"Vielleicht suchen viele Firmen nach Alternativen"

18.04.1995

CW: Peoplesoft ist seit sechs Jahren am Markt. Wieso kommen Sie jetzt erst nach Deutschland?

Walsh: Wir wollen immer zunaechst die eine Sache richtig machen, bevor wir uns der naechsten zuwenden. Also haben wir uns fuers erste auf den amerikanischen Markt konzentriert, sind dann nach Grossbritannien und - auf Anforderung einiger multinationaler Kunden - nach Holland gegangen. Deutschland ist ein sehr komplexer Markt, und es kostet viel Geld, hier Fuss zu fassen. Zudem gibt es einen maechtigen Mitbewerber. Wir wollten deshalb sichergehen, dass wir ein geeignetes Produkt zu einem konkurrenzfaehigen Preis anzubieten haben.

CW: Was macht den Zugang zum deutschen Markt so teuer?

Walsh: Das hiesige Payroll-System zum Beispiel unterscheidet sich sehr stark von dem, das in den USA oder den lateinamerikanischen Laendern gebraeuchlich ist. Deshalb mussten wir quasi von vorn anfangen. Wir wollten eben nicht das amerikanische Produkt nehmen und es so anpassen, dass es lediglich deutsch ausgesehen haette.

CW: Sie haben fuer Ihren Markteintritt moeglicherweise gar keinen schlechten Zeitpunkt erwischt, denn Ihr Hauptkonkurrent SAP steht derzeit im Kreuzfeuer der Kritik. Lassen Sie sich von solchen Ueberlegungen leiten?

Walsh: Sicher haben wir uns ueber all diese Dinge Gedanken gemacht. Ein wichtiger Ausloeser war auch die Tatsache, dass wir ein so grosses Unternehmen wie die Siemens AG als Kunden fuer unser "Human- Resources"-Modul gewinnen konnten. Wir haben das als Indiz dafuer gewertet, dass es vielleicht viele deutsche Firmen gibt, die ebenfalls nach Alternativen suchen.

CW: Neben dem Personal-Management werden Sie im kommenden Jahr auch mit ihrer Finanzbuchhaltung auf den deutschen Markt kommen. Hier ist die SAP ein wesentlich haerterer Wettbewerber, der zudem bereits einen riesigen Marktanteil hat.

Walsh: Unsere Software besitzt einen wichtigen Vorteil: Sie ist schnell zu implementieren und leicht anzupassen. Was wir jetzt brauchen, sind einige Erfolgsgeschichten mit Human Resources, dann koennen wir die Anwender auch von "Financials" ueberzeugen.

CW: Was ist, wenn ein Kunde tatsaechlich umsteigen will? Koennen Sie ihm bei der Migration helfen?

Walsh: Wir haben zwar kein spezielles Migrationswerkzeug fuer SAP. Aber, wie gesagt, die fuer die Implementierung unserer Software notwendige Zeit ist wirklich sehr kurz. Und da spielt es keine Rolle, ob der Kunde von einem selbstentwickelten System oder von einem Konkurrenzprodukt herkommt.

CW: Viele Anwender wollen gar nicht umsteigen, sondern Module unterschiedlicher Anbieter miteinander verbinden. Wie kommen Sie denen entgegen?

Walsh: Dafuer haben wir einige Standard-Schnittstellen im Angebot. Wir sind auf diesem Gebiet wirklich Experten. Als wir anfingen, hatten wir noch keine eigene Finanzbuchhaltung (das erste Peoplesoft-Produkt war Human Resources, Anm. d. Red.). Deshalb mussten wir die Verbindung zu den Produkten anderer Anbieter herstellen.

CW: Peoplesoft war Gruendungsmitglied der Open Applications Group, die sich um die Spezifikation allgemeiner Anwendungs- Schnittstellen bemuehen wollte. Gibt es dort Fortschritte?

Walsh: Nicht dass ich wuesste. Das ist eine Sache, die wir sicher begruessen wuerden. Aber falls nichts daraus wird, haben wir auf jeden Fall unsere eigenen Schnittstellen.

CW: Standardapplikationen galten jahrelang als Ausweg aus dem Anwendungsstau. In letzter Zeit werden sie wieder angezweifelt. Dass sie in der Finanzbuchhaltung Sinn machen, steht ausser Frage. Ob sie sich auch fuer wettbewerbsentscheidende Bereiche wie Vertrieb und Fertigung eignen, ist aber umstritten.

Walsh: Ich verstehe, was Sie meinen. Die Frage, die dahintersteht, lautet: Wenn jeder dieselbe Software benutzt, wie soll dann ein Unternehmen einen Vorteil gegenueber einem anderen erringen? Aber sehen Sie, es kommt doch immer noch darauf an, was Sie mit der Software machen. Das Alleinstellungsmerkmal unserer Produkte ist die darunterliegende Werkzeugschicht. Sie erlaubt es, die Anwendungen ohne grossen Aufwand zu aendern. Auf diese Weise bekommt der Kunde das Beste aus beiden Welten.

Bill Walsh ist Geschaeftsfuehrer der neugegruendeten Peoplesoft GmbH, Muenchen. Das Gespraech fuehrte CW-Redakteurin Karin Quack.