Checkliste für Job-Unzufriedene

Vorsicht beim Jobwechsel

10.05.2016 von Hans Königes
Unzufrieden im Job? Dann lautet der Standardratschlag vieler selbsternannter Karriere-Coaches: auf zu neuen Ufern. "Das ist bei den allermeisten Betroffenen allerdings ein Fehler", warnt die Münchner Diplompsychologin Madeleine Leitner.
  • Unzufriedenheit im Job lässt den Wunsch nach einem Jobwechsel wachsen
  • Dieser kann jedoch auch Risiken mit sich bringen

Seit über 20 Jahren berät Madeleine Leitner Fach- und Führungskräfte bei ihrer Karriereplanung. Aus ihrer täglichen Arbeit sind ihr "leider viel zu viele" Fälle bekannt, bei denen genau dieser Job- oder sogar ein kompletter Berufswechsel zu massiven Problemen geführt hat - bis hin zum kompletten Absturz in die Arbeitslosigkeit. Denn: So verlockend ein Neustart auch klingen mag, nur in Ausnahmefällen führt er auch wirklich zum gewünschten Erfolg.

Unzufriedenheit als Grund für den Jobwechsel

Warum sehnen sich so viele Menschen nach einem Jobwechsel? Oder wollen noch einmal etwas komplett Neues ausprobieren? Die am häufigsten genannten Gründe sind offensichtlich: eine allgemeine Unzufriedenheit, Überlastung, das schlechte Verhältnis zu Kollegen oder Vorgesetzten, eine mangelnde Perspektive und nicht selten auch die berühmte Midlife-Crisis. "In den allermeisten Fällen verbirgt sich dahinter jedoch nur eine Fehlinterpretation des bestehenden Arbeitsverhältnisses", analysiert Madeleine Leitner.

Madeleine Leitner berät seit über 20 Jahren Fach- und Führungskräfte bei der Karriereplanung.
Foto: Madeleine Leitner

Die Erklärung liefert die Wahrnehmungspsychologie. Sie besagt, dass Menschen Privilegien und Positives sehr schnell als selbstverständlich ansehen. Das, was man nicht hat oder was einen stört, wird dagegen besonders bewusst und stark wahrgenommen. Das Resultat: Eine ständige Unzufriedenheit. "Das", so Leitner, "ist einfach menschlich und lässt den Wechsel plötzlich so attraktiv erscheinen."

Risiken werden ausgeblendet

Dabei - und auch das ist menschlich - blenden viele die möglichen Risiken einfach aus. Nur selten ist das sprichwörtliche Gras auf der anderen Straßenseite von Nahem betrachtet auch wirklich grüner. Und was ist, wenn der neue Arbeitgeber in eine Schieflage gerät? Dann müssen fast immer die Neuen als erste gehen. Auch der häufig geäußerte Wunsch nach Selbständigkeit endet häufig in Frustration, denn nicht jeder eignet sich als Chef. Viele verzweifeln an der hohen Verantwortung oder es gehen ihnen die finanziellen Mittel aus. Und wer sich mit 40 oder 50 einen komplett neuen Beruf einbildet und diesen erlernt, sollte sich bewusst sein, dass er anschließend mit jungen Berufseinsteigern um eine Anstellung kämpfen wird.

"Es ist erschreckend, wie schnell und unreflektiert viele so genannte Coaches ihren Klienten zu einem Jobwechsel raten", kritisiert die Münchner Karriereexpertin. "Diese sehen sich in ihren Ideen bestätigt und stehen dann häufig wenig später vor einem Scherbenhaufen." Sie rät darum, die Ist-Situation zunächst genau unter die Lupe zu nehmen und Veränderungen in Ruhe und mit System herbeizuführen.

Für alle, die im Job unzufrieden sind, gibt es eine Checkliste von der Karriereberaterin Madeleine Leitner.
Foto: hasan eroglu - shutterstock.com

Checkliste für Unzufriedene

Für alle im Job Unzufriedenen hat sie eine Checkliste entwickelt:

1. Definieren Sie das eigentliche Problem: Können Sie Ihre Unzufriedenheit konkret benennen? Zum Beispiel: Ich verdiene zu wenig. Mein Arbeitsweg ist zu lang. Ich fühle mich überfordert. Meine Tätigkeit langweilt mich.

2. Seit wann haben Sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmt? Schon seit Beginn Ihres Berufslebens? Seit Sie die Branche gewechselt haben? Seit Sie einen neuen Chef haben? Seit Ihr Kollege gekündigt hat? Seit Sie Probleme in Ihrer Beziehung haben?

