Wer kann mit wem?

Videokonferenzsystem meets Collaboration-Tool

29.01.2015 von Marc Herzmann und Rolf Bergfeld
Innerhalb der meisten Unternehmen wird eine Vielzahl unterschiedlicher UCC-Lösungen verschiedener Anbieter eingesetzt. Dazu gehören ältere Konferenzraumsysteme ebenso wie moderne Collaboration-Tools. Doch was gilt es zu beachten, damit die verschiedenen Lösungen reibungslos miteinander integriert werden können?
Nicht immer trivial: Die Integration von Raumsystemen für Videokonferenzen in moderne UCC-Lösungen.
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Historisch gewachsene Infrastrukturen finden sich in allen Bereichen der Unternehmens-IT - so auch bei der Kommunikation und Zusammenarbeit. Veraltete Software lässt sich relativ einfach ersetzen. Doch was geschieht etwa mit Raumsystemen für Videokonferenzen, die oft hohe Investitionen erfordert haben und individuell angepasst wurden? Viele Unternehmen möchten die bestehenden Raumsysteme in moderne UCC-Lösungen integrieren. Doch aufgrund von inkompatiblen Schnittstellen und unvereinbarer Standards zwischen den verschiedenen Anbietern ist dies meist nicht so einfach.

Videokonferenzsystem meets Collaboration-Client

Das Kommunikationsproblem der Lösungen kommt nicht von ungefähr: Häufig handelt es sich bei den hochqualitativen Videokonferenzsystemen um Produkte von Cisco oder Polycom. Diese werden im Unternehmen in der Regel von den Telefonie- oder Netzwerkteams fachlich verwaltet. Aus dem Bereich Arbeitsplatz und Groupware stammt dagegen die zweite und meist jüngere Videolösung: die Collaboration-Clients. Wichtige Vertreter sind hier vor allem Microsoft Lync oder Cisco Jabber. Diese bieten neben Instant Messaging und Präsenzinformationen auch Telefonie, Webconferencing und eben Videokonferenz. Inzwischen ist auch in diesem Bereich echte HD-Qualität möglich.

Ideale Vorrausetzungen für ein perfektes Zusammenspiel der Videolösungen finden sich, wenn Raumsysteme und Collaboration-Clients von demselben Anbieter stammen. Da Cisco als einziger großer Hersteller inzwischen Lösungen für alle Bereiche - vom Web-Client bis zum großen Raumsystem - bietet, haben Cisco-Kunden in der Regel die wenigsten Schwierigkeiten, eine einheitliche UCC-Infrastruktur aufzubauen. Hier können jedoch ältere Systeme, auch vom übernommenen Hersteller Tandberg, aufgrund nicht mehr unterstützter Schnittstellen einen größeren Aufwand erfordern.

