Ratgeber Business Intelligence

Vom BI-Trödler zum Klassenprimus

23.01.2012 von Martin W. Angler
Bei Business-Intelligence-Projekten kann man viel falsch machen. Die Weichen für den BI-Erfolg werden im Datenmanagement gestellt. Lesen Sie, was Sie tun müssen, damit Sie "Best in class" sind.
Vom BI-Trödler zum Klassenprimus.
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Information ist der Kraftstoff, der erfolgreiche Unternehmen antreibt. Genauso wie bei fossilen Brennstoffen hängt es von der Qualität ab, wie lange der Motor läuft und welche Leistung er bringt. Die Aberdeen Group hat zu dem Thema eine Studie veröffentlicht, die anhand verschiedener Statistiken zeigt, wovon die Qualität der Informationen abhängt.

Die untersuchten Unternehmen wurden in drei verschiedene Kategorien eingeteilt: die Klassenbesten, das Mittelmaß - bezeichnet als "Industriestandard" - und die Trödler. In welcher Liga die jeweiligen Unternehmen spielen, hängt davon ab, ob sie ein funktionierendes Datenmanagement implementiert haben.

Wozu Datenmanagement?

Die Herausforderungen im Datenmanagement liegen vor allem in der Menge und Komplexität der Rohdaten, die in BI-Systeme eingespeist werden. Schwierigkeiten bereitet auch die Vielfalt der Datenquellen: Enterprise-Anwendungen, Tabellen auf Dateieebene, Datenbanken etc. - all das unter einen Hut zu bringen und daraus leicht überschaubare Geschäftsinformationen für Entscheider zu gewinnen, ist die zentrale Herausforderung für den Aufbau eines BI-Systems.

Weder der Mittelstand noch große Konzerne kommen um effizientes Datenmanagement herum. Die Umfrage der Aberdeen Group unter 370 Unternehmen unterschiedlicher Größe bestätigt das: Die Menge der für Business-Analysen verwendeten Daten steigt kontinuierlich, dasselbe gilt für die Datenquellen, die zu Analysezwecken herangezogen werden.

Auffällig ist, dass die Zahl der im Jahresvergleich anfallenden Datenquellen bei kleinen Betrieben im Verhältnis größer ist als bei Konzernen. Im Durchschnitt müssen sie mit zehn verschiedenen Datenquellen umgehen - nicht gerade wenig, wenn man berücksichtigt, wie aufwändig das Einrichten von BI-Systemen ist. Diese sollen ja relevante Daten liefern - und zwar "on-time", also schnell und im richtigen Moment.

Immer mehr Unternehmen entwickeln deshalb Strategien für das Datenmanagement, in die IT-Personal ebenso wie Business-Anwender einbezogen werden. Für rund die Hälfte der untersuchten Firmen ist das wichtigstes Motiv dabei, möglichst alle relevanten Daten - auch die schwer zugänglichen - für das Business zu nutzen. Weitere Gründe sind zu lange Lieferzeiten für geschäftskritische Informationen und das Gefühl, die Kontrolle über den komplexen und schwer überschaubaren Datenbestand zu verlieren

Erfolgsfaktoren für BI

BI-Projekte sind dann erfolgreich, wenn Anwender zum richtigen Zeitpunkt - dann nämlich, wenn Entscheidungen zu treffen sind - auf möglichst alle relevanten Datenquellen zugreifen können. Je mehr die Analysedaten zu einem Self-Service-Buffet für Geschäftsanwender werden, desto besser ist das Datenmanagement. Das ideale BI-Management bereitet also die Informationen nach Relevanz und mit hoher Geschwindigkeit auf. Die Anwender können diese aufbereiteten Daten autonom auswerten und geschäftsrelevante Schlüsse daraus ziehen (siehe auch: Woran BI-Systeme scheitern).

Die Klassenbesten in Sachen BI haben eine andere Kultur als die "Trödler".

