Verquarkungsspiel läuft nicht mehr

27.12.1991

Die Unix System Laboratories Inc. (USL) hat heuer 1,2 Millionen Unix-Lizenzen verkauft, 35 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Das immerhin kann die DV-Industrie auf der Haben-Seite verbuchen. Viel mehr steht freilich nicht auf dem GuV-Konto. Oder hat etwa die Zahl der Mainframe-Installationen zugenommen? Nicht, daß wir wüßten. So ist es zumindest buchhalterisch korrekt, mit Blick auf den USL-Saldo von einem "Added value" zu sprechen.

Zwar schwappt die Unix-Welle noch nicht auf das Boxengeschäft über, und auch im Bereich der kommerziellen Anwendungssoftware hat sich bisher nicht allzuviel getan, aber einen stabilen Trend markiert das USL-Ergebnis allemal. Nicht zuletzt geht es hier weniger um Schuldzuweisungen, wer uns etwa die proprietäre Suppe eingebrockt hat, sondern um Perspektiven für die Anwender.

Welcher Trend ist denn nun gemeint, welche Konzepte sind auf dem Prüfstand? Auf einen kurzen Nenner gebracht: solche, die sich eignen, Informationstechnik den betrieblichen Erfordernissen anzupassen - offene Systeme, Downsizing, Client-Server-Architekturen. Klar ist, welches System beinahe alles zu verlieren hat: die Mainframe-orientierte, planwirtschaftliche Zentral-DV - fragwürdig geworden aus vielen Gründen, die Anwender spüren es nicht nur am Portemonnaie.

Ein DV-Problem von heute heißt Altlasten: Mainframe-Anwendungen, die in den 70er Jahren entwickelt wurden, genügen nicht mehr den Anforderungen. Mit einer Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-naß-Politik den Bruch vermeiden zu wollen, damit ist nichts gewonnen. Andererseits löst Unix das Migrationsproblem nicht. So oder so, die Anwender müssen Farbe bekennen. Für viele ist die Entscheidung klar: offene Schnittstellen, die anerkannten Standards entsprechen. Das sagt nicht dasselbe wie "Unix gleich Offenheit", im Ergebnis aber ist freie Auswahl und Herstellerunabhängigkeit erwünscht, kurz: mehr Markt.

Im PC-Segment wurde dieser Zustand erreicht, weil die Benutzer mit ihren Kaufentscheidungen indirekt auf die Industrie eingewirkt haben - unvorstellbar, daß die Frage nach dem r i c h t i g e n Betriebssystem - keine Frage von gut oder schlecht übrigens - jahrelang unbeantwortet geblieben wäre. Die Interessenten hätten das Versteckspiel boykottiert.

Ein bißchen von dieser Käufermentalität sollten sich die DV-Organisatoren aneignen, die immer noch geduldig mitansehen, wie diverse Herstellergruppen das Thema Standards breittreten, ohne daß etwas herauskommt - oder eben gerade soviel, daß sich für die Anbieter proprietärer Systeme nichts ändert. Aber dieses Verquarkungsspiel, so das Fazit, läuft nicht mehr. Der Markt läßt sich nicht dressieren.