3. Wie äußert sich das Problem? Denken Sie nur ab und zu darüber nach, dass Sie Ihren Job ja schon sehr lange ausüben und dass es eigentlich Zeit ist, "etwas zu ändern"? Können Sie nachts nicht einschlafen und grübeln? Waren Sie in letzter Zeit öfter krank?

4. Wann tritt die Unzufriedenheit auf? Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit? Immer, wenn Ihr Chef Ihren Kollegen lobt? Immer, wenn Sie bestimmte Aufgaben erledigen müssen?

5. Gibt es Verdachtsmomente dafür, dass es eigentlich um etwas anderes geht? Stehen Sie zum Beispiel vor einem runden Geburtstag? Sind Sie mit Ihrem Privatleben unzufrieden? Versuchen Sie womöglich, Ihr schwaches Selbstwertgefühl durch beruflichen Glanz aufzupolieren?

6. Überprüfen Sie Ihre Einstellung zum Beruf: Welche Bedeutung räumen Sie ihm für Ihr Leben ein? Ist der Job Ihr Leben, Ihre Berufung? Warum? Was erwarten Sie sich konkret davon?

7. Nehmen Sie Ihre Familie unter die Lupe: Gibt es hier Parallelen? Abschreckende Beispiele? Was können Sie daraus lernen?

8. Reden Sie mit Ihren Freunden über deren Jobs: Wie geht es ihren Freunden im Berufsleben, was finden sie positiv oder negativ? Wie schneidet Ihr eigener Job im Vergleich dazu ab?

9. Haben Sie schon einmal versucht, etwas zu verändern? Was und mit welchem Ergebnis? Gab es eine Verbesserung? Ist das Ganze nur noch schlimmer geworden? Welche Schlüsse können Sie daraus ziehen?

10. Falls Sie Ideen haben, was Sie gerne machen würden: Haben Sie eine Vorstellung davon, was es konkret bedeutet, in diesem Bereich zu arbeiten? Woraus begründet sich diese Vorstellung? Sind das verlässliche Informationen? Haben Sie sich schon einmal mit Personen unterhalten, die das tun, was Sie interessiert?

"Wer sich diese Fragen in einer ruhigen Minute stellt und ehrlich für sich beantwortet, erkennt besser, was sein eigentliches Problem ist", ist Leitner überzeugt. Dann könne er versuchen, es mit System zu lösen. Manche Klienten sahen ihr Berufsleben sogar in einem ganz anderen Licht, berichtet die Coach-Frau. Plötzlich erschien ihnen alles gar nicht mehr so dramatisch. Sie entschieden sich bewusst für ihren alten Job und waren wieder zufrieden.

