Verlust höher als erwartet

Verlust höher als erwartet Baan setzt auf Mittelstandsgeschäft

05.03.1999
MÜNCHEN (gfh) - Angesichts eines dramatisch schlechten Abschlusses des Geschäftsjahres 1998/99 sucht Baan nach Möglichkeiten, die aus dem Ruder gelaufenen Kosten weiter zu senken. Das Mittel der Massenentlassungen ist jedoch schon ausgeschöpft.

Mit einem Verlust von netto 295 Millionen Dollar im vierten Quartal des Geschäftsjahres 1998/99 ist das Ergebnis um 45 Millionen Dollar schlimmer als vorausgesagt. Auf die gesamte Periode gerechnet, hat der Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software bei einem Umsatz von 736 Millionen Dollar einen Verlust von 315 Millionen Dollar gemacht.

Nachdem zur Beruhigung der Aktionäre und zur Verbesserung des Geschäftergebnisses bereits 1250 Mitarbeiter, das waren 20 Prozent der Belegschaft, gehen mußten, soll nun ein weiterer Aderlaß vermieden werden. Daher hat Baan-Präsidentin Mary Coleman zum Beispiel angeordnet, daß die Mitarbeiter Reisen zu anderen Baan- Niederlassungen zugunsten von Telefon- oder Videokonferenzen streichen sollen.

Dennoch wird sich das Ziel, 15 Millionen Dollar einzusparen, nicht ohne Personalabbau erreichen lassen. So sollen außer in strategisch wichtigen Bereichen wie Vertrieb und Support freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt werden. Selbst die Entwicklungsabteilung soll von diesem Einstellungsstop betroffen sein.

"Die Einzelteile sind mehr wert als das Ganze", deutet ein Chefanalyst der Bostoner AMR Research Verdienstmöglichkeiten durch den Verkauf florierender Bereiche an. Dazu gehört die Aurum-Unit, die erfolgreich Front-Office-Software absetzt.

Entlassungen sind nicht geplant

"Das ist weder geplant, noch wäre es sinnvoll", wehrt Jürgen Richter, Geschäftsführer von Baan Deutschland, solche Spekulationen jedoch ab. Die von Coda und Aurum zugekauften Produkte würden gebraucht, um eine Durststrecke bis zum Jahresende zu überwinden. Diese rührt daher, daß die Anwenderunternehmen so kurz vor dem Jahr 2000 meist andere Sorgen haben als neue Standardsoftware.

Trotz des Verkaufs der auf diesen Zielmarkt spezialisierten Comet- Software hofft das Unternehmen auf gute Geschäfte mit dem Mittelstand. Von Partnern sollen Unternehmen mit weniger als 300 Millionen Mark Umsatz künftig ein bislang erfolgloses, für Branchen vorkonfiguriertes "Baan on Board" erwerben. Generell scheint Baan im Mittelstand jedoch besser positioniert zu sein als der große Konkurrent SAP. So stammt rund ein Drittel des Baan- Umsatzes aus dem Mittelstandsgeschäft.

Wichtig für einen künftigen Baan-Erfolg ist die Stärkung der Länderorganisationen. So kontrolliert Richter künftig den indirekten Vertrieb sowie den Support. Dafür wird dem deutschem Geschäftsführer mehr als bisher die Verantwortung für den Erfolg in seiner Region aufgebürdet.

Der SAP-Konkurrenz möchte Baan zudem durch die Auswahl besonders erfolgversprechender Zielmärkte ausweichen. So will man mit dem Kernprodukt Baan vor allem die Industrie beliefern, Finanzdienstleister und Telecom-Industrie werden mit den Front- und Corporate-Office-Produkten von Aurum und Coda angegangen.

Als Gründe für den dramatischen Einbruch nennt Baan vor allem das Ende des Booms der ERP-Software. Habe sich der Markt dafür von Anfang 1997 auf 1998 nahezu verdoppelt, stagniere er inzwischen. Dafür seien neben Investitionseinschränkungen aufgrund von Jahr- 2000-Projekten die Finanzkrisen in Fernost und Südamerika verantwortlich. Viele Probleme, etwa die unsoliden Buchungspraktiken und eine aufwendige Akquisitionspolitik, waren jedoch hausgemacht. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Baan sein Company Supervisory Board, eine Art Aufsichtsrat, um weitere fünf externe Mitglieder aufgestockt.