwerktechnik in Mechatronik umbenannt und zehn Jahre später ersetzte der Bachelor of Engineering-Abschluss das Diplom. Jährlich haben wir konstant etwa 70 bis 80 Erstsemester, ein Drittel geht verloren, zwei Drittel schließen ihr Studium ab. Deren Berufsaussichten sind hervorragend, jeder Absolvent findet einen Job.
CW: Was unterscheidet die Schwerpunkte Gerätetechnik und Mikrotechnik/Mikrosystemtechnik, die im Studiengang Mechatronik angeboten werden?
LAU: Das ist nicht mehr so wichtig, denn ab dem Wintersemester 2011/2012 bieten wir stattdessen drei Vertiefungsrichtungen an: mechatronische Systeme und Geräte, das ist allgemeine Mechatronik, mechatronische Systeme im Fahrzeug und mechatronische Systeme der Photonik, also Lichterzeugung und -verwendung.
CW: Gibt es in Ulm auch einen Master in Mechatronik?
LAU: Wir haben die Master-Studiengänge Medizintechnik und Systems Engineering. Im Sommersemester 2012 startet der neue Master-Studiengang Elektrische Energiesysteme und Elektromobilität. Zu allen dreien leistet die Fakultät Mechatronik und Medizintechnik wichtige Beiträge.
CW: Wer sind typische Arbeitgeber, was typische Aufgaben für die Absolventen?
LAU: Viele gehen in die Autoindustrie oder in die Zulieferbetriebe und entwickeln mechatronische Systeme, die im Auto benötigt werden. Der Bedarf an solchen Systemen wird mit der Einführung der Elektromobilität weiter zunehmen und damit wird auch die Nachfrage nach Mechatronikern steigen. Regenerative Energien sind ein weiteres Zukunftsthema; insbesondere zur Herstellung von Solarzellen und photovoltaischen Systemen wird Mechatronik benötigt. Ein drittes Beispiel: energiesparende Beleuchtungssysteme etwa mit Leuchtdioden werden in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen. Eine LED-Lampe ist ein absolut nichttriviales mechatronisches System.
CW:Welche Trends bestimmen die Mechatronik und damit auch die Tätigkeit?
LAU: Die größte Herausforderung ist die Umstellung unseres Wirtschaftssystems auf eine nachhaltige, ressourcen- sowie energieschonende und trotzdem leistungsfähige Wirtschaftsweise. Mechatronik trägt ihren Teil dazu bei, etwa durch energieeffiziente Systeme. Mechatronik ist eigentlich nur ein anderer Name für High-Tech.