Wertbeitrags-Management

Warum die SBB ihre IT-Mittel gezielter einsetzen kann

16.03.2009 von Karin Quack
Kaum eine IT-Abteilung dürfte sich derzeit über ein üppiges Budget freuen. Umso wichtiger ist es, die knappen Mittel an der richtigen Stelle zu verwenden. Wertbeitrags-Management hilft dabei.
Lange vor der Krise hat die SBB ihr Value-Management-Programm gestartet.
Foto: SBB

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sind als öffentlicher Verkehrsträger weit weniger von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen als viele andere Industriezweige. Doch auch hier zeigen sich erste Anzeichen für einen Nachfragerückgang. "Die SBB ist vor allem im Güterverkehr krisenanfällig", bestätigt Ruedi Flückiger, Leiter Business Development der SBB Informatik, des konzerweiten IT-Bereichs. Dennoch ist das IT-Budget der Bundesbahnen relativ stabil - auch wenn der Informatikbereich, wie Flückiger es formuliert, "Contingency-Maßnahmen vorbereitet" hat.

Ihr "Value-Management"-Programm hat die SBB denn auch gestartet, lange bevor die Krise ihr hässliches Haupt erhob. Ein solches Wertbeitrags-Management sollte sich laut Holger Wolff, Geschäftsführer der Münchner Unternehmensberatung Beck et al., aus drei aufeinander aufbauenden Bausteinen zusammensetzen:

Wolff hat drei Jahre lang als Chefarchitekt bei der SBB in Bern gearbeitet, folglich kennt er deren IT-Strategie und -Landschaft aus dem Effeff (siehe auch: "EAM nutzt dem Betrieb").

Projektsteckbrief

Projektname: Value-Management.

Branche: Transport, Touristik.

Projektkategorie: IT-Governance.

Kernprodukt: Val-IT-Framework (Itgi)

Herausforderungen: Vor drei Jahren war die IT ein Sanierungsfall (siehe Grafik).

Stand des Projekts: Die erste von zwei Phasen läuft.

Involvierter Dienstleister: Beck et al.

Ansprechpartner: Ruedi Flückiger, SBB Informatik.

Vor drei Jahren herrschte akuter Sanierungsbedarf

Aufgrund versäumter Investitionen war die IT der SBB vor drei Jahren ein Sanierungsfall.
Foto: SBB

Wer nach dem Auslöser für das aus vielen Einzelprojekten zusammengesetzte Programm sucht, muss drei Jahre zurückgehen. Damals unternahm die SBB Informatik eine breit angelegte Zentralisierung. In einer gemeinsam mit Beck et al. unternommenen Studie stellte sich akuter Sanierungsbedarf in Sachen IT heraus.

Das daraufhin in Angriff genommene Sanierungsvorhaben gliedert sich in zwei Phasen. Die erste, bereits laufende, bezeichnet Flückiger als "Risiko-Management". Sie widmet sich der Frage, wie die zahlreichen Produkte am Ende ihres Lebenszyklus ablösbar und wie Plattformen sowie Techniken zu konsolidieren wären.

In der zweiten Phase geht es, so der SBB-Manager, um die "strategische" Perspektive: "Wir wollen unsere Planungsprozesse so gestalten, dass wir sauber über neue Investitionen entscheiden können und nicht noch einmal in eine IT-Krise geraten." Dazu soll der Beitrag geplanter Anwendungen zum Wert des Unternehmens ermittelt und als Grundlage der Investitionsentscheidungen genutzt werden. (Zum Thema siehe auch: "Wertbeitrag der IT wird unterschätzt".)

Wichtiger Schritt: ein wertorientiertes Portfolio-Management

Bis Ende März wollen die SBB-Informatiker ein Framework erstellt haben, mit dem sich die strategische Bedeutung und der wirtschaftliche Beitrag eines Projekts nachvollziehbar messen lässt. Ein solcher Rahmen ermöglicht ein hohes Maß an Entscheidungssicherheit, auch wenn, wie Wolff es formuliert, "die Dynamik der Planungsprozesse über die Jahre immer höher wird".

