Warum die Bahn ihre Projektleiter zertifiziert

14.09.2006 von Alexandra Mesmer
Um die Qualität der Projektarbeit zu erhöhen, hat DB Systems, die IT-Tochter der Bahn, ein umfangreiches Trainingsprogramm ins Leben gerufen. Initiator Olaf Kärger erläutert die Gründe und nennt erste Ergbnisse.

CW: Warum haben Sie eine Projekt-Management-Akademie gegründet?

Olaf Kärger leitet das Competence Center bei der DB Systems.

KÄRGER: Als wir 2003 die Projekt-Management-Akademie (PMA) eröffnet haben, war unser Ziel, die Standards am Markt in der Ausbildung von Projektleitern und die DB-Systems-spezifischen Anforderungen zusammenzuführen. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir die Kurse nicht in der von uns angestrebten Qualität extern einkaufen. Denn insbesondere die Entwicklung, aber natürlich auch die Betriebsführung arbeiten in der Regel an rund 300 Projekten beziehungsweise größeren Teilprojekten. Dementsprechend groß ist der Bedarf an guten Projektleitern. Gleichzeitig haben wir unseren Kunden ein Qualitätsversprechen gegeben: Nur zertifizierten Projektleitern übertragen wir Verantwortung.

CW: Wie sieht die Bilanz nach drei Jahren aus?

DB Systems ...

... ist das Systemhaus der Bahn. Das 2080 Personen starke Unternehmen bietet Lösungen für die unterschiedlichsten Gebiete. So entwickelt und betreibt DB Systems Verkaufs- und Abrechnungssysteme sowie Reisendeninformationssysteme. Auch für den Güterverkehr und Logistikbereich entwickelt DB Systems IT-Systeme von der Auftragsannahme und -bearbeitung über das Güterwagen-Management und die Zugbildungsprozesse bis hin zur Transportverfolgung und Auftragsabrechnung. Ebenso zum Leistungsportfolio gehören IT-Anwendungen für zentrale Management-Prozesse wie das Rechnungswesen und Controlling, das Personal-Management und die Personalabrechnung.

Derzeit betreut DB Systems für die Bahn rund 80.000 IT-Anwender und betreibt etwa 500 IT-Verfahren auf 2300 Servern. Für neue Kundenanforderungen entwickelt das Unternehmen derzeit rund 50 IT-Anwendungen. Darüber hinaus unterhält DB Systems das konzernweiteürokommunikationssystem (BKU) für rund 60.000 Anwender.

KÄRGER: Für DB Systems hat sich die interne Weiterbildung innerhalb der Akademie umfangreich bewährt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist die Ausbildung genau auf die Bedürfnisse des Unternehmens ausgelegt. Alle Projektleiter haben sowohl den gleichen Wissensstand als auch ein Verständnis für Unternehmensabläufe vermittelt bekommen. Zum anderen konnten wir unsere Erfahrungen in der Qualifikation auch auf andere Mitarbeitergruppen ausdehnen. Das hat im ganzen Unternehmen etwa das prozessorientierte Denken, stetigen Know-how-Austausch und die Transparenz gestärkt. Besonders bemerkenswert ist für mich, dass die 150 bisher zertifizierten Projektleiter ein Netzwerk über alle Abteilungsgrenzen hinweg gebildet haben und damit den Begriff "lernende Organisation" mit Leben füllen.

CW: Wie kommen die Mitarbeiter in dieses Ausbildungsprogramm?

KÄRGER: Eine Kernaufgabe des Managements liegt in der Motivation der Mitarbeiter, indem diese erkennen welche Entwicklungschancen ihnen diese Qualifizierung bietet. Die Initiative erwarten wir vom Mitarbeiter. Er muss entscheiden, ob er seine Zukunft wie bisher in der Fachlaufbahn sieht, ob er sich zur Führungskraft entwickeln oder als dritten Karriereweg die Projektlaufbahn einschlagen will. Natürlich wird die Führungskraft in die Auswahl eingebunden, denn eine wichtige Voraussetzung ist der Praxisbezug. So muss jeder Teilnehmer im Prüfungs- und Zertifizierungsverfahren nachweisen, dass er Teilaufgaben absolviert hat und auch weiterhin Projektaufgaben übernehmen wird.

