Smart Grid

USA versus BRD

13.12.2010 von Jimmy Lewis
Das Zukunftsthema Smart Grid wird vor allem von US-amerikanischen IT-Anbietern getrieben. Wie weit sind die USA im Vergleich zu Deutschland?

Vergleicht man die Smart-Grid-Entwicklung in den Vereinigten Staaten und in Deutschland, ist das ungefähr so, als wolle man amerikanischen Soccer mit dem deutschen Fußball vergleichen. Während die deutsche Nationalmannschaft bei acht der letzten zwölf Weltmeisterschaften einen der ersten drei Plätze belegte, hat es Team USA gerade zweimal in die Runde der letzten 16 geschafft.

Die alte Leier: Top-down vs. Bottom-up

In Sachen Energie und Umwelt führt Deutschland weltweit die Tabelle an: Ein erklecklicher Anteil der Energie stammt dort aus erneuerbaren Quellen. Ein Drittel der Landesfläche ist mit intelligenten Stromnetzen überzogen, und bei Neubauprojekten ist Smart-Grid-Technik Pflicht. Die Anstrengungen der Vereinigten Staaten hinsichtlich intelligenter Stromnetze übertreffen durchaus die Leistungen des nationalen Soccer-Teams. Die US-Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. In 36 der 50 Bundesstaaten gibt es Richtlinien zum Anteil erneuerbarer oder alternativer Energien und im Recovery and Reinvestment Act von 2009 zur Belebung der Wirtschaft sind 3,4 Milliarden Dollar für ein landesweites Smart Grid eingeplant. Das intelligente Stromnetz steht also ganz oben auf der Tagesordnung - bei nahezu jedem Versorger und jeder bundesstaatlichen Public Utilities Commission (PUC).

In der Smart-Grid-Entwicklung beider Länder spiegeln sich bisher kulturelle sowie verfahrensbedingte Unterschiede wider: Während in Deutschland und Europa ein Top-down-Modell befolgt wird, gilt in den USA eher das Bottom-up-Prinzip.

Zwei grundverschiedene Ausgangspunkte

Seit im ersten Umweltaktionsprogamm des Europäischen Rates von 1973 ehrgeizige Umweltziele gesteckt wurden, sind deutsche Verbraucher und Wähler - wie auch das übrige Europa - im Hinblick auf umweltbezogene Werte sensibilisiert. Die Grünen spielen seit vielen Jahren in der deutschen Politik eine Vorreiterrolle; die Umwelt-Aufräumarbeiten in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung waren nur einer von zahlreichen Faktoren, die umweltbezogene Themen in den Blickpunkt gerückt haben.

Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung sind somit zu Kernthemen der deutschen Politik geworden. Der Fokus der Diskussion liegt dabei auf der Umsetzung und den Vorteilen:

In den Vereinigten Staaten ist der Ausgangspunkt ein völlig anderer. Er ist breiter gefächert und vielschichtig, denn die Bundesstaaten sind hier autonom und treffen eigene Entscheidungen zu Energie und Umwelt. Die meisten Zustimmungs- oder Ablehnungsbeschlüsse und Kostenfreigaben werden innerhalb der Bundesstaaten getroffen. Jeder Versorger in den Vereinigten Staaten hat praktisch sein eigenes Smart-Grid-Programm in der Schublade, und man ist sich durchaus im Klaren darüber, dass die Wahlkreise überaus kostenbewusst sind und entsprechend abstimmen.

Wenn es darum geht, den Verbrauchern die Vorteile des intelligenten Stromnetzes zugänglich zu machen, ist Deutschland derzeit den USA etwa fünf Jahre voraus. Bei der Nutzung erneuerbarer Energien, der Verbrauchsreduzierung und dem Ausbau der Infrastruktur sind es zehn Jahre. Dagegen hinkt Europa hinterher, wenn es um Systeme zur Regelung des individuellen Stromverbrauchs geht: Hier gibt es in der Alten Welt noch nichts, während die Vereinigten Staaten maximal fünf Jahre brauchen werden, um sie zu realisieren.

Hybridlösungen sind gefragt

Wenngleich die amerikanische und die deutsche Vorgehensweise sehr unterschiedlich sind, scheinen beide Länder nunmehr vor einer ähnlichen strategischen Frage zu stehen: Wie beendet man die Hängepartie zwischen unmittelbaren Kosten und längerfristigen, dringend gewünschten Vorteilen?

Die Antwort könnte einer Hybridversion aus deutschem Fußball und amerikanischem Soccer entsprechen, was zumindest im Damenfußball Sinn geben könnte. Nennen wir es die Mannschaft-Chastain-Option. Dabei handelt es sich um ein stereotypisch sicher spielendes, technisch brillantes und taktisch geschicktes Team mit unabhängiger Geisteshaltung, beispielhaft dargestellt von Brandi Chastain, die 1999 im Frauenteam der Vereinigten Staaten spielte. Das Ergebnis wäre solide, zuverlässige Leistung mit dem zusätzlichen Anreiz, dass die Kunden in der Lage sind, Verbrauch und Kosten selbst zu managen.

So unwahrscheinlich eine solche Hybridlösung sein mag, Techniken kennen keine Grenzen. Politiker, Regulierungsbehörden und Versorger beider Länder stehen unter verstärktem Druck, die Nachfrage nach elektrischem Strom mit saubereren und kostengünstigeren Alternativen zu erfüllen. Auf diese Weise könnten Markt- und politische Kräfte die Smart-Grid-Entwicklung beschleunigen. Dies wäre der entscheidende Schritt, um die gesteckten Ziele bei Stromkosten sowie Versorgungs- und Bereitstellungs-Management in beiden Ländern zu erreichen.

Es geht zwar nicht um die Weltmeisterschaft, aber vielleicht um den Smart Grid Cup 2020. Beide Länder könnten sich qualifizieren.