Verträge verlängern: Wo die Fallen liegen

01.01.2006 von Bernd  Schäfer
Die Ausgangslage ist für den Outsourcing-Kunden meist schlechter als bei der ursprünglichen Unterzeichnung.

Während sich das Thema Outsourcing in Deutschland weiter etabliert, sehen sich viele Kunden bereits der nächsten Herausforderung gegenüber: der Vertragsverlängerung mit ihrem derzeitigen Service-Provider. Grundsätzlich gelten für die Verhandlungen zwar ähnliche Regeln wie für Neuabschlüsse. Die Bedingungen können sich seit der Unterzeichnung jedoch stark verändert haben.

Hier lesen Sie...

  • warum bei Vertragsverlängerungen meist andere Bedingungen gelten als bei einem Neuabschluss;

  • warum die Erneuerung eines Servicevertrags von langer Hand vorbereitet werden sollte;

  • und was der Kunde sonst noch tun kann, um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.

Gemessen am Vertragswert wurden 2005 ein Fünftel der bestehenden Verträge verlängert, nachverhandelt oder regionalen/inhaltlichen Veränderungen angepasst. Bei den so genannten Mega-Deals (Verträge mit einem Wert ab 800 Millionen Euro) lag der Anteil sogar bei 38 Prozent.

Vor allem bei den Preisen erleben die Kunden zum Teil böse Überraschungen. Preissteigerungen von 50 Prozent sind keine Seltenheit, auch bei Geschäftsbeziehungen, die - zumindest bis dahin - als sehr gut galten. Ein gutes Verhältnis zum Kunden ist für den Dienstleister jedoch kein Grund, das bestehende Preisniveau aufrechtzuerhalten. Beim Outsourcing handelt es sich um ein noch recht junges Geschäft. Viele Vereinbarungen wurden unterzeichnet, bevor sich die Provider einen Überblick über ihre eigenen Kosten verschaffen konnten. Inzwischen hat sich ein Teil dieser Verträge als unprofitabel oder nur geringfügig rentabel für die Anbieter herausgestellt. Auch wenn solche Verluste in der Regel einkalkuliert waren - als Investition, um in das Geschäft einzusteigen und um das Wohlwollen der Kunden zu gewinnen: Kein Service-Provider wird einer Vertragsverlängerung zustimmen, mit der er auch in Zukunft Geld verliert.

Da sich die Anbieter mittlerweile über die Kosten ihrer Leistungen im Klaren sind und sich nicht mehr auf unrentable Deals einlassen, befindet sich der Kunde bei Vertragsverlängerungen in einer schwächeren Verhandlungsposition als bei Neuabschlüssen. Für den von den Unterzeichnungsgesprächen meist verwöhnten Kunden bedeutet das nicht nur eine enorme Umstellung. Er muss sich auch besser vorbereiten, um die Kontrolle über die Verhandlungen nicht zu verlieren. Vor allem sollte er möglichst früh mit den Gesprächen beginnen. Nur dann bleibt ihm genug Zeit, um zu alternativen Optionen - etwa der Vergabe an einen anderen Anbieter - zu greifen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Zeit zwischen dem Ablauf des ursprünglichen Vertrags und dem Beginn der neuen Verhandlungen liegt, desto besser ist die Ausgangslage für den Kunden.

Verhandlungen früh beginnen

Wichtig ist zunächst, den Zeitraum der Verhandlungen zu definieren. Basis hierfür ist das Datum, an dem der bestehende Vertrag mit dem aktuellen Service-Provider endet. Auch Vereinbarungen, die sich von selbst verlängern, beinhalten zumeist einen Zeitpunkt, ab dem die Preisliste nicht mehr gültig ist. Von diesem Datum sollte der Kunde zurückrechnen, und zwar um die Zeitspanne, die notwendig wäre, um die Arbeit gegebenenfalls an einen anderen Anbieter zu übergeben. Zusätzlich muss die Zeit, die für die Auswahl eines anderen Service-Providers nötig wäre, abgezogen werden. Daraus ergibt sich eine Art "Nullpunkt", an dem der Kunde entscheidet, ob eine Vertragsverlängerung mit dem gegenwärtigen Dienstleister möglich ist.

Als nächsten Schritt sollte der Anwender klären, wann der Prozess der Vertragsverlängerung beginnen muss. Hier empfiehlt es sich, vom "Nullpunkt" aus für die Verhandlungen drei Monate zurückzurechnen.

