Zehn Schritte zum wasserdichten IT-Service-Vertrag

Vertrauen braucht klare Regeln

02.12.2004 von Dr. Wolfgang
IT-Dienstleistungen sind Vertrauenssache. Schließlich begibt sich der Auftraggeber hier immer in eine mehr oder weniger große Anhängigkeit von seinem Lieferanten. Umso wichtiger ist die solide Basis der Zusammenarbeit: der IT-Service-Vertrag.

UM DAS VERHÄLTNIS von Auftraggeber und Dienstleister auf eine solide Basis zu stellen, muss der IT-Service-Vertrag möglichst alle potenziell strittigen Punkte abdecken. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Vertrag um einen „simplen“ Hardware-Wartungsvertrag oder um einen komplexen Outsourcing- Vertrag handelt, der die Auslagerung einer ganzen IT-Abteilung oder gar eines kompletten Prozesses („Business Process Outsourcing“) wie etwa des Personal- oder Beschaffungswesens, der Logistik oder des Kreditkarten- Processing regelt.

1. Vertragsparteien und Präambel

Zunächst ist zwingend, dass die Vertragsparteien vollständig, mit Rechtsform-Zusatz und vollständiger Adresse, eindeutig identifiziert werden, damit sich nicht eine der Parteien der von ihr übernommenen Vertragspflichten entziehen kann. Daneben sollte jeder IT-Service-Vertrag eine Präambel enthalten, die den Vertragszweck sowie die wesentlichen Erwartungen der Parteien dokumentiert. Eine solche Charakterisierung kann die Vertragsgrundlage darstellen, die bei eventuellen Unklarheiten oder Unvollständigkeiten des Vertrages als Auslegungshilfe dienen kann. Wenn die Vertragsgrundlage wegfällt, kann dies Vertragsanpassungen oder gar Rücktrittsrechte auslösen. Daher ist es sinnvoll, bereits in der Präambel eines Vertrages die Zielvorstellungen der Beteiligten zu definieren, die dann als Leitlinie für die Gestaltung der Vertragsbeziehung zur Verfügung stehen.

2. Leistungspflichten des Auftragnehmers

Im nächsten Schritt ist es unabdingbar, den Vertragsgegenstand genau zu bezeichnen. Um unnötige Kosten und rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden, ist eine möglichst detaillierte Beschreibung der zu erbringenden Dienstleistungen erforderlich. Hierbei ist zu beachten, dass Art und Umfang der einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten rahmenhaft dargestellt werden. Üblicherweise wird dem Vertrag ein separates Leistungsverzeichnis (auch: „Leistungsschein“) beigefügt, das im Laufe der Zeit auch neuen Entwicklungen angepasst werden kann, ohne dass es einer Vertragsrevision insgesamt bedarf. Bei komplexeren Vertragswerken - insbesondere auch Outsourcing-Verträgen - werden diese Leistungen typischerweise im Rahmen eigenständiger SLAs geregelt (siehe Kasten). Weiterhin sind der Ort der Vertragserfüllung sowie Fälligkeitstermine und Arbeitszeiten des Dienstleisters genau zu erfassen.

3. Vergütung

Gleiche Sorgfalt ist bei der eindeutigen Festlegung der Vergütung des Dienstleisters aufzuwenden. Auch hier werden eventuelle Einzelentgelte - wenn nicht die Preislisten des Anbieters maßgeblich sein sollen - am sinnvollsten in Anhängen oder in den SLAs bestimmt, in denen auch die Einzelleistungen aufgelistet sind. Allgemeine Regelungen zu Zahlungszielen und Zahlungsart werden typischerweise im Vertrag selbst vereinbart. Das gilt auch für die Frage der nicht zu vernachlässigenden umsatzsteuerlichen Behandlung.

4. Beistellpflichten des Auftraggebers

Eine präzise Auflistung der Beistell- und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers legt fest, welche sachlichen Mittel (PCs, Strom- und Datenzugang, Räume), Mitarbeiter und Informationen dieser dem Dienstleister zur Verfügung zu stellen hat. Wo diese Klarheit fehlt, wird beim Abdriften oder Fehlschlagen des Projekts der Dienstleister eine angeblich oder tatsächlich fehlende Mitwirkungshandlung seines Kunden gerne als Ausflucht benutzen. Allerdings sollte sich der Kunde bewusst sein, dass bei Verletzung derartiger ergänzender Vertragspflichten Kündigungsrechte wie auch Schadensersatzansprüche seitens des Dienstleisters die Folge sein können.

5. Gewährleistung

Prinzipiell verpflichtet sich der Auftragnehmer bei einem Dienstvertrag nur zur Erbringung von Diensten, während bei einem Werkvertrag der Werkunternehmer ein Werk, also ein Ergebnis, schuldet. Das bedeutet für den Auftraggeber: Seine Rechte bei Nicht- oder Schlechtleistung bestimmen sich ausschließlich nach den Regelungen des BGB. Hier stehen vornehmlich die Rechte auf Erfüllung, Schadensersatz und/ oder Rücktritt zur Verfügung. Bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches muss der Auftraggeber insoweit einen konkreten Schaden nachweisen. Um Voraussetzungen und Folgen dieser Rechte für beide Parteien klar zu gestalten, sind die qualitativen Standards und die Sanktionsregelungen für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung konkret festzulegen. Auch hierfür eignen sich Service Level Agreements.

