Eine Bilanz

Vier Jahre Corporate Blogging bei Frosta

11.01.2010 von Manfred Leisenberg und Britt van Delden
Ist die Rede von Corporate Blogs, wird die Frosta AG gerne als Beispiel angeführt. Zu einem Motivationssprung unter den Mitarbeitern führte das Blog aber nicht - weil Offenheit und Transparenz ohnehin Teil der Firmenkultur sind.

Die Geschichte ist bekannt: Vor mehr als vier Jahren startete Frosta das erste Weblog eines deutschen Lebensmittelherstellers. Felix Ahlers, Vorstandsmitglied, schrieb am 30. Juni 2005 den ersten Beitrag, in dem er die Leser des Frosta-Blog willkommen hieß und die Beschäftigten zur Mitarbeit ermutigte, indem er darauf hinwies, dass alle Frosta-Blogger Laien auf diesem Gebiet seien. Seitdem sind mehr als 700 weitere Einträge hinzugekommen, von denen nur sehr wenige unkommentiert blieben.

Frosta verfolgte vor allem das Ziel, seine Glaubwürdigkeit als Anbieter herauszustellen. Der Bekanntheitsgrad des Frosta-Reinheitsgebots sollte erhöht und der direkte Dialog mit den Konsumenten gesucht werden. Die Beiträge der Autoren beschäftigen sich mit verschiedenen Inhalten: Es geht um die Tätigkeit im Unternehmen, um Produkte, aber auch um private Themen. Das Blog wurde damals ohne große Erwartungen gestartet, umso verblüffender war der Erfolg.

Die Autoren

Manfred Leisenberg und Britt van Delden

Professor Dr. Manfred Leisenberg ist Wissenschaftler und Hochschullehrer auf dem Gebiet der Informatik an der Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld. Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen einer Bachelor-Arbeit, die Britt van Delden im vergangenen Jahr mit Unterstützung der Frosta AG erfolgreich abschloss. Van Delden hat ihre Arbeit im eigenen Blog dokumentiert und ist auch über Twitter erreichbar.

Die Blog-Verantwortliche Friederike Ahlers, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit von Frosta, zählt rund 4000 Leser täglich. An manchen Tagen steige die Anzahl auf bis zu 6000, je nachdem welches Thema gerade diskutiert werde. Der offene Kommunikationsansatz des Unternehmens wurde positiv von den Lesern und der Blogosphere aufgenommen. Mittlerweile besuchen auch viele Journalisten die Plattform, um dort bestimmte Themen zu recherchieren. Frosta hat es trotz einiger Startschwierigkeiten, zum Beispiel negative Stimmen über das teilweise unprofessionelle Bloggen der Mitarbeiter, geschafft, sich einen Namen zu machen und das Corporate Blog in die firmeneigene Kommunikationsstrategie einzubetten.

Das Corporate Blog von Frosta
Frosta senkt die konzernweiten CO2-Emissionen
Vor allem alternative Energiequellen sollen dazu beitragen, dass hoch gesteckte Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Darüber kann man im Blog schon mal reden...
Engagement in Somalia
Mit Landwirtschaft allein kann sich das Entwicklungsland auf Dauer nicht helfen, meinen die Frosta-Blogger, denen Somalia am Herzen liegt. Sie unterstützen etwa die Produktion und den Verkauf von Leder-Portemonnaies.
Südafrika-Challenge
Die Promotion für das Event erfolgt im Web - bei <a href="http://www.youtube.com/watch?v=f4RweiBomaQ">Youtube</a> und natürlich im Blog.
Siezen oder Duzen?
Online führen Frosta-Mitarbeiter und Externe eine Diskussion über die richtige Ansprache am Arbeitsplatz.
Öko-Weihnachtspost
Sind die Weihnachtskarten wohlgeraten? Und vor allem: Sind sie umweltverträglich hergestellt worden?
Das eigentliche Anliegen: das Reinheitsgebot
Das Blog wurde aufgesetzt, um das konzerneigene Reinheitsgebot zu erklären und bewerben.
Was können wir besser machen?
Vielleicht wissen Blog-Besucher ja, was Frosta besser machen kann. Nachfragen lohnt sich und ist im Blog sehr einfach.
So entsteht ein Werbespot
Im Corporate Blog erfährt man alles zu den Dreharbeiten für einen Werbespot
Die neue Großpackung in der Diskussion
Sind 900 Gramm Hühnerfrikassee zu viel? Die Meinungen sind geteilt.
Frostige Weihnachten
Die Weihnachtsfeier fand in ungewöhnlichem Ambiente statt.

Fördert das Bloggen die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter?

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung wollten wir herausfinden, ob die bloggenden Mitarbeiter einen Motivationsschub in ihrer Arbeit erlebt haben. Per Online-Umfrage wurden jene Mitarbeiter von Frosta befragt, die schon aktiv am Blog-Geschehen mitgewirkt und mindestens einen Beitrag geschrieben hatten. Letztendlich sollte die Annahme, dass offen und transparent via Blog kommunizierende Mitarbeiter motivierter sind, empirisch geprüft werden. Ebenfalls galt es herauszufinden, welche Motive die Mitarbeiter zum bloggen bewegen und ob sie sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren.

Zum Zeitpunkt der empirischen Untersuchung waren zwölf Mitarbeiterinnen und 20 Mitarbeiter der Frosta AG als Autoren eingetragen. Der Zeitraum der Befragung erstreckte sich über 16 Tage und erzeugte eine Rücklaufquote von rund 34,4 Prozent - elf Autoren machten also mit.

