Forderungskatalog mit 5 Kernthemen

VDE will Stärkung des Mikroelektronik-Standorts Deutschland

10.04.2015 von Dr. Rolf  Froböse
5G Mobilfunk, Industrie 4.0 und IT-Sicherheit Made in Germany sind die Saat für künftige Innovationen in den Bereichen Mikroelektronik und Kommunikationstechnik. Zu diesem Ergebnis gelangt eine aktuelle Expertise des VDE. Vorgestellt wurde das Positionspapier anlässlich der CeBit 2015 in Hannover.
Der VDE empfiehlt, in Wissenschaft, Normung und Zertifizierung ein zukunftsweisendes Konzept zu entwickeln, um das Vorankommen des Industriestandortes Deutschland zu beflügeln.
Foto: jim - Fotolia.com

Nach Einschätzung des Verband der Elektrotechnik und Elektronik (VDE) hat Deutschland auf dem Gebiet der Mikroelektronik durchaus das Potenzial, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Zuvor müssen allerdings diverse Hausaufgaben gemacht und auch technologiepolitische Weichen gestellt werden. So ermöglicht die zuverlässige Echtzeitkommunikation auf Basis von 5G nach Ansicht des Verbands zukunftsweisende Anwendungen von Smart Grid bis zu Industrie 4.0. Deutschland könne dabei eine Vorreiterrolle übernehmen - auch dank der guten Position in IT-Security.
Allerdings würden Software und Internet stark von den USA bestimmt und Mikrochips kämen zunehmend aus Asien. Dies habe Auswirkungen auf die digitale und industrielle Souveränität. Zuverlässige und sichere Kommunikation erfordere Chips ohne "Backdoors". Dies könne aus VDE-Sicht nur durch Chip-Design und Produktion in Europa sichergestellt werden.

Der Verband empfiehlt, in Wissenschaft, Normung und Zertifizierung ein zukunftsweisendes Konzept zu entwickeln, um die Zukunft des Industriestandortes zu sichern. Über die Förderung von Mikroelektronik und IT-Sicherheit hinaus gelte es daher, den Ausbau des Breitband-Glasfasernetzes und des 5G-Mobilnetzes zu forcieren.