Knigge für Video Conferencing
Die Technik ist heute nicht mehr das Problem. Vom Tablet bis zum Raumsystem reicht die Palette der Endgeräte. Über den Erfolg der virtuellen Meetings entscheiden deshalb oft weiche Faktoren wie Benimmregeln.
Dos
Sprechen Sie deutlich in Videokonferenzen. Die Möglichkeit, jeden Teilnehmer gut zu verstehen, ist entscheidend für eine erfolgreiche Videokonferenz.
Dos II
Halten Sie es einfach. Wenn Sie zu einem Videomeeting einladen, stellen Sie sicher, dass die Instruktionen für die Einwahl einfach und verständlich beschrieben sind und die anderen Teilnehmer sich schnell und problemlos einwählen können.
Dos III
Schau mir in die Augen, Kleines. Der gute Blickkontakt mit allen Teilnehmern eines Videomeetings ist sehr wichtig.
Don'ts
Klingelnde Handys sind auch in der virtuellen Welt der Meeting-Killer Nummer Eins. Führen Sie Ihren neuesten Klingelton also erst nach dem Treffen vor.
Don'ts II
Kein Multitasking während der Konferenz. Ihre Kollegen merken nämlich, wenn Sie andere Dinge nebenher erledigen - und das stört erheblich.
Don'ts III
Jederzeit und überall zu arbeiten ist zwar ein Plus der modernen Technik. Doch Supermarkt, Bahnhofshalle oder Flughafen sind eher unpassende Orte für ein Video Meeting.
Don'ts IV
Musik und andere Hintergrundgeräusche wie spielende Kinder lenken andere ab. Im Büro hängen Sie am Besten ein "Nicht stören"-Schild vor die Türe.
Andere Länder, andere Sitten
Seien Sie pünktlich. Vor allem in den USA beginnen auch virtuelle Meetings zur vorgesehenen Zeit und enden auch wie geplant.
Andere Länder, andere Sitten II
Vermeiden Sie in Konferenzen mit Japanern offene Kritik. Lernen Sie "nein" zu sagen, ohne es tatsächlich zu sagen.
Andere Länder, andere Sitten III
Respekt, Rang und Hierarchien sind in der chinesischen Kultur wichtig. Begegnen Sie höhergestellten Partnern oder Kollegen besonders respektvoll.
Andere Länder, andere Sitten IV
Planen Sie für Konferenzen mit Indien mehr Zeit ein. Videokonferenzen werden gerne mit einem Small Talk eingeleitet, hetzen Sie also nicht. Dennoch wird wert auf angemessene Business-Kleidung gelegt.
Andere Länder, andere Sitten V
Der sprichwörtliche britische Humor wird oft auch beim Video Conferencing eingesetzt. Einfach mitmachen.
Andere Länder, andere Sitten VI
Italiener kommunizieren nicht nur verbal, sondern auch sehr stark non-verbal. Scheuen Sie sich nicht davor, sich in Videokonferenzen über den Gesichtsausdruck und Gesten auszudrücken.
Andere Länder, andere Sitten VII
Brasilianer gehen geschäftliche Meetings eher entspannt an. Nutzen Sie Video, um Ihre Geschäftspartner kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen

Moderne Videokonferenzsysteme von Cisco und Polycom lassen sich inzwischen ebenfalls recht einfach integrieren, da sie kompatible Standards nutzen. Was ist aber zu beachten, wenn ein bestehendes Polycom-System mit dem Cisco-Jabber-Client oder ein Cisco-Videokonferenzsystem mit dem Microsoft-Lync-Client verbunden werden muss?

Interoperabilität zwischen Cisco, Microsoft und Polycom

Kernstück der Real-Presence-Plattform von Polycom - und somit oft schon Bestandteil einer existierenden Polycom-Architektur - ist die Distributed Media Application (DMA). Neben der Funktion als Management-Instanz und Registrar für Videoendpunkte ermöglicht die DMA die Interoperabilität mit Cisco-UC-Systemen und die Videoverbindung zwischen Cisco-Jabber-Clients und Polycom-Raumsystemen. Auch für Microsoft-Produkte bietet Polycom zahlreiche kompatible Lösungen an. Mit RealConnect etwa können Lync-Nutzer von der Microsoft-Umgebung aus per Tastendruck an HD-Audio- und Videokonferenzen mit den Polycom-Systemen teilnehmen, ohne eine neue Bedienung erlernen zu müssen - Gleiches gilt für die Planung und Einladung einer Konferenz mit Teilnehmern auf unterschiedlichen Technologieplattformen.

Besteht die Videokonferenzumgebung dagegen aus Cisco-Lösungen und sind diese in Microsofts Lync-Client zu integrieren, so übernimmt der Video-Conferencing-Server (VCS) von Cisco die Gateway-Funktion. Der VCS ist eine zentrale Komponente der Cisco-Architektur und unterstützt seit Version 8 die Interoperabilität zu Microsoft. Technisch basiert dies auf der beidseitigen Unterstützung des Standards H.264 SVC.

