Managed Services

Von SLAs zu AGBs

12.05.2011 von Gerhard Holzwart
Der Markt für Managed Services verändert sich zusehens - vor allem durch die Cloud-Angebote. Mitglieder des COMPUTERWOCHE-Expertenrats "Managed Services" wagen den Blick in die Kristallkugel.

Welche Marktentwicklung erwarten Sie hierzulande im Laufe der kommenden fünf Jahre für die Themen Managed Services und Cloud Computing?

Sinn: Die Inanspruchnahme von Managed Services und Cloud-Diensten wird zunehmen. Allerdings wird die Nutzung erst dann steil ansteigen, wenn sich die Angebote im Hinblick auf Reife, Integrationsmöglichkeiten und Bündelung von Diensten weiter entwickelt haben.

Lill: Wir gehen für Managed Services von einem Wachstum von durchschnittlich drei bis vier Prozent im Jahr aus. Bei den Cloud Computing Services prognostizieren die Analysten über die nächsten fünf Jahren ein Wachstum von rund 35 Prozent - eine Prognose, der wir uns mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Markt und das Feedback unserer Kunden anschließen.

Straub: Der Trend wird sich von eher Infrastruktur-lastigen Managed Services hin zu mehr Cloud-Diensten entwickeln. Diese reichen von IT as a Service (IaaS) respektive Software as a Service (SaaS) bis hin zu kompletten Geschäftsprozessen, die aus der Cloud kommen werden. Entscheidend für die Marktentwicklung wird sein, bei welchen Services die Unternehmen bereit sind, sie "aus der Wolke" zu beziehen.

Denn damit ist eine teilweise Abkehr von bislang gewohnten Aspekten des Outsourcings verbunden: Überspitzt formuliert können Anwender, die Cloud-Services nutzen, nicht mehr Service-Level-Agreements mit ihrem Dienstleister vereinbaren, sondern müssen die Allgemeine Geschäftsbedingungen ihres Cloud Providers akzeptieren. Meines Erachtens werden die meisten Unternehmen daher auf einen hybriden Ansatz setzen und in einem "Best-of-breed"-Modell verstärkt Services verschiedener Anbieternkombinieren.

Wo möglich, dürften kostengünstige Cloud-Services bezogen werden, wobei jedoch die Bindung an die jeweiligen Provider nicht ausgeprägt sein wird. Parallel dazu wird es weiterhin strategisches Outsourcing mit einer längerfristigen Bindung an den jeweiligen Dienstleister geben. Beide Aspekte lassen sich allerdings weiterhin unter dem Oberbegriff Managed Service zusammenfassen.

Die Experten

Folgende Mitglieder des COMPUTERWOCHE-Expertenrats "Managed Services" standen Rede und Antwort: Andreas Lill, Fujitsu Technology Solutions GmbH; Dieter Sinn, Sinn Consulting; Michael Straub, Executive Business Development, TDS AG

Die technologischen Innovationen

Welche technologischen Innovationen dürften Cloud Services in Zukunft noch interessanter für die Anwender machen - und warum?

Michael Straub: "Broker-Modelle senken den Aufwand."
Foto: Joachim Wendler

Straub: Ein wichtiger Aspekt wäre ein Paradigmenwechsel weg vom heute stark technisch orientierten Cloud-Ansatz (Stichwort: IaaS) hin zu einem umfassenderen Modell. Denn bislang ist eine Service Transition immer mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Abhilfe könnten hier "Broker"-Modelle schaffen, die zum Beispiel mit denen vergleichbar sind, die heute im Strommarkt existieren.

Dies würde bedeuten, dass auch bei einem Wechsel des Providers die Daten in der Cloud nicht mehr migriert werden müssten. Voraussetzung dafür ist, dass die technische Infrastruktur im Hintergrund zusammenwächst und sich die Anbieter auf technische Standards einigen - nicht zuletzt beim Thema Sicherheit. Die Transition der Daten per Knopfdruck von einem Provider zu einem anderen ist die Schlüsselanforderung, um die Cloud wirklich zu etablieren!

Sinn: Services-Plattformen werden den Anwendern mehr Komfort und Funktionen bieten - unter anderem bei Auswahl und Konfiguration von Diensten, Nutzer-Management und Abrechnung sowie Monitoring, Datenschutz und Compliance. Neue Softwarewerkzeuge in hochautomatisierten Rechenzentren sind die Basis dafür. Gleichzeitig sollten neue Kooperationsmodelle entstehen, indem solche Basisservices mit Leistungen von Partnern vor Ort, zum Beispiel Systemhäusern, kombiniert werden.