Die fiesesten Fragen im Bewerbungsgespräch
Die fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch
Wir haben Personalexperten gefragt, wie sie Kandidaten für Führungspositionen zwiebeln. Alle meinten, es gäbe bei ihnen keine gemeinen Fragen - wenn man sich denn vorbereitet. Aber natürlich hat jeder Personaler seine eigenen Spezialfragen..
Christof Müller, Senior HR Manager von Immobilienscout24, ...
... hat einige Fragen zu bieten, mit denen Bewerber gelöchert werden. "Wichtig für uns ist, den Kandidaten so zu erfassen, wie er wirklich ist. Stichwort: Authentizität. Das ist letztlich die Herausforderung."
Den Bewerber will Müller genau kennen lernen und sieht ihn sich daher sehr gründlich an
"Gemeine Fragen stellen wir grundsätzlich nicht, es sei denn der Kandidat „schießt“ unter die Gürtellinie." Natürlich gibt es diverse Fragen wie etwa: "Was war die schwerste Entscheidung, die Sie in der Vergangenheit treffen mussten?" Oder "Wenn Sie jetzt wechseln, was würden Sie von Ihrer bisherigen Tätigkeit vermissen?"."
Vor allem die Führungsqualitäten klopft HR-Manager Müller ab:
Mit Fragen wie "Was macht für Sie eine wirklich überzeugende Führungskraft aus?", "Was ist der Unterschied zwischen einer guten und einer ausgewöhnlichen Führungskraft?" und "Was ist Ihr persönlicher Leitsatz?" Und schon ist Müller bei den etwas unbequemeren Fragen ...
... wie etwa: "Wie lange dauert es, bis Sie bei uns einen signifikanten Beitrag leisten?",
"Bitte beschreiben Sie, wie es war, als Sie für Ihre Arbeit kritisiert worden sind?",
"Wovor haben Sie am meisten Angst?"
und "Was können Sie für uns tun, was andere nicht können?". Wer diese Fragen souverän beantworten kann, muss sich vor Müller nicht fürchten. Es sei denn, ein Kandidat schießt quer, dann stellt der Personaler unangenehme Fragen:
Wozu dient der Filz auf einem Tennisball?
Wie oft am Tag überlappen sich die Zeiger einer Uhr?
Wie würden Sie ohne Maßstab ein Flugzeug, etwa einen A380 vermessen?"
Leonie Hlawatsch, Personalreferentin bei doubleSlash Net-Business GmbH...
... setzt bei Bewerbungsgesprächen eher auf die leisen Töne: "Wir setzen auf offene Gespräche in lockerer Atmosphäre mit unseren Bewerbern, anstatt sie unter Druck zu setzen und mit Standardfragen zu „beschießen“. Eine übermäßige Stresssituation ist nicht der richtige Weg, um etwas über den wahren Charakter des Bewerbers zu erfahren – und wie er sich in der Situation des Arbeitsalltags verhält. Doch gerade das ist uns wichtig. Ob der Bewerber fachlich fit ist und die Herausforderungen seiner angestrebten Stelle meistern kann, bekommt man auch in einem für beide Seiten angenehmen Gespräch heraus." Das heißt nicht, dass Hlawatsch auf die kniffligen Fragen verzichten würde ...
Die Frage nach der bisher größten Herausforderung im Studium ...
... oder Leben ist für Bewerber immer etwas knifflig (bei Praktikums-oder Thesisbewerbern). Hlawatschs Tipp: "Auf jeden Fall ehrlich zu sein und nicht extra eine Situation als Beispiel zu nennen, die man besonders bravourös gemeistert hat. Das ist zu glatt und gibt nichts über den Bewerber preis. Und die Chance, einen Pluspunkt, zum Beispiel in puncto Lernbereitschaft oder Reflektiertheit zu sammeln, ist vergeben."
Vor allem sollten Bewerber gut informiert sein über das Unternehmen.
Wer keine Informationen hat, hat auch keine Chance, meint Hlawatsch: "Generell kann man als Bewerber schwierige Fragen am besten meistern, wenn man sich vorab gut über das Unternehmen und die angestrebte Stelle informiert. Was genauso wichtig ist: Den eigenen Werdegang vorher nochmal Revue passieren zu lassen und sich klar sein, was man von dem neuen Job erwartet. Denn es ist nicht nur wichtig, dass man den Job bekommt, sondern dass das Unternehmen und die im Gespräch vorgestellte Stelle den eigenen Erwartungen entspricht. Als Beispiel zu diesem Punkt freue ich mich immer, wenn Bewerber mich während des Gesprächs fragen, wie es mir persönlich bei doubleSlash gefällt. Das finde ich toll und zeigt mir, dass diese Bewerber das „Gesamtpaket“ für Ihren neuen Job im Blick haben."
Marc-Stefan Brodbeck, Recruiting Leiter bei der Telekom, kann beruhigen:
Um dem Bewerber vorweg die Angst zu nehmen: bei uns gibt es keine gemeinen Fragen. Selbstverständlich machen wir uns ein umfangreiches Bild des Bewerbers: Fachliche Qualifikationen werden getestet, aber auch die Persönlichkeit und der Charakter. Das gilt natürlich genauso umgekehrt. Schließlich möchte auch der Bewerber wissen, ob das Unternehmen seinen Erwartungen entspricht, ob wir zu ihm passen."