Die großen Hersteller öffnen sich zunehmend für eine einfachere Anbindung externer Lösungen.
Foto: Computacenter

Content Sharing: Die großen Anbieter öffnen sich stärker

Die eigentliche Videokonferenz ist aber nur eine Seite der Medaille. Als ebenso relevant gilt inzwischen das Thema Content Sharing, also die Einbindung und gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten während der Videokonferenz. Sowohl die Raumsysteme als auch die Collaboration-Clients bieten entsprechende Funktionen. Auch hier ist eine Verknüpfung sinnvoll, wenn auch etwas komplexer als die reine Video-/Audio-Verbindung.

Vergleichsweise einfach gestaltet sie sich zwischen den Systemen von Polycom und Cisco, da beide Hersteller das in RFC 4582 beschriebene Binary Floor Control Protocol (BFCP) für den Austausch von Content innerhalb einer Videosession unterstützen. Die Integration von Microsoft-Technologien erfordert dagegen eine Erweiterung der Architektur um ein entsprechendes Gateway, da der Hersteller ausschließlich das proprietäre Remote-Desktop-Protokoll (RDP) einsetzt. Polycom bietet hierfür eine Content-Sharing-Suite als Modul an, um so eine bidirektionale Nutzung der Dokumentenfreigabe zu ermöglichen.

Cisco unterstützt RDP derzeit noch nicht, hat aber bereits angekündigt, den Austausch von Inhalten mit Microsoft-Lösungen zukünftig zu ermöglichen. Microsoft selbst hat bereits auf der Lync Conference 2014 einen Video Interoperability Server (VIS) angekündigt, der mit Cisco-Raumsystemen funktioniert. Man kann also davon ausgehen, dass in zukünftigen Versionen der Hersteller die Interoperabilität ermöglicht und weiter verbessert wird. Ob dies auch auf den Lync-Nachfolger Skype for Business zutrifft, gilt es abzuwarten, da noch keine technischen Details zum Thema Interoperabilität bekannt sind.

Flüssige Übertragung gewährleisten

Eine noch größere Herausforderung als die rein technische Verknüpfung der Systeme stellt meist die Gewährleistung einer hohen Qualität und einer einfachen Bedienung dar. Zum Beispiel müssen die verschiedenen Videokonferenzlösungen an die aktuellen Bedingungen angepasst werden, um aus vorhandener Bandbreite, Rechnerperformance, Qualität der Kamera und Lichtverhältnissen eine flüssige Übertragung zu realisieren.

In der Regel steigt der Aufwand, je mehr Systeme und Clients genutzt werden, je mehr Niederlassungen in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten in die Struktur einzubinden sind und je mehr Funktionen gewünscht werden. Zudem hängt er davon ab, welche Ausgangssysteme ein Unternehmen einsetzt und wie flexibel die Netzwerkinfrastruktur ist. Weitere Punkte sind die bestehenden Netz- und Übertragungskapazitäten sowie die gewünschte Skalierbarkeit. Schließlich sind Videodaten sehr viel größer und zeitkritischer beim Datentransfer als zum Beispiel E-Mail-Anhänge oder Chats.

Neue Möglichkeiten durch neue Geräteklassen, H.265 und WebRTC

Die technologische Entwicklung bleibt natürlich nicht stehen. So hat zum Beispiel Cisco vor kurzem die Android-basierten Desktop-Collaboration-Lösungen Cisco DX70 und Cisco DX80 vorgestellt, die per Touchscreen HD-Video, High-End-Audio, Webkonferenzen, integrierte Business-Anwendungen und Internet-Browser bieten.

Außerdem reduziert der neue Videokompressionsstandard H.265 die benötigte Bandbreite um 50 Prozent. Und der offene Standard WebRTC ermöglicht Echtzeitkommunikation innerhalb eines Webbrowsers ohne weitere Client-Software. Entsprechend ist es denkbar, dass in Zukunft der normale Webbrowser die Basis für Videokonferenzen mit 4K-Video- und HD-Audio-Qualität in Echtzeit inklusive Content Sharing bildet. Damit wäre Interoperabilität kein Problem mehr, doch bis dahin werden noch ein paar Jahre vergehen. (mb)