Die Klassenbesten sind zu 82 Prozent hochzufrieden mit ihren BI-Systemen, die Trödler nur zu acht Prozent. Es gibt drei Schlüsselfaktoren, anhand derer sich die Qualität der Ergebnisse unterscheiden lassen:

die Agilität der BI-Systeme: Sie lässt sich ermitteln, indem man herausfindet, in wie vielen Tagen sich eine neue Datenquelle in ein bestehendes BI-System einbinden lässt. Die Klassenbesten benötigen im Durchschnitt zwölf Tage, die Trödler dagegen stolze 143 Tage;

die Schnelligkeit, mit der Informationen zur Verfügung gestellt werden: Hier gilt es zu messen, wie viele relevante Informationen im entscheidungsrelevanten Zeitfenster (on-time) bereitgestellt werden. Bei den Klassenbesten sind es 93 Prozent, bei den Trödlern lediglich 34 Prozent;

die Zufriedenheit der Benutzer: Sie lässt sich ermitteln, indem folgende Aspekte abgefragt und analysiert werden:

Wie gehen Gewinner strategisch vor?

Erfolgreiches BI- und Datenmanagement setzt eine datengetriebene Unternehmenskultur und die Ausweitung des Datenzugriffs auf mehrere funktionale Ebenen voraus. Eine solche datengetriebene Unternehmenskultur muss gelebt werden, damit der Nutzen voll durchschlägt. Die Klassenbesten beziehen alle Abteilungen ein. Wohl auch deshalb haben sie hier einen deutlichen Vorsprung vor den Trödlern und den Mittelmäßigen. Ebenfalls wichtig ist eine Langzeitstrategie für das Datenmanagement, die aber in den meisten Firmen ohnehin existiert.

Wie lassen sich gute BI-Resultate erzielen?

In kleinen Betrieben gehören vor allem Excel-Dateien zu den angezapften Datenquellen. In Konzerne sind es Business-Applikationen und Data Warehouses.

Während bei den Trödlern der mit 36 Prozent größte Anteil der BI-Daten aus Excel-Dateien gezogen wird, ist diese Menge bei den Klassenbesten mit 15 Prozent eher gering. Wichtigste Datenquellen sind hier Enterprise-Applikationen und Data Warehouses (zusammengerechnet 75 Prozent). Die Anzahl der Datenquellen steigt für alle Unternehmen - allerdings in Kleinbetrieben schneller als in großen Konzernen. Hintergrund ist, dass mit wachsender Unternehmensgröße mehr in Enterprise-Applikationen und Data Warehouses investiert wird. Die Anzahl der Datenquellen fällt in Relation niedriger aus, da einzelne Quellen, beispielsweise Excel-Dateien, in größeren Systemen untergebracht werden.

Best Practices im Datenmanagement

Die Studie der Aberdeen Group zeigt, dass die Klassenbesten besonderes Augenmerk auf verschiedene Praktiken legen, die das Datenmanagement im Unternehmen ermöglichen beziehungsweise verbessern. Sie kommen fünf verschiedenen Ebenen zum Einsatz:

  1. Prozessebene: 66 Prozent der Klassenbesten definieren Datenbereinigungsprozesse und 51 Prozent ein formelles Anforderungsmanagement der Benutzer;

  2. Organisationsebene: Die Besten legen zu 70 Prozent gesteigerten Wert auf eine Kultur, in der Entscheider den Wert unterstützender Daten akzeptieren. Sogar 86 Prozent stellen fest, dass bei ihnen die Geschäftsführung eine möglichst optimale Übersichtlichkeit der Entscheidungsdaten fördert.

  3. Wissensebene: Zwei Drittel der als Klassenbeste identifizierten Anwender unterstützen die Entwicklung analytischer Fähigkeiten im eigenen Haus und knapp die Hälfte (47 Prozent) stellt Best Practices für den Datenzugriff zentral bereit.

  4. Leistungsebene: Auch beim Nachverfolgen, welchen Erfolg der BI-Einsatz hat, sind die Besten mit 66 Prozent vorne dran. Fast ebenso viele erheben die unterschiedlichen Datenanforderungen der Fachabteilungen.