Lill: Wichtig sind Innovationen in Richtung Bandbreitenoptimierung; schon in den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass mit größerer Bandbreite IT-Services dieser Art erst marktfähig werden. Entscheidend dürfte auch sein, wie die Hersteller die Sicherheitsfrage beantworten. In den meisten Erhebungen, nicht zuletzt in unserem eigenen Data Privacy Report, zeigt sich, dass Kunden dies als "A" und "O" für eine Akzeptanz von Cloud Computing bewerten. Ein weiterer Punkt ist die Weiterentwicklung von System-Management-Lösungen und entsprechendem Markt-Know-how: Verschiedene Cloud Services müssen integriert, kombiniert und gemanaged werden - dies wird eine große Herausforderung für die IT.

Cloud-fähige Services

Welche weiteren neuen Applikationen und/oder Services werden Ihrer Ansicht nach künftig verstärkt aus der Cloud bezogen werden?

Dieter Sinn: "Services werden Branchenszenarien abdecken."
Foto: Joachim Wendler

Sinn: Anwendungen und Infrastruktur-Dienste dürften gebündelt werden und auch komplette Branchenszenarien abdecken - zum Beispiel für Handwerker, Immobilenverwalter, Marketing oder Logistik-Dienstleister. Zudem wird es unter anderem themenspezifische Business-Services geben, die beispielsweise diverse Abläufe im Vertrieb und in der Kundenkommunikation auf einer Platttform bündeln.

Straub: Der Trend geht deutlich hin zu Software beziehungsweise Geschäftsprozessen aus der Cloud. Dafür kommen grundsätzlich alle Applikationen in Frage. Auch Nischenanwendungen, beispielweise für einzelne Branchen, sind aus der Cloud denkbar. Das dürfte spezialisierten Anbietern neue Chancen eröffnen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass auch das "Cloud-Management as a Service" ein wichtige Rolle spielt. Anwender werden Integratoren beziehungsweise Broker damit beauftragen, verschiedene Cloud-Services für sie zu bündeln und die Qualität sicherzustellen - sei es für den vollständigen Bezug aller Leistungen aus der Cloud oder als Kombination von Cloud-Services mit klassischen Outsourcing-Dienstleistungen.

Lill: Sämtliche Software-Anbieter werden im Lauf der Zeit gezwungen sein, ihre Applikation Cloud-fähig zu machen. Daher wird das Thema SaaS sich mit einer großen Dynamik entwickeln. Die Geschwindigkeit, mit der Cloud-Angebote ausgerollt werden können, ist das Schlüssel-Argument für den Kunden.

Die Zukunft des Servicemarkts

Inwieweit und in welche Richtigung wird sich die Anbieterlandschaft auf diesem Markt in den kommenden Jahren noch verändern?

Straub: Wenn die Cloud ihrem Anspruch gerecht werden soll, wird die Trennung zunehmen zwischen den Betreibern der Cloud-Infrastruktur und den Anbietern an der Schnittstelle zum Kunden. Letztere können gleichermaßen als "Broker" der Cloud-Kapazitäten und als "Cloud-Advisor" agieren. Bei den Betreibern der Cloud-Infrastruktur dürfte es eine Konzentration auf große Konzerne geben, die immense Rechenzentrums-Kapazitäten bereitstellen können. Eine solche Konzentration würde das Etablieren von Standards erleichtern.

Andreas Lill: "Eine Konsolidierung ist zu erwarten."
Foto: Joachim Wendler

Lill: Mit der zunehmenden Komplexität der IT-Infrastruktur und der Notwendigkeit, für verschiedene Anforderungen die geeignete Infrastrukturlösung zu finden, geht die Marktnachfrage klar Richtung End-to-End-Lösungen und Angebot aus einer Hand. Partnerschaften können hier etwaige Lücken schließen. Gleichzeitig ist nach der ersten Welle eine Marktkonsolidierung zu erwarten: Etablierte Anbieter verstärken sich durch Mergers und Akquisitionen. Player wie Amazon oder Google festigen ihre Positionen im Public-Cloud-Bereich, während die klassischen IT-Konzerne den B-to-B-Markt unter sich aufteilen.

Sinn: Nicht alle heute etablierten Anbieter von Software und IT-Equipment dürften den Umstieg in die Services-Industrie bewältigen. Zum Teil werden wir völlig neue Provider in führenden Marktpositionen erleben - vor allem deshalb, weil es ihnen gelingt, auch die privaten Konsumenten samt der mobilen Nutzung ihrer Services in ihr Leistungsspektrum einzubeziehen. (qua)

Titelfoto: Fotolia/drizzd