Walt Mossberg beklagt Kabelsalat

29.06.2006
Endlich bringt wieder mal jemand ein Thema aufs Tapet, das auch uns hier unendlich nervt: Das Fehlen jeglicher Standardisierung bei Netzteilen für elektronische Geräte.

Jeder, der öfter mit Notebook, PDA, Digitalkamera und Handy/BlackBerry auf Reisen geht, kann davon ein Lied singen. Kein Netzteil gleicht dem anderen, sodass man gezwungen ist, einen ganzen Sack voll davon durch die Gegend zu schleppen. Das beklagt (nur für zahlende Abonnenten) aktuell auch der einflussreiche Kolumnist des "Wall Street Journal", Walter Mossberg.

Er zitiert dabei unter anderem Amerikas gefallene Haushaltskönigin Martha Stewart. Die habe, so Mossberg, vor ein paar Wochen Sony-Chef Howard Stringer zwei Netzteile aus ihrer Tasche entgegengestreckt und gefragt: "Warum kann dieses Ding nicht dieses Ding sein?" und damit eine Menge Applaus aus dem Publikum der Konferenz D: All Things Digital erntete. Stringer habe daraufhin einräumen müssen, dass er selbst auch gelegentlich in Kabeln "ertrinke".

Dann scherzte er: "Ich habe den Verdacht, dass das daran liegen könnte, dass in den letzten drei Jahren die Zubehör-Sparte der profitabelste Geschäftsbereich war."

Mossberg hat drei Gründe für das Dilemma ausgemacht: Erstens seien die Akkus digitaler Geräte - im Gegensatz zu ihren analogen Pendants - nicht standardisiert und austauschbar. Zweitens gebe es enorm viele verschiedene Netzteile und -kabel. Und drittens seien deren Stecker und Dosen - anders als bei Strom und Telekommunikation - nicht einheitlich.

Dazu komme noch, dass manche Hersteller Größe, Form und Gewicht ihrer Akkus und Netzteile als Wettbewerbsvorteil ansähen. Motorolas superdünnes RAZR wäre eben weniger schick, wenn es die gleichen Akkus nutzte wie andere Geräte; Lenovos Thinkpad-Netzteile gefielen, weil sie kleiner seien als die der Konkurrenz, und superflache Notebooks wie die von Sony oder Apple könne man nur mit speziellen Akkudesigns realisieren.

Allerdings gehe der Wildwuchs bei Akkus und Netzteilen über ein paar extracoole Geräte weit hinaus, klagt Mossberg. Dell Website zum Beispiel liste 57 verschiedene Netzteile und 61 unterschiedliche Akkus. Dabei seien die meisten der Dell-Notebooks unscheinbare Commodity-Geräte, die sich kaum von anderen unterschieden.

Auch auf Nokias Website finden sich, so der Kolumnist, seitenlange Listen von Netzteilen und Akkus. Manche davon seien so teuer, dass der Hersteller darauf hinweise, dass "ein neues Nokia-Telefon mit Vertrag unter Umständen günstiger sein könnte als ein Akku".

Walt kommt nun zu dem Schluss, dass geschätzte 80 Prozent aller Geräte genauso gut mit Standardakkus und -netzteilen betrieben werden könnten, die Drittanbieter fertigen und im Laden um die Ecke verkaufen könnten. Und es sei nur mit Habgier und Starrsinn zu erklären, warum nicht unterschiedliche Netzteile und Adapter wenigstens auch die gleichen Stecker verwendeten.

Zwar gebe es universellere Netzteile mit verschiedenen Kabeln und Anschlussmöglichkeiten; bei diesen müsse man aber oft lange den passenden Stecker suchen und könne diesen auch leicht verlieren.

Mossbergs Fazit: Wir brauchen weniger Stecker, Kabel und Akkus und nicht mehr Zubehör, das wir kaufen müssen. Dem schließe ich mich ohne Einschränkungen an. (tc)