"Verkaufen Sie sich bloß nicht"

11.11.2003 von Ingrid  Weidner
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Jeder, der es schon einmal versucht hat, weiß: Bewerben ist Schwerstarbeit. Ratgeber, die weiterhelfen sollen, füllen inzwischen einige Meter Regalbretter. Gerhard Winkler hat mit "Anders bewerben" einen Titel zur langen Liste hinzugefügt, der sich von den Konkurrenten abhebt.

COMPUTERWOCHE: Bewerbungsratgeber gibt es wie Sand am Meer. Trotzdem beschweren sich Personalchefs über die Qualität der eingereichten Mappen. Weshalb fällt es den Jobsuchenden so schwer, ansprechende Unterlagen zu erstellen?

WINKLER: Viele Bewerbungen sind weder funktional noch zielgerichtet. Jobsuchende stopfen zu viele Unterlagen in ihre Mappe, wählen kaum aus und müllen die Ansprechpartner mit Infos zu. Sie sollten sich stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich: sich klar präsentieren, sich selbst positionieren und dem Gegenüber vermitteln, dass sie die richtige Person für den Job sind.

COMPUTERWOCHE: Das hört sich plausibel an. Nur: Wie können Bewerber ihre Forderungen in ansprechende Worte übersetzen?

WINKLER: Gerade Initiativ-Bewerber sind gut beraten, sich nur mit zwei Dokumenten zu präsentieren, nämlich mit Lebenslauf und Anschreiben. Unternehmen fordern meistens weitere Unterlagen an, wenn sie an der Person interessiert sind. Beim Formulieren des Anschreibens hilft die Idee, dass man sich wie mit einer Rede an jemanden wendet, allerdings ohne Einleitung. Ich empfehle, den Brief mit dem stärksten Argument zu beginnen, das für einen spricht. Ein gelungenes Bewerbungsschreiben liest sich wie eine Mischung aus Selbstdarstellung und Antwort auf die Stellenausschreibung.

COMPUTERWOCHE: Welche Form empfehlen Sie beim Lebenslauf? Inzwischen wetteifern ja die europäische, die amerikanische und die deutsche Variante um den Spitzenplatz.

Gerhard Winkler: "Beim Formulieren des Anschreibens hilft die Idee, dass man sich wie mit einer Rede an jemanden wendet."

WINKLER: Der Lebenslauf ist das zentrale Dokument einer Bewerbung. Ein übersichtliches und ansprechendes Layout ist enorm wichtig. Das Motto lautet: Kenntnisse und Fertigkeiten sollten Jobsuchende strategisch auswählen, um sich für die ausgeschriebene Stelle ins rechte Licht zu rücken. Ich empfehle, das Bewerbungsbild direkt neben dem Namen und den persönlichen Daten zu platzieren. Der Adressat kann so eine unmittelbare visuelle Verbindung herstellen. Von einem gesonderten Deckblatt halte ich nichts, da es keine Funktion erfüllt. Verfügt jemand bereits über Berufserfahrung, sollte er mit seiner jetzigen Position beginnen und seine Argumentation so aufbauen, dass er sich mit dem, was er ist und macht, für den ausgeschriebenen Job empfiehlt.

COMPUTERWOCHE: Wie lang darf ein Lebenslauf sein? Was empfehlen Sie?

WINKLER: Hier sollten Bewerber nicht geizen. Ich schlage ein großzügiges Layout vor, der Lebenslauf kann zwei oder drei Seiten umfassen. Wichtig ist der weiße Raum um die schwarzen Buchstaben, das heißt, Bewerber sollten auf die Balance zwischen Textinformationen und freier Fläche achten. Sind die Inhalte zu dicht gedrängt, erschwert das den Lesefluss. Hingegen erleichtern unterschiedliche Schriftarten für Spaltentitel und Daten den Überblick.

COMPUTERWOCHE: Welche Fehler sollten Bewerber auf jeden Fall vermeiden?

WINKLER: Als konservativer Bewerberberater empfehle ich, die Form zu wahren: also inhaltlich positiv aus dem Rahmen fallen und trotzdem die Regeln eines Geschäftsbriefes beherrschen. Der Bewerber muss wissen, wo das Adressfeld startet, wie breit der linke Seitenrand sein sollte und welche Grußformeln am Ende steht. Schließlich gehört zum Arbeitsleben auch, sich den sozialen Regeln zu unterwerfen. Der Jobsuchende beweist mit seinem Bewerbungsschreiben, dass er die Gepflogenheiten beherrscht und die üblichen Höflichkeitsformen kennt.

COMPUTERWOCHE: Berufseinsteigern macht die schwierige Arbeitsmarktlage bei der Jobsuche zu schaffen. Wie kann für Anfänger der Einstieg gelingen?

WINKLER: Die intensive Suche gehört immer dazu. Auch in guten Zeiten passt nicht jeder Bewerber zu jedem Unternehmen. Was den Berufseinsteigern vielleicht hilft, ist die Erkenntnis, dass jeder Job ein Ende hat und beide Seiten einen Vertrag auf Zeit abschließen. Bewerber müssen sich nicht mit der Firma identifizieren. Mein Tipp: Machen Sie ihr berufliches Glück nicht von den Kollegen abhängig, und schützen Sie Ihr Privatleben. Auf den Punkt gebracht heißt das: Verkaufen Sie sich bloß nicht. Sich verkaufen heißt, sich verlieren.

Zur Person

1984 war ein besonderes Jahr für Gerhard Winkler. Er musste sich bewerben. Keine leichte Aufgabe: "Das war dröge! Mich schüttelt es noch heute", erinnert er sich. Aber der Pioniergeist hat ihn anscheinend gepackt. Seit 1987 gibt er seinen Erfahrungsschatz an Bewerber weiter. Seit 1997 ist seine Website www.jova-nova.com mit zahlreichen Tipps online. Dort beantwortete der Bewerbungsprofi zunächst kostenlos die Anfragen aus aller Welt. Inzwischen bietet er einen Unterlagencheck gegen einen Unkostenbeitrag an, optimiert Anschreiben oder gibt Tipps für den Lebenslauf.

Buchtipp:

Gerhard Winkler: Anders bewerben. 100 x Rat vom Bewerbungshelfer. Smart Books, Kilchberg, 2003. 328 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 3-908492-71-8.