Durchlesen unter Anwesenden reicht aus

Wann ist ein Kündigungsschreiben wirksam?

26.03.2010 von Renate Oettinger
Hatte der Empfänger ausreichend Zeit, vom Inhalt des Entlassungsschreibens vor Zeugen Kenntnis zu nehmen, ist die Entlassung wirksam. Das Schreiben muss nicht bei ihm verbleiben.

Die Zugangsvoraussetzungen eines Kündigungsschreibens sind unter Anwesenden bereits dann erfüllt, wenn dem Kündigungsempfänger dieses nur zum Lesen übergeben wurde und er ausreichend Zeit hatte, sich das Schreiben durchzulesen. Nicht erforderlich ist, dass ihm das Schreiben zum dauerhaften Verbleib überlassen wurde.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts München (LAG) vom 18.03.2009, Az.: 11 Sa 812/08.

Quelle: Fotolia, Yantra
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In dem Fall war zwischen den Parteien streitig, ob dem Kläger das Kündigungsschreiben wirksam zugegangen ist. Der Werkstattleiter hatte diesem das Kündigungsschreiben zwar gezeigt. Er hatte es auch gesehen und gelesen, jedoch nicht angenommen und auf einen anderen Text bestanden, in dem der Kündigungsgrund aufgenommen werden sollte. Es fehlte damit seiner Ansicht nach an einer Übergabe des Kündigungsschreibens; außerdem habe er den Empfangsvermerk auf dem Original der Kündigung nicht ausgefüllt. Mit dieser Begründung, so Henn, verlangte er seine Weiterbeschäftigung.

Die beklagte Firma hatte hierauf entgegnet, dem Kläger sei die schriftliche Kündigung mit der Bitte um Gegenzeichnung vorgelegt worden. Das habe der Kläger aber nicht gemacht, weil er gewollt habe, dass im Kündigungsschreiben stehe, er werde gekündigt, weil er keine Überstunden machen wolle. Der Kläger habe sich dann umgedreht und sei gegangen.

Das LAG München hielt den Zugang des Kündigungsschreibens jedoch für wirksam, betont Henn.

Unter Anwesenden kein dauerhafter Verbleib erforderlich

Das Arbeitsgericht habe in der Vorinstanz unter Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 4.11.2004 (Az.: 2 AZR 17/04, NZA 2005,513) entwickelten Grundsätze zutreffend festgestellt, dass beim Zugang einer schriftlichen Willenserklärung unter Anwesenden - anders als beim Zugang unter Abwesenden - gerade nicht erforderlich sei, dass das Schriftstück zum dauerhaften Verbleib übergeben worden ist, sofern der Empfänger nach der Übergabe ausreichend Gelegenheit hatte, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Es sei weiterhin zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben seien, sodass die ausgesprochene Kündigung dem Kläger rechtzeitig zugegangen sei.

Henn empfiehlt, das Urteil zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VdAA-Präsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de