Status Quo: Breitbandausbau in Deutschland
LTE-Technologie
Die Mobilfunktechnik LTE (Long-Term Evolution) stellt derzeit in Deutschland Bandbreiten von bis zu 150 Mbit/s (Downlink) bereit.
Der europäische Telekommunikationsmarkt
Eine Analyse des europäischen Telekommunikationsmarktes durch die britische TK-Regulierungsbehörde Ofcom ergab, dass bei Breitband-Anschlüssen mit 30 Mbit/s und mehr Deutschland derzeit in der EU einen hinteren Platz einnimmt. Pro 100 Einwohner sind fünf Anschlüsse mit 30 Mbit/s oder mehr vorhanden.
Verteilung der mobilen Breitbandverbindungen
Nach Daten der britischen TK-Regulierungsbehörde Ofcom liegt die Zahl der mobilen Breitbandverbindungen pro 100 Einwohner in Deutschland (3G, HSPA, LTE) unter Werten in anderen EU-Ländern. Darunter sind auch Flächenstaaten wie Frankreich (FR), Italien (IT), Spanien (ES) und Großbritannien (UK) zu finden.
Verteilung der mobilen Breitbandverbindungen
Nach Daten der britischen TK-Regulierungsbehörde Ofcom liegt die Zahl der mobilen Breitbandverbindungen pro 100 Einwohner in Deutschland (3G, HSPA, LTE) unter Werten in anderen EU-Ländern. Darunter sind auch Flächenstaaten wie Frankreich (FR), Italien (IT), Spanien (ES) und Großbritannien (UK) zu finden.
Marktanteile der Breitbandanschlüsse
Nach wie vor ist die Telekom in Deutschland mit Abstand größter Anbieter von Breitbandanschlüssen, die über kabelgebundene Netze wie DSL oder TV-Kabel bereitgestellt werden.
Verteilung der Anschlüsse nach Bandbreite
Weiter Weg bis 50 Mbit/s: Nach Angaben des Telekommunikations-Verbandes VATM verfügten 2013 in Deutschland gerade einmal 1,3 Prozent der Festnetzkunden in Deutschland über einen Anschluss mit mehr als 50 Mbit/s. An die 12, 5 Prozent nutzen Anschlüsse mit 16 bis 50 Mbit/s.
Entwicklung der DSL-Technologie
Entwicklung der DSL-Technik: Derzeit ist VDSL2 Vectoring mit 100 Mbit/s die Übermittlungstechnik mit der größten Bandbreite, die über Kupferkabel angeboten wird. Die Deutsche Telekom hat in Feldversuchen bereits den VDSL2-Nachfolgestandard G.Fast getestet, der mehr als 1 GBit/s bereitstellt.
Wie Vectoring funktioniert
Bei der Übermittlung von Daten über ungeschirmte Kupferkabel treten Störungen (Übersprechen) zwischen den Kupferadern auf. Bei Vectoring werden die Störeinflüsse am Kabelende geschätzt und vom DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer) mithilfe einer speziellen Kanalcodierung kompensiert.
Kabel Deutschland Sprach- und Datendienste
Die Vodafone-Tochter Kabel Deutschland spricht mit ihren Sprach- und Datendiensten via TV-Kabelnetz gezielt Geschäftskunden an. Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) 2014 im September zeigte das Unternehmen, dass sich über das TV-Kabelnetz Datenraten von 1 GBit/s und mehr erreichen lassen.
Breitband-Anschlüsse in Deutschland
Nach Angaben der Beratungsfirma Wik-Consult zeigt sich bei der Verteilung der Breitband-Anschlüsse weiterhin eine deutliche Dominanz der Telekom (TDG, Telekom Deutschland GmbH). Ein Zuwachs ist bei der Zahl der Breitband-Anschlüsse über das Kabel-TV-Netz zu beobachten.
Zukunftsmusik
Bereits 2012 gelang es Kabel Deutschland in einem Labortest, über herkömmliche TV-Kabel Daten mit 4 GBit/s zu übertragen.
Aufbau eines Glasfasernetzes
Das Fibre to the Home Council Europe favorisiert die Verlegung von Glasfaserkabel bis zu "Distribution Points" (dp) im Keller von Gebäuden oder einzelnen Wohnungen. Das erlaubt höhere Datenraten über Kupferkabel auf den letzten Metern (Varianten 2 und 3). Telekommunikationsfirmen wie die Telekom bevorzugen dagegen Variante 1.
Bandbreiteklassen nach Technologien
Eine Studie im Auftrag der Bundesnetzagentur ergab, dass 2013 die Mehrzahl der Nutzer von LTE-Mobilfunk und Kabel-TV-Netzen eine höhere Bandbreite verwendeten als DSL-/VDSL-Kunden.
Anteile der vermarkteten Datenübertragungsrate
Nach Messungen im Auftrag der Bundesnetzagentur stellen die Service-Provider ihren Kunden in der Praxis nur in seltenen Fällen die vertraglich zugesicherte Bandbreite zur Verfügung. Als Grund werden meist technische Limitierungen wie eine unzureichende Kabelqualität genannt.
Bandbreiteklassen nach Regionen
Nicht verwunderlich ist, dass 2013 in Städten deutlich mehr Nutzer über Breitbandanschlüsse mit 25 bis 50 Mbit/s verfügten als in Vororten oder auf dem Land.
Anteile der vermarkteten Datenübertragungsrate
Das Kabel lässt sich in allen Bereichen gut vermarkten.
Technologien nach Regionen
In allen Regionen kann die DSL-Technologie punkten.
Breitbandausbau in Europa
Deutschland kann sich gut an der Spitze behaupten.
LTE-Technologie
LTE-Technologie in der Praxis.
Glasfasertechnik
Glasfasertechnologie in der Praxis.

"Zuverlässige und sichere Echtzeitkommunikation eröffnet für den Industriestandort Deutschland beachtliche Potenziale", so die Studie. Um sie zu heben und zukünftige Entwicklungstrends von Smart Grid über das Internet der Dinge bis zu Industrie 4.0 mitzubestimmen, müsse man die IKT-Innovationskette an allen Gliedern stärken - und zwar von Basistechnologien wie Mikroelektronik über ein Gesamtkonzept zur IT-Sicherheit bis hin zu massiven Investitionen in die IKT-Infrastrukturen.

Der Innovationsstandort Deutschland erzielt im internationalen Vergleich insgesamt gute Werte. Im Innovationsindikator 2014 von BDI und Telekom Stiftung liegt Deutschland mit einem Wert von 56 Zählern auf Platz 6 - wenn auch deutlich hinter den führenden Ländern Schweiz (76 Punkte) und Singapur (65 Punkte). Nach dem Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2014 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) behauptet die Digitale Wirtschaft Deutschlands im 15-Länder-Vergleich mit 47 Indexpunkten ihren guten fünften Rang hinter den USA (81 Punkte), Südkorea (54 Punkte) sowie Japan und Großbritannien (53 Punkte).