Kündigungsfristen beachten

Selbst wenn die Gespräche nicht zum Abschluss kommen, sollte der Kunde in diesem Zeitraum feststellen können, ob er akzeptable Konditionen erreichen kann. Auch ein Überblick über die Kündigungsfristen ist ratsam. Zwar liegen Nullpunkt und Verhandlungsbeginn mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Kündigung ausgesprochen werden müsste. Manche Verträge verlängern sich jedoch automatisch, wenn man sie nicht rechtzeitig kündigt.

Ein weiterer Grund, eine Vertragsverlängerung frühzeitig in Angriff zu nehmen, besteht darin, dass dem Kunden dann genug Zeit bleibt, um die gegenwärtige Situation des Service-Providers zu analysieren. Denn der Outsourcing-Markt wandelt sich ständig. Nicht nur die Anforderungen in Bezug auf Haftungsgrenzen und Produktivitätserwartungen, sondern auch die Preise ändern sich und laufen allmählich auf einen regelrechten Preiskampf hinaus.

Wichtige Tipps für Neuverhandlungen

  • Beginnen Sie frühzeitig mit den Gesprächen über eine Vertragsverlängerung.

  • Schätzen Sie Ihre Verhandlungsposition realistisch ein.

  • Seien Sie auf Überraschungen gefasst.

  • Informieren Sie sich über die aktuellen Marktpreise.

  • Entwerfen Sie eine detaillierte Leistungsbeschreibung.

  • Verlangen Sie ein schriftliches Angebot über die Vertragsverlängerung.

Marktkenntnisse von Vorteil

Durch eine fundierte Bewertung im Hinblick auf die sich entwickelnden Marktpreise und die geltenden Qualitätsstandards lassen sich böse Überraschungen meist von vornherein ausschließen. Darüber hinaus stärken gute Marktkenntnisse die Position des Kunden in den Verhandlungen. Wenn er abschätzen kann, ob die Preise seines Providers marktkonform sind oder ob sie noch Luft enthalten, kann er diese Information zu seinem Vorteil in die Verhandlungen einbringen.

Wenn der Kunde alle wichtigen Benchmarking-Daten besitzt und hinreichend Zeit veranschlagt hat, können die Verhandlungen beginnen. Ausgangsbasis sollte eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Leistungen sein. Damit wird geklärt, welche Services im Grundpreis enthalten und welche als zusätzliche Leistungen anzusehen sind. Auch einvernehmliche Performance-Erwartungen und vom Kunden gewünschte Produktivitätssteigerungen lassen sich in diesem Dokument festschreiben.

Schriftliches Angebot verlangen

Nach Vorlage der Leistungsbeschreibung macht der Provider dem Kunden ein Preisangebot für die Vertragsverlängerung. Dieses sollte auf jeden Fall in schriftlicher Form vorliegen. Die meisten Outsourcing-Anbieter sind in den vergangenen Jahren gewachsen und haben komplexere Strukturen entwickelt. Dadurch sind die Ansprechpartner des Kunden üblicherweise nicht gleichzeitig für Finanzanalysen und Vertragsabschlüsse zuständig. Ein schriftliches Angebot stellt sicher, dass alle einschlägigen Abteilungen des Service-Providers beteiligt sind. Darüber hinaus sollte sich das Angebot auf die Leistungsbeschreibung beziehen und die aktuellen Zahlen und Transaktionsvolumina berücksichtigen.

Angebot nachverhandeln

Ist der Kunde mit dem vorliegenden Angebot nicht einverstanden, sollte er zunächst versuchen, bessere Bedingungen auszuhandeln. Findet sich auf diesem Weg keine zufrieden stellende Lösung, muss er den Auftrag neu ausschreiben, um einen gewissen Wettbewerbsdruck auszuüben und eine stärkere Verhandlungsposition zu erlangen. Zu diesem Mittel sollte der Kunde jedoch nur greifen, wenn er auch tatsächlich bereit ist, den Auftrag anderweitig zu vergeben. Denn der Service-Provider wird sein Angebot nicht abändern, wenn sich der Auftrag für ihn nicht mehr rentiert.

Die große Herausforderung bei einer Vertragsverlängerung besteht darin, sich nicht "überfahren" zu lassen. Berücksichtigt der Kunde die genannten Empfehlungen, sollte es ihm jedoch möglich sein, mit dem Service-Provider eine faire Vereinbarung über eine Vertragsverlängerung zu erzielen und gleichzeitig das Risiko unvorhergesehener Probleme zu verringern.