Ruedi Flückiger, Leiter Business Development, SBB Informatik
Foto: SBB

Aus diesem Framework will die SBB - in einer konzertierten Aktion von Informatik und Geschäftsleitung - einen Master-Plan ableiten, der Schritt für Schritt umgesetzt werden soll. Einer dieser Schritte ist die Einführung des wertorientierten Portfolio-Managements. Flückiger unterscheidet zwischen einem operativen Portfolio-Management, das lediglich einen Überblick über die geplanten und realisierten Projekte liefert, und dem strategischen Portfolio-Management, das die jeweiligen Projekte mit den Business-Zielen verknüpft.

Ein Investitions- und Projekt-Portfolio-Management (PPM) gebe es bei der SBB selbstverständlich längst, ergänzt Wolff. Doch bislang sei das PPM nicht mit der IT-Architektur im Einklang gewesen: "Es herrschte eine gewisse Überplanung mit zu vielen unterschiedlichen Portfolios." (Siehe auch: "Checkpoint IT-Governance".)

Vier Initiativen führen zum erfolgreichen PPM

Der Weg zu einem wertorientierten Projekt-Portfolio-Management mit nachhaltiger Wirkung besteht für Flückiger aus vier Initiativen:

  1. Der IT-Master-Plan: Er bündelt den kompletten technischen Sanierungsbedarf, der sich in einem Unternehmen wie der SBB in mehr als zehn Jahren angesammelt hat.

  2. Die IT-Strategie: Sie definiert, wie die IT das Geschäft unterstützen soll. Die entscheidenden Kriterien sind hier Effizienz (Wie machen wir es richtig?), Effektivität (Wie machen wir das Richtige?) und Übereinstimmung zwischen IT und Geschäftsentwicklung (auch Alignment genannt).

  3. Die Domänen-Strategie: Hier muss sich das Unternehmen überlegen, welche seiner Bereiche wie mit Informationstechnik unterstützt werden sollen.

  4. Der Bebauungsplan: Er liefert Transparenz über die Anwendungslandschaft und beschreibt die Prozesskette, die bei IT-Entscheidungen einzuhalten ist. Dabei muss er konsequent Business-orientiert sein.

Wer diese vier Schritte vollzogen hat, kann leichter entscheiden, wie das überall zu knappe IT-Budget investiert werden soll, um dem Business möglichst viel Nutzen zu bringen.

Das Framework orientiert sich am Vorbild des Itgi

Bewertet werden soll aber nicht nur der erwartete Beitrag einer Investition zum Unternehmenserfolg, sondern auch das Risiko im Unterlassungsfall - und das auf der Basis verlässlicher Daten. "Heute sind die Management-Entscheidungen noch nicht datengestützt", räumt der Business-Development-Manager ein. Was gefordert ist, macht er an einem Beispiel deutlich: "Das Management muss genau wissen, welche Geschäftsbereiche wie betroffen sind, wenn ein Load-Balancer ausfällt."

Holger Wolff, Geschäftsführe bei Beck et al.
Foto: Beck et al.

Bei der Entwicklung des eigenen Frameworks orientiert sich die SBB am "Val-IT-Framework", das vom IT Governance Institute (Itgi) zusammengestellt wurde und das sich wiederum eng am Quasi-Standard "Control Objectives for IT and related technologies" (Cobit) ausrichtet. Beck et al. entdeckte die Val-IT-Dokumente vor etwa anderthalb Jahren und befand sie als nützliche Basis für den Aufbau eines wertorientierten IT-Managements, weil sie nicht nur auf die Effizienz der IT abheben, sondern auch deren Effektivität im Blick haben.