  5. Technologie-Ebene: Beim Tool-Einsatz sind die Erfolgreichen ebenfalls stark engagiert: 75 Prozent nutzen Werkzeuge für die Datenintegration, 66 Prozent Tools für die Datenmodellierung, 55 Prozent Tools für das Bereinigen der Datenbestände und 47 Prozent Tools für die Datenauswertung.

Ganz anders sieht es bei den Trödlern aus: Nur knapp halb so viele wenden die genannten Praktiken und Techniken an, um ihre Unternehmen beim Datenmanagement weiterzuentwickeln. So wird deutlich: Ganzheitliches Datenmanagement, das die sozialen und technischen Komponenten eines Unternehmens einbezieht und auf die Bedürfnisse aller Abteilungen Rücksicht nimmt, macht den Unterschied aus.

Wie kommt man zu effektivem Datenmanagement?

Klare und saubere Informationen durch zentralisierte BI-Systeme zeitnah an alle relevante Abteilungen zu liefern, setzt formelle Prozesse voraus, mit denen die Nutzeranforderungen an den Datenzugriff erhoben werden können. 70 Prozent der Klassenbesten haben solche Prozesse etabliert, deutlich mehr als unter den Trödlern. Zudem wenden sie fast doppelt so oft formelle Prozesse zum Anreichern der Daten mit zusätzlichen Informationen (zum Beispiel über Data Mining) und zum Bereinigen der Bestände an. Der erste Schritt in Richtung eines ganzheitlichen Datenmanagements ist also die Definition dieser formellen Prozesse.

Wer BI ernstnimmt, hat Best Practices etabliert.

Auf der Organisationsebene hat sich gezeigt, dass eine datengetriebene Unternehmenskultur in der Führungsriege ihren Ursprung nehmen und hierarchisch nach unten durchgesetzt werden muss. Voraussetzung sind Richtlinien, die alle Mitarbeiter zu datengetrieben Entscheidungen auffordern und so die Qualität der Analyse-basierenden Entscheidungen verbessern. Der Zusammenhang zwischen dem Geschäftserfolg und solchen Richtlinien ist evident: Ein Klassenprimus hat mit einer 2,7 mal höheren Wahrscheinlichkeit eine faktenbasierende und datengetriebene Entscheidungskultur als ein Trödler.

Auf der Leistungsebene zeigt sich, dass Erfolgskontrolle entscheidend ist. Die besten Unternehmen erheben exakt die Anforderungen der einzelnen Abteilungen an die Business-Daten und beobachten, wie häufig, von wem und wann BI-Werkzeuge effektiv eingesetzt werden. Die Trödler dagegen erheben den Einsatz ihrer BI-Werkzeuge so gut wie gar nicht und verpassen dadurch die Chance, BI-Tools effizienter zu nutzen.

Eine Reihe von Techniken, mit denen sich Daten für den Einsatz in BI-Systemen aufbereiten lassen, hat sich als hilfreich erwiesen. Basisaufgabe ist es, die Daten so zu präparieren, dass sie überhaupt erst in ein BI-System eingespeist werden können. Auch das Säubern der Daten und das Entfernen unbenutzbarer Informationen (beschädigte, veraltete Daten) gehört dazu. Natürlich geht es auch darum, die Daten wieder herauszuholen. Dabei spielen Datenmodellierungs- und Data-Mining-Tools eine wichtige Rolle. Mit ihnen lassen sich letztendlich zusätzliche Informationen generieren, die nicht explizit in den Daten vorhanden waren.

Ein Problem, das Unternehmen aller Größenordnungen haben, ist das Ansprechen und Abfragen großer Datenmengen. Die Klassenbesten sind imstande, mit durchschnittlich rund 30 Terabyte beinahe doppelt so große Datenmengen anzusprechen wie die Trödler (18 TB). Zudem erfahren die Besten eine um den Faktor zehn kürzere Ausführungszeit der Abfragen (zwei Minuten) auf die genannten Datenmengen gegenüber dem Industriestandard und den Trödlern (22 Minuten). Das belegt die überlegene analytische In-house-Entwicklung der Klassenbesten.