Bitkom-Umfrage zum Thema Industrie 4.0
Bitkom-Umfrage zur CeBIT
Deutsche ITK-Anbieter arbeiten mit Hochdruck an Industrie-4.0-Lösungen und setzen große Hoffnungen in den neuen Geschäftszweig, hat eine Umfrage des Bitkom ergeben. Allerdings klagt die Branche auch über noch zögerliche Anwender und mangelnde öffentliche Förderung.
Industrie und Gewerbe zentrale Kunden von ITK-Unternehmen
Industrie 4.0 birgt großes volkswirtschaftliches Potenzial
Industrie 4.0 ist bereits ein wichtiges Geschäftsfeld
6 von 10 ITK-Unternehmen arbeiten an Industrie-4.0-Lösungen
Jedes dritte Unternehmen erwartet steigende Umsätze
Mehrheit sieht deutsche Industrie international vorne
9 von 10 Betrieben halten öffentliche Förderung für zu gering

Als problematisch bezeichnen IT-Experten die Situation in der Mikroelektronik. Wie die ZVEI-Mikroelektronik-Trendanalyse bis 2018 zeigt, schrumpfen seit 2008 die Marktanteile Europas. Und beim Pro-Kopf-Verbrauch von Chips bildet Europa das Schlusslicht, neue Kapazitäten werden fast ausschließlich in Asien aufgebaut. Um Asien und Nordamerika etwas entgegenzusetzen, hat die EU die Initiative "Electronic Components and Systems für European Leadership" (ECSEL) gestartet. Mit 10 Milliarden Euro und dem Anschieben von weiteren 100 Milliarden Euro soll Europas Chipindustrie bis 2020 einen Marktanteil von 20 Prozent erreichen. Um das zu schaffen, wären EU-weit jährliche Investitionen von 25 Milliarden Dollar nötig.

Zusammenfassend fordert der VDE zur Stärkung des Mikroelektronik-Standorts Deutschland in seiner Expertise die zügige Umsetzung der folgenden fünf Kernthemen:

1. Der Mikroelektronik-Standort Deutschland beziehungsweise Europa muss im Rahmen einer strategisch angelegten EU-Innovationspolitik gestärkt werden. Nur wenn die gesamte Innovationskette vom Chip-Design bis zur Fertigung vor Ort, vom Mikrochip über Embedded Systems bis zu cyberphysischen Systemen verfügbar ist, kann Europa Zukunftstrends wie Industrie 4.0 mitbestimmen. Mit Blick auf das Thema Sicherheit ist es auch nötig, sogenannte Chip-Backdoors auszuschließen und Lösungen für eingebettete End-to-End-Security zu finden. Dabei geht es um die digitale und industrielle Souveränität.

2. Der Ausbau des Breitband-Glasfasernetzes und des 5G-Mobilnetzes muss forciert werden. Es müssen Milliardenbeträge in Funksysteme, Anbindungen, Netzsysteme und vor allem in Glasfasernetze investiert werden. Die Provider allein können diese Aufgabe nicht stemmen.

3. Die Regulierung und die Vergabeverfahren für Mobilfrequenzen müssen investitionsfreundlicher gestaltet werden. Gegenwärtig stecken europäische Provider in einer Zwickmühle zwischen Auktionen und Regulierungen. In Asien hat man die strategische Rolle von 5G verstanden und investiert Milliardenbeträge in den Aufbau von 5G-Testnetzen.

4. Die Innovationsförderung muss an allen Gliedern der Innovationskette noch weiter hochgefahren werden. Deutschlands KMU, oftmals "Hidden Champions" der Elektrotechnik, tun sich schwer, die lange Durststrecke von der innovativen Idee bis zur Marktreife zu überstehen. Sie brauchen deutlich mehr Unterstützung.

5. IT-Sicherheit Made in Germany ist ein Schlüsselfaktor für Industrie 4.0 und künftige Exporterfolge. Dazu brauchen wir ein schlüssiges Gesamtkonzept für IT-Sicherheit, mehr Forschung, die frühzeitige Einbindung von Sicherheitsfragen in die Entwicklung neuer Systeme und noch mehr technologiepolitische Unterstützung. (bw)