Value-Governance in den Manager-Köpfen verankern

Das Framework gibt den Unternehmen Anhaltspunkte dafür, wie sie die Planungsprozesse in der IT beschreiben, Kennzahlen dafür entwickeln und - last, but not least - die Prozesse wiederholbar machen können. Eines kann es allerdings nicht: die Value-Governance in den Köpfen der Führungskräfte einnisten. Wie Flückiger ausführt, muss der Gedanke der Wertorientierung sowohl in der IT-Strategie als auch in den Nicht-IT-Bereichen verankert werden.

Der Business-Development-Manager sieht die SBB hier auf einem guten Weg - nicht zuletzt deshalb, weil die Geschäftsführung auch schon in die Frühphase des Sanierungsprojekts eingebunden war. So habe das Unternehmen schon bereichsübergreifende Governance-Regeln formuliert, die es jetzt weiterentwickle.

Der Wertbeitrag von Windows Vista war zu gering

Noch tut sich die SBB schwer, die Frage nach dem Erfolg des Value-Management-Ansatzes abschließend zu beantworten. Denn streng genommen ist ja die Implementierung noch nicht abgeschlossen. Auf der anderen Seite reichen die Anfänge dieser veränderten Betrachtungsweise bereits drei Jahre zurück. Erst dadurch sei es möglich gewesen, die Ablösung vieler Legacy-Systeme zu begründen und das damit verbundene Risiko zu verringern, erläutert der SBB-Manager.

Um die Wertbeitrags-Orientierung auch künftig konsequent durchsetzen zu können, hat Andreas Dietrich, CIO der SBB, die Konzernleitung und den Verwaltungsrat davon überzeugt, quasi einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen: In einem eigenen, als Ganzes verabschiedeten Programm wurden alle "Altrisiken ohne Wertbeitrag" zusammengefasst, sprich: die Maßnahmen, die sich auf unterlassene Investitionen aus den vergangenen Jahren zurückführen lassen und die technisch unabdingbar sind. Für derartige Vorhaben muss keine eigene RoI-Berechnung mehr angestellt werden. "Hier geschieht die Konsolidierung der vorhandenen Plattformen und die Ablösung der alten Host-Scheduling-Plattform", erläutert Flückiger: "Das hätten wir sicher nicht gemacht, wenn wir nicht im Bebauungsplan gesehen hätten, dass es absolut notwendig ist, um elementare Betriebsrisiken abzusichern." (Mehr zur Strategie der SBB finden Sie unter: "Der Weg zur industrialisierten IT")

So wie sich mit Hilfe des Wertbeitrags-Managements die "Do"-Projekte aus der Masse möglicher Vorhaben herausheben, lassen sich auch die "Don't"-Projekte leichter identifizieren. So hat die SBB beispielsweise im vergangenen Jahr entschieden, nicht auf "Windows Vista" umzusteigen. Dazu Flückiger: "Die Einführung wurde gestoppt, weil wir festgestellt haben, dass der Wertbeitrag zu gering gewesen wäre."

Fünf Schritte zum Wertbeitrags-Management

Mit dieser Roadmap kann eigentlich nichts schiefgehen, sagt Holger Wolff von Beck et al.
  1. Projekt- und Portfolio-Management einführen oder das vorhandene PPM straffen und sanieren.

  2. Eine Metrik zur Beurteilung des Wertbeitrags implementieren: Achtung, aufwändig! Lieber klein starten als sich methodisch zu verausgaben.

  3. Enterprise-Architecture-Management in einer Light-Version einführen (notwendig: ein aus der Business-Vision abgeleiteter Bebauungsplan) oder vorhandenes EAM auf Business-Orientierung trimmen.

  4. IT-Governance einführen oder die vorhandene Governance entrümpeln, straffen und auf den Wertbeitrag ausrichten.

  5. Messen und verbessern: den Wertbeitrag in die KPIs und die IT Balanced Scorecard aufnehmen, sich auf der Reifegradskala ständig nach oben schrauben.