Dass ein Bewerber die groben Strukturen des Konzerns kennt, darauf legt Brodbeck großen Wert.
Damit kann sogar punkten, wer gar keine Bewerbung schreibt, weiß der Recruiting-Leiter zu berichten. Als vor drei Jahren ein Student versuchte, einen Telekom-Anschluss zu bekommen, entpuppte sich das als Katastrophe. Nichts funktionierte. So schrieb der Student einen 15-seitigen Beschwerdebrief an ein Vorstandsmitglied, mit Verbesserungsvorschlägen für die Vertriebsstruktur. Prompt wurde er für ein Gespräch eingeladen und für ein Praktikum engagiert - ohne sich jemals beworben zu haben.
Ich habe heute leider kein Foto für Sie!
Herbert Wittemer, Personalleiter bei msg Systems, greift einen ganz besonderen Punkt bei Vorstellungsgesprächen heraus: "Führungskräfte sind häufig auf der Internetseite ihres bisherigen Arbeitgebers per Foto zu sehen. Wenn nun dasselbe Foto als Bewerbungsbild verwendet wird, ist das alles andere als vorteilhaft. Vermutlich wurde das Foto auf Kosten und Arbeitszeit und im Design des bisherigen Arbeitgebers angefertigt - und dieses Foto nun privat und für den nächsten Job zu verwenden, zeugt weder von Kreativität, noch von Loyalität. Beides Merkmale, die insbesondere bei Führungskräften stark ausgebildet sein müssen."
Block und Stift sind ein Muss
Ärgerlich ist für Wittemer auch, wenn "ein Kandidat weder Block noch Stift dabei hat. Jemand, der sich scheinbar alles merken kann und auch kein Blatt Papier und einen Stift parat haben muss, um ein Thema kurz mit einer Skizze zu erläutern, ist nicht glaubwürdig und scheint keinen Biss zu haben."
Hohe Erwartungen
Den Kandidaten aus der Reserve zu locken, darauf setzt Wittemer: "Die härteste Frage ist für mich ganz einfach: „Was erwarten Sie von mir persönlich als Ihre künftige Führungskraft?" Kandidaten werden dabei verlegen, oder haben keine ordentliche Frage vorbereitet, obwohl sie selbst als Führungskraft die besonderen Anforderungen an die Beziehung Mitarbeiter – Führungskraft kennen müssten. Frei nach dem Motto: Ein Mitarbeiter wechselt zu einer Firma und verlässt seinen Chef."
Nicole Mamier, Personalleiterin bei Realtech AG, berichtet:
"Meine Erfahrung ist, dass die Bewerber die größten Schwierigkeit mit Fragen haben, die eine gewisse Selbstreflektion erfordern. Zum Beispiel bei solchen Fragen wie:
"Was erwarten Sie sich persönlich von dem Jobwechsel?
An welchen Kriterien messen Sie Ihren eigenen Erfolg? Was wollen Sie in sechs Monaten erreicht haben? Welche Rahmenbedingungen benötigen Sie, um erfolgreich zu sein? Was erwarten Sie von Ihrem Vorgesetzten? Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern und wie fordern Sie das ein? In welcher Situation haben Sie in den letzten 6 Monaten etwas Neues gelernt? Und in welcher Situation konnten Sie das gelernte seither anwenden?
Wie steht Ihr Partner zu Ihrem Wunsch sich beruflich zu verändern?
Nicole Mamiers Tipp ist, sich auf solche Fragen vorzubereiten und sich über sich selbst und seine Wünsche, Ziele und Fähigkeiten bewusst zu werden."
Professor Gunther Olesch, Geschäftsführer der Phoenix Contact, ...
... setzt auf eine altbewährte Frage an Führungskräfte:
"Wo will der Kandidat in zehn oder zwanzig Jahren sein?
Dazu Manager Olesch:" Ich bin der Überzeugung, dass Führungskräfte, um visionäres Management zu betreiben, selbst eine Orientierung haben müssen. Wer mit einem Schiff in See sticht, muss das Ziel kennen. Die beste Antwort, die ich auf diese Frage bekomme habe, war: "Auf Ihrem Platz möchte ich in zehn Jahren sitzen." Den Kandidaten haben wir sofort eingestellt."
Aus Niederlagen lernen
Dass die Visionen nicht immer Realität werden, weiß auch Olesch: "Man muss auch Niederlagen hinnehmen können. Solche Führungskräfte suchen wir. Denn aus solchen Niederlagen lernt man am meisten."
Ein Monat für die Vorbereitung
Um herauszufinden, wie sich die Führungskraft einbringen möchte, hat Olesch eine umfangreiche Aufgabe. "Bewerber sollen sich konkrete Gedanken machen, wie sie eine bestimmte Abteilung in den nächsten fünf Jahren entwickeln möchten. Der Bewerber hat einen Monat Zeit, sich Gedanken über Maßnahmen zu machen, die er in einer Präsentation vorstellt. Erst danach wird eine Entscheidung getroffen. Dieses Verfahren wenden wir auch bei externen Kandidaten an - dank des Internets sind wir sehr transparent und merken schnell, wie sehr sich der Bewerber vorbereitet hat. Hat er sich nur unzureichend vorbereitet, fällt das sehr negativ auf."
Auf gehts in die Vorbereitung!
Mit all diesen Tipps steht einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch nichts mehr im Wege. Viel Erfolg!