Raus aus dem Burnout

Warum Angst gut ist

06.05.2012 von Karen Funk
Leistungsträger sind oft von Burnout betroffen. Besonders gefährdet sind Kandidaten, die keine Angst haben. Sie könnten von Bergsteigern lernen, denn gute Alpininisten wissen, wann und wo sie umkehren müssen.
Management-Berater Frank Lüschow: "Angst bewahrt uns vor Gefährlichem. Wer diesen Schutz deaktiviert, öffnet dem Burnout Tür und Tor."

Manager haben keine Angst! So sehen sich Führungskräfte und so will die Gesellschaft Führungskräfte sehen. Wer Angst hat, ist ein Versager, bekommt nichts auf die Reihe und ist bestenfalls zu bemitleiden. Ein großer Fehler, meint Management-Berater Frank Lüschow, der auf der 10. Jahrestagung des "CIO Circle" in Stuttgart ein Plädoyer für die Wiederbelebung des Zweifelns hielt. Denn Angst sei ein Schutzmechanismus, der uns davor bewahre, Gefährliches zu tun oder über unsere Grenzen zu gehen. Wer diese rote Ampel deaktiviere, der laufe Gefahr, die eigene Person zu instrumentalisieren und in den Burnout zu rutschen, so Lüschow.

Projekt-Manager besonders gefährdet

"Projektleiter sind die idealen Kandidaten für einen Burnout", sagt der seit über 20 Jahren als Berater und Trainer tätige Experte. Besonders gefährdet seien diejenigen, die …

Gerade wenn sie nach dem Motto "Yes, we can" - also gegen alle Widerstände und Herausforderungen erfolgreich zu sein - Projekte übernehmen, laufen diese Kandidaten laut Lüschow Gefahr, den Schutzmechanismus Angst auszuhebeln und über ihre (Belastungs-)Grenzen zu gehen. "Diese Personen nehmen also eine Aufgabe an allein aus dem Grund, weil sie vorhanden ist", so der Trainer. Ihre Identifikation mit dem Projekt sei groß und sie seien überzeugt, es stemmen zu können.

Verstärkt werde diese Haltung häufig durch das Umfeld: Zum einen lobe das Management die stets für alle Aufgaben bereiten Projektleiter dafür, dass sie sich des Themas annehmen. Zum anderen könnten sich diese positiv von den Kollegen abheben, die nur mauern, immer ablehnen und nie zupacken. Das sei ein gefährliches System, so Lüschow weiter, denn je mehr eine Aufgabe von den Kollegen abgelehnt werde, umso mehr identifizieren sich die höchst engagierten Projektleiter mit ihr.

Optimaler Nährboden für Burnout

In seiner Beratungspraxis beobachtet Lüschow immer wieder, dass potenzielle Burnout-Kandidaten oft einen hohen inneren Erfolgsdruck spüren und die äußeren Erwartungen stark verinnerlicht haben. Sie wollen sich gegen Bremser abgrenzen und keinen Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit zulassen. Sie verspüren keine innerlichen Begrenzungen oder Einschränkungen, die sie davon abhalten könnten, eine Aufgabe anzunehmen. "Dies ist der optimale Nährboden für einen Burnout", warnt Lüschow. Wer sich zu sehr über seine Fachkompetenz definiere und zu "Tiefenbohrungen" neige, dabei aber den Gesamtüberblick verliere und seine Funktion als Richtungsgeber nicht erfülle, beschleunige den Prozess der Überlastung.

Viele Burnout-Kandidaten zeigen Lüschow zufolge zudem eine Schwäche auf der sozial-kommunikativen Ebene: Sie gestalten ihre Beziehung zu anderen sehr locker, halten oft Distanz zu ihrem Team und vernachlässigen die strategische Kommunikation im Unternehmen. "Diese Personen wollen keine Politik", erklärt der Experte. Sie fühlen sich jedoch überfordert, wenn es zu Abweichungen vom Plan kommt und politische Entscheidungen gefällt werden müssen.

Bei vielen Burnout-Kandidaten beobachtet der Berater zudem eine Tendenz, nur das zu verplanen, was sie kennen. Sie konzentrierten sich auf das Eindeutige, das Messbare. Das Unbekannte, das Unsichere hingegen werde verdrängt. Auch das führe dazu, dass sich diese Personen mit jeder Aufgabe identifizieren und keine Alarmglocke aufleuchtet, um sie vor zu hoher Belastung zu bewahren.

Angst ist ein Werkzeug

Gute Alpinisten wissen, wo ihre Grenzen sind. Das ist bei Projektleitern nicht immer der Fall.
Foto: yanlev/Fotolia.de

Wer diesem System entkommen will, tue gut daran, seinen Schutzmechanismus Angst zu reaktivieren, mahnt Lüschow. Er zieht einen Vergleich zu Bergsteigern, für die Angst ein Werkzeug sei, das sie am Leben erhält: "Ein guter Alpinist unterscheidet sich von einem unerfahrenen dadurch, dass er weiß, wann und wo er umkehren muss." Eine bittere Medizin für Manager und Projektleiter, für die die Überwindung der Angst oft wie eine Droge wirkt.