CW: Welche Themen und Inhalte sind Ihnen dabei besonders wichtig?

KÄRGER: Die entscheidenden Erfolgsfaktoren für Projektleiter sind nicht die typischen Trainings der Methoden und Werkzeuge. Um diese Instrumente zu nutzen, braucht es keine Projekt-Management-Akademie. Viel wichtiger für den Projektleiter ist die Einbeziehung der Kunden, die Formulierung und Abstimmung klarer Ziele und Anforderungen, die Verankerung und Unterstützung in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Fähigkeit, aus Spezialisten ein leistungsfähiges Team zu formen. Besonderen Wert legen wir darauf, Projekt-Management als Organisationsform, als Management-System und als Teil der Unternehmenskultur zu verstehen und zu leben - also den Fokus auf die Ausprägung der Soft Skills zu legen.

CW: An welchen Standards orientieren Sie sich?

KÄRGER: Die Bahn hat ihr Vorgehensmodell an den Standards der Gesellschaft für Projekt- Management (GPM) ausgerichtet und damit bei Projekten eine klare Zuordnung der Rechte und Pflichten - in der Projektsprache "Rollen" - von Auftraggeber und Auftragnehmer getroffen. Gleichzeitig ist damit auch das Zusammenspiel mit Lieferanten und externen Dienstleistern geregelt. Die Zertifizierung nach GPM-Standard wird unseren Ansprüchen besonders gerecht, da sie zum Beispiel mit der Bearbeitung von Fallstudien durch Praxisnähe überzeugt.

CW: Welche Rolle spielen Zertifizierungen?

KÄRGER: DB Systems muss sich im Wettbewerb gegen externe Dienstleister - und das sind in der Regel die Marktführer - behaupten. Hier setzen wir für unsere Auftraggeber mit der Zertifizierung ein klares Signal: Bei unseren Projektleitern können sie sich auf die Einhaltung der vereinbarten Ziele, der Standards und auf volle Transparenz verlassen. Nach drei Jahren haben sich unsere Erwartungen voll erfüllt. Wir sehen das auch daran, dass unsere Kunden die Projekt-Management-Kompetenz ihrer eigenen Mitarbeiter weiterentwickeln. Das wiederum fördert das Zusammenspiel in der Projektabwicklung.

CW: Was macht einen erfolgreichen Projektleiter aus?

KÄRGER: Ein Projektleiter ist dann erfolgreich, wenn die Ziele erreicht werden. Dazu gehört, dass der Kunde das Ergebnis als seinen persönlichen Erfolg sieht, auch die Anwender zufrieden sind und der Projektleiter das Ergebnis auch als wirtschaftlich erfolgreich verbuchen kann. Wenn er Erfolg so definiert, dann ist auch klar, dass der Fokus nicht auf den Methoden und Werkzeugen liegen kann, dies sind lediglich Hilfsmittel. Erfolgsfaktoren sind: aktive Kommunikation, eine eindeutige und abgestimmte Zieldefinition, die Transparenz von Planung und Controlling und die Motivation aller Beteiligten.

CW: Wie sehen die Karriereaussichten für Projektleiter in Ihrem Unternehmen aus?

KÄRGER: Die Leitung von Projekten ist für viele Mitarbeiter reizvoll, weil sie dabei beispielsweise als Softwareentwickler fachlich am Ball bleiben und gleichzeitig Management- und Führungsaufgaben übernehmen können. Insbesondere junge Mitarbeiter, die sich in den ersten Berufsjahren auf Softwareentwicklung und -design konzentriert haben, erkennen, dass eine ausgewiesene Projektleitungskompetenz langfristig ein zweites Standbein sein kann. Gerade in flachen Hierarchien sehen viele Mitarbeiter hier eine attraktive Alternative zur Führungslaufbahn. Aber auch aus einem anderen Blickwinkel sind die Perspektiven für Projektleiter attraktiv. Die Auseinandersetzung mit unbekannten Themen wie Umfeld- und Stakeholder-Analyse oder Projekt-Marketing ist für IT-Experten oft eine neue und spannende Erfahrung. Außerdem werden unsere Projekte und damit natürlich auch die Projektbeteiligten immer multinationaler, und das bedeutet zusätzliche Herausforderungen und Chancen in der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. (hk)