Wann Freiberufler von Outsourcing profitieren

17.10.2006 von Ina Hönicke
Wenn Software- und Beratungshäusern die IT-Spezialisten ausgehen, verbessern sich die Chancen für Freiberufler. Letztere müssen jedoch zunehmend Sprachkenntnisse und Mobilität mitbringen, wenn sie in internationalen oder Outsourcing-Projekten tätig sein wollen.

Ein Blick auf die Stellenanzeigen und die Projektanfragen lässt die IT-Fachleute, egal ob angestellt oder freiberuflich tätig, wieder optimistischer in die Zukunft blicken als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Software- und Beratungshäuser suchen hunderte neuer Mitarbeiter und müssen feststellen, dass sie längst nicht alle Stellen besetzen können. Der Branchenverband Bitkom beschwört gar einen neuen Fachkräftemangel und fordert darum eine "aktiv gemanagte Zuwanderung gut ausgebildeter, junger Menschen". Dieser Appell erinnert eher an die missglückte Green-Card-Initiative der vergangenen Jahre.

Hier lesen Sie ...

  • warum der Trend in Richtung Freiberuflichkeit geht;

  • wie die Anforderungen an die IT-Freelancer gestiegen sind;

  • worauf sich Freiberufler fachlich und sprachlich vorbereiten sollten.

Thomas Matzner, Freiberufler: 'Die Jagd auf die Elite ist seit langem gang und gäbe und lässt keinen Rückschluss auf einen Fachkräftemangel zu.'

Das Thema Fachkräftemangel ist in den Augen von Thomas Matzner, Berater für Systemanalyse und Sprecher des Arbeitskreises Selbständige der Gesellschaft für Informatik, ein Dauerbrenner in der IT: " Während 1999 Arbeitsmarktexperten vor den verheerenden Folgen des knappen Personals warnten, standen Ende 2000 die ersten IT-Profis bereits auf der Straße." Die Tatsache, dass sich Anwenderunternehmen und Beratungshäuser um hochqualifizierte Profis schlugen, erlaube nicht den Rückschluss, es gebe zu wenige Computerfachleute: "Die Jagd auf die Elite ist im festangestellten wie freiberuflichen Bereich seit langem gang und gäbe." Natürlich bessere sich die Auftragslage der Externen, wenn in den Unternehmen das entsprechende Personal fehle. Besonders gut sieht es laut Matzner in den Bereichen SAP, IT-Sicherheit und Outsourcing aus. In Banken und Versicherungen würden mittlerweile immer mehr Freiberufler für Projekte eingesetzt - bedingt durch neue gesetzliche Vorgaben wie Sarbanes-Oxley oder Basel II.

Auch Karl Trageiser, Geschäftsführer des Agenturdienstleisters Gulp, ist davon überzeugt, dass selbständige IT-Profis manche Lücken in den Betrieben schließen könnten: "Anstatt über Zuwanderung von IT-Profis nachzudenken, täten die Personalchefs gut daran, die anstehenden Projektaufgaben von qualifizierten IT-Freiberuflern erledigen zu lassen." Schließlich würden sich immer mehr High Potentials für die Freiberuflichkeit entscheiden, wie aus den jüngsten Gulp-Untersuchungen hervorginge.

Karl Trageiser, Gulp: 'Anstatt über Zuwanderung von IT-Profis nachzudenken, täten die Personalchefs gut daran, die anstehenden Projektaufgaben von qualifizierten IT-Freiberuflern erledigen zu lassen.'

Dass sich die Chancen für IT-Selbständige verbessern, belegen auch die wieder ansteigenden Honorarwünsche. Gulp taxiert diese auf durchschnittlich 67 Euro in der Stunde. Obwohl sich der durchschnittliche Jahresumsatz der IT-Selbständigen im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent gesteigert hat, reagieren viele Freiberufler in Sachen Honorare eher skeptisch. Ursache ist nicht zuletzt die Rolle der Personalagenturen, die zunehmend die Vermittlungen in die hand nehmen. Dabei erfahren die Freiberufler oft weder, zu welchem Preis sie angeboten werden noch, was ihre Kollegen verdienen. Für die Selbständigen ist es zudem von Nachteil, kaum mehr Einzelverträge mit Auftraggebern abschließen zu können. In der Tat arbeiten immer mehr IT- und Personalchefs mit Vermittlungsagenturen zusammen, um sich Arbeit zu sparen und Unsicherheitsfaktoren auszuschalten.

