Wenn der Auftrag platzt

Vermittler dürfen Risiko nicht auf Freiberufler abwälzen

16.06.2010
In ihren Verträgen gestehen Vermittlungsagenturen Freiberuflern oft keine Entschädigung zu, falls sich der Projektbeginn verzögert oder das Projekt abgesagt wird. Das Landgericht Frankfurt hat dieser Praxis in einem Fall einen Riegel vorgeschoben.

Wenn IT-Beratungs- oder Dienstleistungsfirmen freiberufliche IT-Spezialisten an Endkunden vermitteln, wälzen sie die wirtschaftlichen Risiken des tatsächlichen Zustandekommens eines Projekts oft auf die offiziell selbständigen Auftragnehmer ab. Diese verpflichten sich vertraglich verbindlich, ihre Arbeitskraft an einem bestimmten Leistungsort zu einer konkreten Zeit für das Projekt eines Endkunden zu erbringen. Verzögert sich der Beginn des Projekts oder wird dieses aus anderen Gründen nicht durchgeführt, sehen die Rahmenverträge der Vermittlungsfirmen zumeist vor, dass der IT-Freiberufler keinerlei Anspruch auf eine Vergütung oder Entschädigung hat.

Praxis des Vermittlers verstößt gegen Zivilrecht

Wie Rechtsanwältin Ina Becker aus Hamburg erläutert, ist dies jedoch in der Regel nicht mit geltendem Zivilrecht zu vereinbaren. So könne es nicht ausschließlich in das Belieben des Vermittlers gestellt sein, ob er den Vertragspartner für das verbindliche Bereitstellen seiner qualifizierten Dienste bei Wegfallen eines eigenen Auftrags bezahlt oder nicht. Das Risiko einer Nichtbeschäftigung und vergeblicher Aufwendungen des Auftragnehmers, die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss entstehen, dürfe nicht einseitig und in unzumutbarer Weise auf den Auftragnehmer abgewälzt werden.

Für einen freiberuflichen IT-Experten hat die Kanzlei Dr. Ina Becker kürzlich einen Vergleich vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-12 O 374/09) abgeschlossen: Bei dem Fall sollte der Kläger im Rahmen eines vermittelten IT-Projekts bei einer Bank eingesetzt werden. Um dies vertragsgerecht an dem von der beklagten Vermittlungsfirma bestimmten Ort tun zu können, mietete der Kläger eine Wohnung und lehnte Projektangebote anderer Firmen ab. Kurz vor Tätigkeitsbeginn teilte die Beklagte dem Kläger lediglich mit, sein Einsatz verzögere sich noch. Später sagte sie dem Kläger ohne Angabe triftiger Gründe ganz ab.

Ist der Freiberufler arbeitnehmerähnlich?

Nachdem es zu keiner außergerichtlichen Einigung über den Ersatz des beim IT-Experten entstandenen Schadens durch die Vermittlungsfirma gekommen war, wurde Klage beim Landgericht Frankfurt am Main erhoben. Das Gericht wies in der Güteverhandlung darauf hin, dass der Kläger wegen seiner möglichen Weisungsgebundenheit bei der ursprünglich geplanten Durchführung des Projekts als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger angesehen werden könne. Aufgrund des erzielten Vergleichs zwischen der beklagten Vermittlungsfirma und IT-Spezialisten bekam letzterer nicht nur Schadensersatz für erlittenen Verdienstausfall, sondern auch seine vergeblichen Aufwendungen für die angemietete Wohnung ersetzt.

Für IT-Freiberufler empfiehlt es sich vor diesem Hintergrund stets, bei Nichtzustandekommen von Projekten die vertraglichen Regelungen und Schadensersatzansprüche durch einen Rechtsexperten überprüfen zu lassen.

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