Vom Bummler zum Klassenprimus?

Den Rückstand gegenüber den Besten aufzuholen ist prinzipiell möglich, aber ein ganzheitliches Datenmanagement muss Schritt für Schritt aufgebaut werden. Zunächst einmal sollte ein Trödler zum Industrie-Standard aufschließen. Das kann durch kontinuierliches Benchmarking erreicht werden. Dazu gehört es, die "Time to information" kontinuierlich zu messen, also die Zeit von der Ankunft neuer Daten, über deren Aufbereitung bis hin zur Nutzung durch Entscheider.

Des Weiteren sollte das analytische Wissen inhouse aufgebaut werden. Mit dieser Maßnahme lässt sich das Datenbewusstsein aller Mitarbeiter fördern. Technologie ist dabei natürlich hilfreich, vor allem Tools für die Datenintegration sowie das Extrahieren, Umwandeln und Laden (ETL) der Daten sind hier zu nennen.

Die hier als Industriestandard bezeichneten mittelmäßigen BI-Nutzer sind laut Aberdeen Group bereits auf einem guten Weg und müssen nicht erst mit dem Einführen von BI-Tools anfangen. Dennoch haben sie Einiges zu tun, wollen sie zu den Klassenbesten aufsteigen. Dazu gehört etwa der Aufbau einer durchgängigen Return-on-Investment-Methodik für das Datenmanagement, mit der auch dem Management gezeigt werden kann, dass sich entsprechendes Engagement für Umsatz und Ertrag lohnt. Außerdem sollten sie nachvollziehen können, ob BI-Werkzeuge optimal genutzt werden. Das schafft zugleich einen Überblick darüber, ob Datenmanagement im Unternehmen tatsächlich gelebt wird.

Und schließlich gilt es, die Hausaufgaben bezüglich Datenqualität zu erledigen, also etwa alte und beschädigte Datenbestände zu säubern. Je besser dieser Job erledigt wird, desto größer ist das Vertrauen der Entscheider und desto häufiger lassen sich Entscheidungen datenbezogen treffen. Seit Version 2007 zieht es Microsoft mit SharePoint stark auf die BI-Schiene, mit Version 2010 hat sich dieser Trend noch verstärkt. Tatsächlich unterstützt das komplexe System die Abstrahierung von Business-Daten und kann verschiedene Datenquellen aggregieren. Die Aufbereitung für Entscheider erfolgt dabei transparent und basiert auf aktuellen Daten. Damit bietet sich SharePoint als aktuelle Master-Data-Plattform an, die nicht nur auf Technologie-, sondern auch auf Leistungsebene (Nachverfolgung der Nutzungshäufigkeit der Tools) die Qualität und Liefergeschwindigkeit der ausgwerteten Daten steigern kann.

Auch die derzeit Klassenbesten können noch etwas tun, um ihre Unternehmen weiter in Richtung eines ganzheitlichen Datenmanagements zu treiben. Sie sollten Teams bilden, die sich auf Datenmanagement-Strategien spezialisieren und alle Abteilungen des Unternehmens einbeziehen. Außerdem können sie im Detail festlegen, welche Daten und Informationen für wen relevant sind. Gelingt es, eine Master Data Platform zu etablieren, die dazu beiträgt, nur eine Wahrheit der Daten zu verbreiten und alle Technologien für die Datenbereitstellung unter einen Hut zu bringen, wäre ein weiterer großer Schritt getan (siehe auch: Sechs Lösungen für das Stammdaten-Management im Vergleich). Es ist anzunehmen, dass eine solche Veränderung zunächst auf Widerstand in den einzelnen Abteilungen stößt. Wenn das Unternehmen aber mit den genannten Praktiken sanft zu einem ganzheitlichen Datenmanagement geführt wird, dürfte sich der Nutzen von selbst ergeben.