Tipps für Projektmanager
So kommen Sie groß raus ... oder?
Sie möchten, dass Ihre Projekte zäh verlaufen, weil Sie sich damit in der Firma profilieren können? Dann folgen Sie den Ratschlägen von Jürgen Rohr.
Tipp 1
Setzen Sie die Verantwortlichen unter Termindruck. Mit engen Terminen stellen Sie sicher, dass möglichst wenige Betroffene ins Boot geholt werden. Damit vermeiden Sie die sowieso unnötigen Diskussionen um Meinungs- sowie Wahrnehmungsunterschiede.
Tipp 2
Starten Sie mit einer problem-orientierten Ist-Analyse. Fragen Sie immer zuerst danach, was nicht gut läuft. Damit fokussieren Sie die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf die Schwächen der Organisation. Sie stellen sicher, dass niemand auf die Idee kommt, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen.
Tipp 3
Geben Sie möglichst kein zusammenfassendes Feedback. Halten Sie die Betroffenen im Unklaren. Das fördert zwar die Gerüchteküche, hält aber den Änderungsaufwand für die Konzeptionierer gering. Sie erhalten schon mit dem ersten Wurf ein Konzept aus einem Guss - ohne lästige und zeitaufwändige Anpassung an unterschiedliche Wahrnehmungen der Beteiligten.
Tipp 4
Lassen Sie das Konzept ohne Beteiligung der Betroffenen ausarbeiten. Hier können Sie Aufwand und Budget einsparen. Jeder Betroffene wird mit seinen individuellen Ansichten sowieso nur das Konzept verwässern. Außerdem: Wenn ein Außenstehender den Sollzustand konzipiert, kommt endlich frischer Wind in die Organisation.
Tipp 5
Vermitteln Sie das Konzept frontal mit mindestens 100 PowerPoint Slides. Hier gilt: Je mehr Input, desto weniger lästige Rückfragen. Halten Sie das Präsentationstempo hoch. Planen Sie ja keine Zeit für die Diskussion ein. Das Konzept steht. Basta!
Tipp 6
Planen Sie keine Zeit für die Überarbeitung des Konzepts ein. Das wäre ja noch schöner: Sie planen knapp bei Budget und Terminen und wollen sich den Erfolg nicht durch unplanbare Überarbeitungsaufwände vermiesen lassen. Denn jede Überarbeitungsschleife würde den schönen Entwurf zerstören.
Tipp 7
Schränken Sie die Zugriffsrechte auf neue Tools möglichst stark ein. Ganz wichtig: Wenn Sie im Rahmen der Organisationsentwicklung neue Werkzeuge (zum Beispiel ein IT-System) einführen, achten Sie darauf, dass niemand außer den Konzeptionierern in der Lage ist, die Werkzeuge anzupassen.
Tipp 8
Lassen Sie die Betroffenen beim Umsetzen des Konzepts alleine. In diesem Punkt gilt das Motto: Die Leute werden sich schon umgewöhnen. Durch die Unterstützung während der Umsetzungsphase könnte wiederum das sorgfältig ausgearbeitete Konzept verwässert werden. Das ist unbedingt zu vermeiden.
Tipp 9
Vermeiden Sie persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten. Stellen Sie sich vor, was Sie hier an Reisekosten einsparen können. Diskussionen können auch per E-Mail geführt werden. Das spart richtig Geld.
Tipp 10
Betrachten Sie jegliches Feedback als persönliche Kritik. Wenn jemand mit einem Feedback zu Ihnen kommt, will er damit eigentlich sagen, dass Sie Ihre Arbeit nicht richtig gemacht haben. Das wirkt sich schlecht auf Ihr Selbstwertgefühl aus.

Daher müssten Manager das Zweifeln wieder lernen und zulassen, denn das erzeuge höchste Wachsamkeit und führe zu den richtigen Entscheidungen, mahnt der Management-Berater. Denn: Nur wer seine Leistungsfähigkeit als endlich akzeptiert und sie bewusst aktiv beschränkt, habe die Chance, sie auf höchstem Niveau verbunden mit Lust und Spaß langfristig zu erhalten. Um sich selbst zu beschränken, müssten Betroffene sich zwar mit der Aufgabe identifizieren, aber zugleich beständig der Verantwortung für ihre eigene Person gewahr sein. Lüschows Appell: Ängste und Zweifel zulassen. "Übrigens auch bei anderen", mahnt der Coach. "Denn Mitarbeiter, die nicht mehr stöhnen, sind ebenfalls vom Burnout gefährdete Mitarbeiter."