Fusionen: Der Griff über den großen Teich

Von den inneren Zwängen deutscher Konzerne, in den USA Firmen einzukaufen

19.11.1999
Fusion, dieses knappe, aber um so mächtigere Wort, müßte zum Begriff dieses Jahrzehntes gekürt werden. Kaum eine Woche vergeht, in der die Medien nicht eine Elefantenhochzeit melden. 1998 war ein Rekordjahr für - meist transatlantische - Firmenzusammenschlüsse. In seinem aktuellen Buch schreibt der ehemalige Spiegel-Redakteur Werner Meyer-Larsen über die Hintergründe der Fusionen.

Von den Wirtschaftsgurus fast immer mit großem Applaus bedacht, lösen Fusionen bei Tausenden von Arbeitnehmern die Angst um ihren so sicher geglaubten Arbeitsplatz aus. Nicht immer zu Unrecht: Nur knapp ein Drittel aller Transaktionen erreicht die gesetzten Ziele des Managements oder der Anteilseigner, haben die Merger-Experten herausgefunden.

Doch was treibt die deutschen Traditionsfirmen dazu, ihr sicheres Fahrwasser zu verlassen und das Glück im wesensfremden Amerika herauszufordern? Ist es die typisch deutsche Großmannssucht, ist es nur verantwortungsloses Gewinnstreben, Kapitalismus pur, wie die Kritiker das Treiben der Konzerne gern an den Pranger stellen? Oder tatsächlich bloße Überlebensstrategie, um sich der von den USA angezettelten Globalisierung entgegenzustemmen, wie die Manager nicht müde werden zu betonen?

Der Niedergang des Ostblocks als Katalysator

Einige aufschlußreiche Antworten hierzu bietet der kürzlich publizierte Titel "Griff über den großen Teich. Deutsche Unternehmen als Herausforderer amerikanischer Konzerne". Autor des flott geschriebenen Werkes ist der ehemalige Leiter des New Yorker Spiegel-Büros Werner Meyer-Larsen. Kenntnisreich analysiert der Wirtschaftsexperte den Sprung elf deutscher Konzerne über den Atlantik. Unter ihnen die Lufthansa AG, die Allianz, der Otto-Versand, Daimler-Benz, die Deutsche Bank und der Siemens-Konzern. Meyer-Larsen zeigt nicht nur auf, wer mit wem in den letzten Jahren zusammenging, sondern filtert die vielfältigen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Hintergründe für den Startpunkt der Mammutunternehmen heraus. Unter ihnen der Niedergang von Ostblock und Kommunismus und die große Skepsis der Amerikaner gegenüber Japan: "Deutschland, zuvor ,größte Ohn-Macht der Welt'' (Bankier Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank), war nun durch keinerlei Besatzungsrecht mehr behindert. Es kann wieder vollkommen selbständig handeln." Und ganz konkret auf den Vorstoß von Daimler-Benz bezogen: "Daß Schrempp sich überhaupt so weit vorwagen konnte, das lag wiederum an den tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik. Grob gesagt: am Imageverfall Japans und am Imagegewinn Deutschlands."

Neben dem großen Blick durch die weltpolitische Brille fokussiert Meyer-Larsen zugleich die inneren Zwänge der betroffenen Unternehmen. Auf einen Nenner gebracht, kommt er zu dem Schluß, daß Größe verpflichtet: "Wenn die Märkte größer werden, wachsen auch die Unternehmen. Wenn die Märkte in andere Rechts- und Sprachgebiete hineinwachsen, müssen die Unternehmen das gleiche tun." Unterm Strich: ein spannendes Buch - zum Nachdenken und Nachschlagen.

Werner Meyer-Larsen: "Griff über den großen Teich. Deutsche Unternehmen als Herausforderer amerikanischer Konzerne." Campus Verlag 1999, 58 Mark, ISBN 3-593-36266-X.

*Angelika Fritsche ist freie Journalistin in Bonn.