Freiberuflern fehlt die Mobilität

Von diesem Trend profitiert auch der IT-Dienstleister GFT Technologies, der auch externe IT-Profis vermittelt. Vorstandschef Ulrich Dietz ist überzeugt, dass Externe in der IT-Arbeitswelt für immer mehr Unternehmen eine Alternative darstellen: "Die IT- und Personalchefs stellen jenseits ihrer Kernmannschaft niemanden mehr fest ein, sondern verpflichten Teams nur noch projektbezogen. Schließlich ändern sich die Anforderungsprofile je nach Projekt auch von Jahr zu Jahr." Solche Jobs würden gerade den Externen beste Möglichkeiten bieten. Seiner Meinung nach hängt der Erfolg von IT-Unternehmen nicht mehr an der Anzahl der Menschen, die fest beschäftigt sind.

Ulrich Dietz, GFT: "Die Firmen wollen einen Externen, der mobil ist, andere Sprachen spricht, über soziale Kompetenz verfügt und dem andere Kulturen nicht fremd sind."

Nicht ohne Stolz verweist Dietz auf die GFT-Vermittlungskartei, die 250 000 Namen von Spezialisten aus Australien über Indien bis England beinhaltet: "Im Gegensatz zu ihnen sind deutsche Kollegen oft zu wenig mobil." Dies sei ein großes Manko in der hiesigen Freiberuflerszene und müsse sich rasch ändern. Es könne nicht angehen, dass englische, spanische oder indische Selbständige überall auf dem europäischen Festland vertreten seien und die Deutschen nicht oder nur selten. "Die Unternehmen wollen einen Externen, der mobil ist, Fremdsprachen spricht, über soziale Kompetenz verfügt und offen für andere Kulturen ist." Da Freiberufler verstärkt für Integrationsaufgaben eingesetzt würden, müssten sie schlichtweg über interkulturelle Kompetenz verfügen. Wer sich darüber hinaus Branchenwissen und Führungsfähigkeiten angeeignet habe, dem stünden die Türen offen. Der GFT-Chef: "Die Globalisierung sowie das Verlagern der Arbeit führen dazu, dass die Tätigkeiten immer anspruchsvoller und letztlich auch interessanter werden. Je flexibler, mobiler und interessierter Externe auf die neue Arbeitswelt reagieren, desto erfolgreicher werden sie sein."

Frank Bäurle, IT-Freiberufler aus dem bayerischen Neubiberg, hat auch die Erfahrung gemacht, dass Englisch bei internationalen Unternehmen "eine absolute Voraussetzung ist und eine zweite Fremdsprache sogar empfehlenswert". Das Dilemma sei nur, dass viele der Kollegen zwar Englisch sprechen könnten, aber große Hemmungen hätten, die Sprache auch anzuwenden. Für ihn steht fest: "Je mehr sich die Outsourcing- und Offshoring-Projekte durchsetzen, desto größer werden Anforderungen an die Externen." Neben Sprachen und Spezialwissen empfiehlt er betriebswirtschaftliches und Führungswissen. Da die Anforderungen derart gestiegen seien, betrachtet Bäurle die Aussagen von Datenbanken eher skeptisch. Wenn dort Java- oder SAP-Programmierer ganz oben der Wunschliste der Kunden stünden, dürfe man nicht vergessen, dass Spezialistentum allein nicht in den Arbeitsmarkt der Zukunft passe.

Gute Chancen in den USA

Als eine Marktlücke für Freiberufler erweist sich immer mehr die Beherrschung des Themas Outsourcings. "Bei den IT-Dienstleistern, die die ausgelagerten Leistungen erbringen, nimmt die Arbeit zu", berichtet etwa Stefan Diehl, Geschäftsführer der Pareto Consult GmbH. Sie müssten bestehende Verträge auswerten, überarbeiten beziehungsweise neu verhandeln und neue Prozesse installieren. Berater Diehl: "Genau hier bieten sich große Möglichkeiten für Externe mit entsprechendem Wissen. Denn die betroffenen Unternehmen setzen zur Abdeckung des zusätzlichen Arbeitsbedarfs gerne externe Projekt-Manager ein." Laut Diehl müssen freiberufliche Experten nicht nur agiler, mobiler und flexibler werden, sie müssen sich Fremdsprachen und am besten noch interkulturelle Kompetenzen aneignen. Das gelte auch für Festangestellte.

Stellt sich nur die Frage, warum Freiberufler, die technisch fit sind, perfekt englisch sprechen und an anderen Kulturen interessiert sind, nicht gleich auswandern. In den USA beispielsweise nimmt die Nachfrage nach Externen laut Branchenberichten weiter zu. Udo Laut Udo Nadolski, Deutschland-Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Harvey Nash und selbst jahrelang im US-amerikanischen Markt tätig, suchen insbesondere die großen Service-Providers händeringend nach SAP-, .NET- und Websphere-Spezialisten. Nadolski: " Selbständige sind in den Staaten angesehen. Warum also nicht eine Expertise aufbauen, die bei der Rückkehr in die deutsche IT-Welt nur von Vorteil sein kann?"