6. Haftung

Gerade im Bereich von Haftungsfragen ist besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, ob es sich bei dem Vertragswerk - aber auch bei einzelnen Klauseln wie eben Haftungsklauseln - um Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) oder um individuell ausgehandelte Verträge/ Vertragsklauseln handelt. In AGB kann die Haftung, im Gegensatz zu verhandelten Verträgen, lediglich teilweise ausgeschlossen werden. Die von den AGB-Haftungsklauseln erfassten Ansprüche sowie die Haftungsbeschränkungen müssen deshalb exakt und verständlich dargestellt sein; die Haftung bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten darf nicht ausgeschlossen werden, und pauschale Haftungsbeschränkungen sind unzulässig. Eine Haftung wegen vorsätzlichen Handelns ist übrigens auch bei verhandelten Verträgen zwingend.

7. Vertraulichkeit und Datenschutz

Jeder Vertrag, dessen Abwicklung die Offenlegung sensibler Daten oder gar von Geschäftsgeheimnissen mit sich bringt, sollte eine Vertraulichkeitsklausel enthalten. Hierbei ist festzulegen,

Darüber hinaus ist zu regeln, dass und wie die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, um Untersuchungen und empfindliche Bußgelder zu vermeiden.

8. Vertragsdauer und Kündigungsrechte

Falls ein Dienstleistungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird, ist von den Gerichten anerkannt, dass auch ein solcher Vertrag mit einer angemessenen Vorlaufzeit gekündigt werden kann. Die Kündigungsfrist hängt hierbei von der Art und der Bedeutung des Vertrages für die Parteien ab. Bei entsprechendem Gewicht des Vertrages kann die Kündigungsfrist durchaus ein oder mehrere Jahre betragen. Üblicherweise werden IT-Service-Verträge, wenn sie nicht überhaupt nur für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen sind, eine Kündigungsfrist von X Wochen oder Jahren vorsehen. Im Übrigen ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Vertrag immer kündbar, auch wenn dies nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart ist. Wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt, können die Vertragsparteien im Vertrag festlegen.

9. Exit-Management

Falls der IT-Service- Vertrag nicht ein einzelnes, in sich abgeschlossenes Projekt darstellt, sollte auch der ordnungsgemäße Übergang nach Beendigung des Vertrages („Exit Management“) geregelt werden. Hierbei kann es sich um eine Rückübernahme der entsprechenden Tätigkeiten oder Funktion durch den Auftraggeber handeln. Ein vorausschauender Auftraggeber ist jedoch gut beraten, die Grundlagen für einen Wechsel des Dienstleisters zu schaffen. Eine solche Weiterübertragung mag auf mangelnder Zufriedenheit mit den bislang erbrachten Leistungen beruhen, sie kann jedoch auch durch Kostenüberlegungen motiviert sein. Auch in diesem Falle ist ein ordnungsgemäßes Exit-Management auf Seiten des Dienstleisters geboten. Eventuelle Kosten in diesem Bereich sollten ebenfalls festgeschrieben werden.

10. Anwendbares Recht und Streitbeilegung

Spätestens dann, wenn eine der Parteien ihren Sitz im Ausland hat, sollte niemals auf eine Rechtswahl- Klausel verzichtet werden. Typischerweise wird die jeweilige Vertragspartei - auch wenn dies keine unmittelbare rechtliche Besserstellung zur Folge haben mag - ihr jeweils eigenes Recht vereinbaren wollen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, dasjenige Recht zu wählen, in dessen rechtlichem Umfeld die Leistungserbringung stattfindet, schon allein im Hinblick auf gewisse zwingende lokale Bestimmungen wie das Arbeits-, Datenund Arbeitsschutzrecht, aber auch kartellrechtliche Vorgaben.

Darüber hinaus ist es wichtig, den maßgeblichen Streitmechanismus festzulegen. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien während oder nach der Durchführung des Vertrages stehen neben dem staatlichen Gerichtsverfahren alternative Streitbeilegungsmechanismen wie das Schiedsverfahren oder das Mediationsverfahren zur Verfügung. Sie bieten gegenüber den Verfahren vor den staatlichen Gerichten bei IT-(Groß-)- Projekten zahlreiche Vorteile. Genannt seien hier insbesondere eine schnellere Verfahrenserledigung, ein höheres Maß an Vertraulichkeit, teilweise geringere Kosten und eine hohe IT-technische Kompetenz der Verhandlungsleiter/Schiedsrichter. Die Durchführung dieser Verfahren muss von den Parteien vertraglich vereinbart werden und erfolgt vor privaten Ad-hoc-Gremien oder institutionellen Stellen wie der Hamburger Schlichtungsstelle für IT (http://www.hk24.de/it-schlichtungsstelle), der Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement (www.gwmk.de) oder der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik (www.dgri.de).