Überraschende Untersuchungsergebnisse

Auf die Frage nach ihren Motiven gaben sieben Mitarbeiter an, ihnen sei eine persönliche Darstellung der Frosta AG wichtig. Als zweiter wichtiger Grund wurde die Möglichkeit genannt, Hintergrundberichte veröffentlichen zu können. Der persönlichere Kontakt zum Kunden und die freie Themenwahl nannten jeweils vier der Befragten als Motive. Die Teilnehmer durften bei dieser Frage mehrere Antwortmöglichkeiten auswählen. Die genannten Gründe sind noch keine Überraschung; sie werden typischerweise als Chancen von Corporate Blogs für die Unternehmenskommunikation angeführt.

Unerwartet fielen indes die Antworten auf die Frage aus: "Können Sie sich seit dem Mitbloggen besser mit der Frosta AG identifizieren?" Acht Befragte gaben an, ihre Bindung zum Unternehmen sei unverändert. Lediglich eine Person kreuzte hier "ja" an. Die restlichen zwei Teilnehmer entschieden sich für die Kategorie "weiß nicht".

Die Mitarbeiter sollten in einer weiteren Frage ihre Einschätzungen zum Thema offenes und transparentes Kommunizieren im Frosta-Blog abgeben. Drei Teilnehmer gaben an, die Offenheit im Blog sei "gut" bis "vorbildhaft". Zwei weitere Mitarbeiter schätzten diese Art der Kommunikation mit "sehr positiv" noch besser ein und erklärten, dass die Offenheit insbesondere das Vertrauen der Frosta AG in ihre Mitarbeiter bestätige. Außerdem gewinne das Unternehmen an Profil und bekomme einen menschlichen Hintergrund.

Ein Befragter gab an, das Bloggen spiegele lediglich die von Offenheit und Transparenz geprägte Unternehmensphilosophie wider und sei aus diesem Grund nicht unbedingt etwas Neues. Noch deutlicher wurde ein weiterer Mitarbeiter: Offenheit und Transparenz seien für das Unternehmen selbstverständlich, weshalb in dieser Art und Weise kommuniziert werden müsse. Überraschenderweise gaben nur zwei Personen an, dass sich ihre Arbeitsmotivation durch das transparente Bloggen positiv verändert habe.

Blogger sind ohnehin motivierte Mitarbeiter

Die Vermutung, dass sich das Bloggen positiv auf die Identifikation mit dem Unternehmen auswirkt, haben sich nicht bestätigt. Das ist jedoch keine schlechte Nachricht, denn offenbar identifizieren sich die bloggenden Mitarbeiter ohnehin stark mit dem Unternehmen und sind hoch motiviert. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Julia Bauhoff schrieb bereits 2007 in dem von Thomas Pleil herausgegebenen Buch "Online-PR im Web 2.0": "Da die Mitarbeiter unter realem Namen mit der Abteilungszugehörigkeit schreiben, kann unterstellt werden, dass nur solche Mitarbeiter schreiben, die sich mit dem Unternehmen identifizieren."

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass nur zwei der elf Umfrageteilnehmer sagten, ihre Arbeitsmotivation habe sich durch das Bloggen verändert. Damit hat sich die Vermutung nicht bestätigt, dass durch den Blog-Erfolg und die transparente Kommunikation ohne Zensur die Arbeitsmotivation der Autoren besser werden würde. Eine Erklärung dafür ist vermutlich, dass Frosta grundsätzlich für Offenheit und Transparenz stehen möchte. Viele Mitarbeiter bezeichnen sich also ohnehin als hoch motiviert und arbeiten gerne für das Unternehmen. Dies ist auch ein Argument dafür, warum der Erfolg des Frosta-Blog so groß ist. Es gibt im Allgemeinen keine negative Publicity.

Die Unternehmensführung von Frosta vermutet, dass Bloggen ohne Zensur durchaus motivierend ist. Das gelte aber für die konzerninterne Kommunikation generell. Möglicherweise hätte es in anderen Unternehmen, in denen die Kommunikation nicht so offen, ehrlich und authentisch ist, unter Umständen ein anderes Ergebnis gegeben. Nicht jedes Unternehmen, das ein Corporate Blog pflegt, lässt die Beiträge und Kommentare ohne vorherige Überprüfung veröffentlichen. Es ist also durchaus möglich, dass in einem anderen Unternehmen die Hypothese der sich verbessernden Arbeitsmotivation verifiziert werden könnte. Die Mitarbeiter eines Unternehmens, das im Allgemeinen nicht so dialogorientiert aufgestellt ist, hätten im Idealfall die vorher aufgestellte Erwartung bestätigt.

Unternehmen müssen offener in der Kommunikation werden

Anhand dieses prominenten Falls lässt sich also nicht ermitteln, ob ein Corporate Blog die Arbeitsmotivation heben kann. Aufgrund seiner offenen Unternehmenskultur war Frosta ohnehin "für das Web 2.0 bereit". Vor diesem Hintergrund wäre eine Untersuchung in einem bloggenden Unternehmen interessant, in dem offene Kommunikation weniger selbstverständlich ist. Allerdings dürfte es schwierig werden, eine solche Firma zu finden. Häufig bloggt dort nur die Führungsebene, gezielt ausgewählte Personen oder ein Blogger allein. Deutsche Unternehmen tun sich schwer, das Kommunikationsmonopol ihrer Pressestellen zu durchbrechen. (hv)