Mainframe-Studie

Von Modernisierung bis Umstieg ist alles dabei

21.04.2011 von Thomas Pelkmann
Immer weniger Unternehmen setzen bei geschäftskritischen Anwendungen auf Mainframes. Viele möchten stattdessen auf Standardsysteme umsteigen, die auf einer Open-Systems-Plattform basieren. Wer noch Mainframes im Einsatz hat, plant aber zumindest Modernisierungsmaßnahmen, die am Ende oft auf die Ablösung des Großrechners hinauslaufen.
Mainframes gehören zu den Dinos im Rechenzentrum. Viele schätzen sie wegen ihrer Zuverlässigkeit, noch mehr möchten sie demnächst dennoch abschalten.
Foto: IBM

Gemeinsam mit der Bergmann und Rohde Consulting Group (BRCG) hat HP Geschäftsführer sowie Finanz- und IT-Verantwortliche in Deutschland zum Einsatz und Zukunftspotenzial von Mainframe-Systemen befragt. Dabei kam heraus, dass Mainframes, wie oft beschrieben, tatsächlich auf dem absteigenden Ast sind: "Viele Unternehmen", heißt es in den Ergebnissen der Umfrage, "haben bereits abgelöst". Zudem bestehe dort, wo nach wie vor Mainframes im Einsatz sind, eine "hohe Ablösebereitschaft": Eine Mehrheit plant demnach in den kommenden drei bis fünf Jahren den Umstieg auf Unix- und x86-Architekturen.

Zum schlechten Standing der Großrechenanlagen tragen die hohen Kosten ebenso bei, wie die Unzufriedenheit mit den Lizenzprogrammen der Anbieter und der Mangel an Fachkräften für Wartung und Bedienung der Großrechner. Entsprechend verlockend erscheinen den meisten Befragten die möglichen Kostensenkungen durch den Umstieg auf günstigere x86-Systeme und - wenigstens teilweise - auf Standardanwendungen.

Der in der Umfrage deutlich ausgesprochene Wechselwille darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder zweite der 175 befragten Top-Entscheider in seinem Unternehmen nach wie vor ein Mainframe-System einsetzt. Auch die Wartung des Systems findet bei der Mehrheit im eigenen Hause statt - Outsourcing spielt folgerichtig dort keine große Rolle.

"Mainframes kommen historisch bedingt in Bereichen zum Einsatz, in denen eine sehr hohe Stabiliät, Verfügbarkeit und Sicherheit gewährleistet sein muss", erläutert Bernd Herzer, bei HP als Sales Program Manager für das Mainframe Alternative Program zuständig. "Diese RAS-Kriterien (Reliability, Availability und Serviceability) müssen bei einem Umstieg natürlich auch auf der neuen Zielplattform sichergestellt sein". Der HP-Manager will die Studie deshalb nicht als generelle Absage an Mainframe-Architekturen verstanden wissen.

Mainframes - heute primär für Legacy-Anwendungen im Einsatz

Zwar gibt es nach Angaben von Herzer immer mehr Bereiche, die auch ohne Mainframes auskommen. Zudem seien viele der jetzigen Großrechneraufgaben auch auf kostengünstigeren Unix- oder x86-Architekturen zufriedenstellend zu erledigen. Zu den Bereichen, in denen Mainframes hauptsächlich noch zum Einsatz kommen, zählen dem HP-Experten zufolge vor allem selbst angefertigte und über die Jahre gepflegte Legacy-Anwendungen, während Standardanwendungen dort nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

"Legacy Anwendungen wurden über viele Jahre für die speziellen Bedürfnisse der Unternehmen entwickelt und unterstützen die jeweiligen Business Prozesse meist sehr gut", so Herzer. "Hier raten wir in der Regel nur zu einer Modernisierung auf eine kostengünstige Plattform." Sollten die Anwendungen aber die Prozesse im Unternehmen nicht mehr ausreichend abbilden, so der HP-Experte, "dann kommt dem Thema Standardsoftware oder SOA eine grössere Bedeutung zu".

Mainframe Alternative Program von HP

Unternehmen, die für sich die Vorteile eines Umstiegs erkannt haben, bietet HP sein Mainframe Alternative Program an. "Bei diesem Programm kommt uns zugute, dass wir nicht einfach und nicht immer zum Umstieg raten", meint HP-Manager Herzer. "Wir haben selbst Mainframe-Technologie im Haus und wissen, dass diese nicht prinzipiell und in jedem Fall überholt ist. Auf der anderen Seite können wir die verschiedenen Alternativen, wie Re-host, Re-engeneering, Re-platforming, durch unsere Erfahrung sehr gut einschätzen. Das merken auch die Kunden: Sie gewinnen ein Unternehmen für eine Ablöse nur dann, wenn Sie das bisher verwendete Mainframe-System ernst nehmen, um seine Stärken wissen und dafür eine echte Alternative aufzeigen können."

Entsprechend vielseitig ist das Angebot des Alternativ-Programms: Bei Retain etwa wird die Applikation weiter auf dem Mainframe betrieben, beim Retire geht die Großrechnerapplikation in den meist wohlverdienten Ruhestand. Bei Re-Place wird die individuelle Legacy-Anwendung durch Standard-Software ersetzt, bei Re-Platform die Standard-Software des Mainframes von Open-Systems-Standard-Software abgelöst. Nur das Re-host genannte Verfahren ersetzt die Mainframe-Funktionalität 1:1 auf einer Open-Systems-Plattform.

Im Rahmen dieses Programms hat HP allein in Europa mehr als 50 Ablöseprojekte durchgeführt, davon rund 30 allein in der bei Verfügbarkeit und Sicherheit sehr sensiblen Finanzindustrie. "Auch wenn HP die Migration als reine Dienstleistung anbietet", erläutert Herzer, "entscheiden sich fast alle Kunden für eine End-to-End-Lösung aus IT-Infrastruktur, Dienstleistung und Lizenzen aus einer Hand". Hierbei spielt auch eine Rolle, dass HP die passende Hardware anbieten kann, aber neben der Erfahrung aus den vielen Ablöseprojekten auch die automatisierten Tools, die in der Migrationsphase eingesetzt werden. "Diese Tools haben wir in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt, um den Umstieg der Applikationen und die Anpassung der Codes und Daten zu erleichtern, erläutert Herzer. Der Vorteil für das Unternehmen: Die Tools kommen ausschließlich während der Migration zum Einsatz und müssen nicht zusätzlich lizenziert werden.

Die Ablösung der Mainframes sollte gut gerechnet sein. "Die Kunden erwarten beim Umstieg ein Payback von zwölf bis 18 Monaten und bei den TCO-Einsparungen bis zu 50 Prozent", beschreibt Herzer den hohen Erfolgsdruck bei Migrationsprojekten. Das sei allerdings nicht immer realistisch - so kommt es auch schon mal vor, dass Herzer und sein Mainframe-Alternative-Team vom Umstieg auf Standardplattformen abraten.

Zumindest für einen Teil der Mainframe-Anwender scheinen alternative Plattformen interessant zu sein: Die Umfrage von BRCG und HP ergibt bei der Beurteilung der Großrechensysteme jedenfalls kein einheitliches Bild. So wissen die Befragten Stabilität, Performance, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Großrechenanlagen zwar durchaus zu schätzen. Auf der anderen Seite herrscht aber Unzufriedenheit mit den hohen Kosten - meist hervorgerufen durch die Lizenzen für Transaktionsmonitore, Cobol und Datenbanken - und dem Mangel an erforderlichen Fachkräften für Wartung und Betrieb.

Zweifel am Mainframe

Unterm Strich zweifelt jeder zweite Umfrageteilnehmer daran, dass das eingesetzte Mainframe-System in der Summe der Anforderungen die beste Wahl ist. Die größten Zweifel äußert dabei die operative Ebene, während die erste Führungsebene hinsichtlich der Bewertung der Mainframe-Systeme eher unsicher ist und sich weder pro noch contra äußert. Dennoch gehen vor allem Entscheider aus der ersten Führungsebene noch von einem Ausbau ihres Mainframe-Systems aus. Insgesamt hegen allerdings nur 18 Prozent der Befragten dahingehende Pläne.

"Die operative Ebene", heißt es in der Umfrage, "erwartet dagegen eher eine gleichbleibende Nutzung oder einen Ersatz". Für die potenziellen Umsteiger stehen vor allem erwartete Kosteneinsparungen im Vordergrund: Zwei Drittel der Befragten freuen sich auf 50 Prozent mehr Geld in der Kasse, das sie durch geeignete Alternativen verdienen. Zudem ist ein Umstieg mit der Erwartung verbunden, die Leistungsfähigkeit der Systeme zu erhöhen.

Für die meisten Umfrageteilnehmer ist die Mainframe-Modernisierung ein Top-Thema. In der Maßnahmenliste ganz oben stehen das Re-Design und die Neuentwicklung auf einer Open-Systems-Plattform. Letztere wird von 58 Prozent der BS2000-Nutzer angestrebt, was offenbar damit zusammenhängt, dass die wenigsten Befragten das System mittelfristig noch als strategische Plattform ansehen. Allerdings haben auch 44 Prozent der z/OS-Nutzer bereits den Abschied von der Mainframe-Plattform ins Auge gefasst.

Trend zu Standardsystemen hält an

Die Studienautoren kommen in ihrem Fazit zu dem Schluss, dass sich der Trend zum Ersatz des Mainframe-Systems durch geeignete Alternativen in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Laut Report bleiben zwar auch in Zukunft die Stärken von Mainframe-Systemen erhalten: Stabilität, Performance und Verfügbarkeit. Dennoch hätten viele Unternehmensverantwortliche die Vorteile einer Ablösung erkannt. Die Weichen dafür werden bereits heute gestellt, heißt es in der Studie - durch Modernisierungsprojekte wie Re-Designs und Neuentwicklungen oder durch die Migration der Mainframe-Systeme auf Open-Systems-Plattformen. Dazu passt, dass der Umfrage zufolge die Vorurteile anderen Plattformen gegenüber zunehmend an Bedeutung verlieren. Performance-Verlust, Risiken beim Umstieg und der erwartete Aufwand der Migration sind längst durch die "Vielzahl erfolgreich durchgeführter Projekte" widerlegt, so der Report.

Und wann ist ein Umstieg ratsam? "Man sollte", empfiehlt HP-Manager Herzer, "ein bis eineinhalb Jahre vor dem Auslaufen von Verträgen anfangen, sich mit möglichen Alternativen zu beschäftigen." Jedes Unternehmen brauche diesen Vorlauf, um Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu evaluieren, oder eventuell einen Proof of Concept durchzuführen.