Update3: SoftM kauft insolventen ERP-Anbieter Semiramis

04.12.2006
Das in München ansässige Unternehmen SoftM hat den Zuschlag für den insolventen ERP-Hersteller Semiramis erhalten. Die Insolvenzverwalter sehen die Zukunft des Softwarehauses damit gesichert.

Der ERP-Anbieter Semiramis musste unlängst Antrag auf Insolvenz stellen (siehe auch Kommentar: Warum Semiramis scheitern musste und Update: Semiramis-Pleite schockt die ERP-Branche). Nun hat SoftM im Rahmen des Insolvenzverfahrens ein Kaufgebot abgegeben, um das in Hannover und im österreichischen Kirchbichl ansässige Softwarehaus zu kaufen. Dies hat SoftM in einer Ad-hoc-Meldung bekannt gegeben. Die Gläubigerausschüsse beider Firmen haben zugestimmt. Im Zuge der Transaktion hat SoftM beschlossen, dass derzeit laufende Aktienrückkaufprogramm zu beenden.

SoftM hat mit "Greenax" wie Semiramis auch ein auf Java basierendes ERP-System im Programm, dass Kunden im Handel und in der Lebensmittelindustrie adressiert (siehe auch SoftM tunt Greenax auf den Handel). Unklar ist, ob und wie SoftM gedenkt, die ähnlichen Produktlinien zusammenzuführen. Branchenkenner vermuten, SoftM sei in erster Linie an den Semiramis-Kunden interessiert.

Nach Angaben der Insolvenz- beziehungsweise Masseverwalter der Semiramis Software GmbH aus Hannover und Semiramis Software AG aus Kirchbichl/Tirol sind die Weiterentwicklung der Software am Standort Hannover sowie die 40 Arbeitsplätze dort gesichert. SoftM wird zudem das Partnernetz von Semiramis fortführen. "Wir sind sicher, mit der SoftM Software und Beratung AG einen Investor gefunden zu haben, der für die langfristige Perspektive des Produkts Semiramis steht", teilen der Insolvenzverwalter Manuel Sack und der Masseverwalter Gernot Moser mit. Ferner sei eine Einigung in der bisher ungeklärten Frage zu Softwarerechte gefunden worden. Es war nach Beantragung der Insolvenz lange nicht klar, wer die Rechte auf den Quellcode und die Marke des ERP-Produkts besitzt.

"Wir haben alle Nutzungs-, Verwertungs- und Markenrechte übernommen", so SoftM-Vertriebsvorstand Ralf Gärtner. Dafür habe man einen einstelligen Millionenbetrag gezahlt. Wie viel zusätzlich in das Produkt fließen soll, wollte Gärtner im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE nicht sagen.

Investitionen sind jedoch erforderlich, meinen Experten. "Im Grunde sind beide Produkte nicht ausgereift und Stand heute eher Entwicklungsumgebungen, statt Lösungen", meint Eric Scherer, Eric Scherer ist Partner und Geschäftsführer des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Intelligent Systems Solutions (i2s) in Zürich. SoftM verfügt jedoch nicht über unbegrenzte Mittel, um die Software auszubauen: Der Neun-Monats-Umsatz des in München beheimateten Unternehmens belief sich Ende September auf 54,4 Millionen Euro bei einem Gewinn vor Steuern, Zinsen sowie Abschreibungen auf Sacheinlagen und immaterielle Vermögenswerte (EBITDA) von 2,7 Millionen Euro. Immerhin legte der Auftragseingang für Software um 20 Prozent auf 3,5 Millionen Euro zu.

Gärtner sah sich bisher jedoch noch nicht imstande, im Detail die künftige Produktstrategie zu erläutern. Dafür sei es noch zu früh. Das beispielsweise das Produkt Semiramis mit dem ebenfalls auf Java aufsetzenden Greenax zusammenwachsen wird, sei reine Spekulation. Zunächst will der SoftM-Vorstand mit dem Kauf die Position seines Unternehmens im Geschäft mit Java-basierender Business-Software für den Mittelstand stärken. Im Gegensatz zum eigenen Greenax, das erst im Februar dieses Jahres vorgestellt wurde, vertreibt Semiramis bereits seit drei Jahren Software. Für Gärtner ist der Zukauf ein Schnäppchen.

Welches Produkt welche Branchen abdecken soll, ist noch nicht ausgemacht, denn hier gibt es Überschneidungen. Greenax wendet sich derzeit ausschließlich an den Handel, Großhandel und die Lebensmittelbranche, Semiramis darüber hinaus unter anderem auch an Firmen mit diskreter Fertigung.

Die vor der Insolvenz anvisierte Branchenausrichtung von Semiramis "begrüßt" Gärtner. Kurz vor der Zahlungsunfähigkeit hatte das Softwarehaus angekündigt, das Produkt um Funktionen für den Großhandel sowie den technischen Großhandel zu erweitern (siehe auch Semiramis umgarnt den Großhandel). Das Release 4.3 der Software soll Gärtner zufolge wie geplant auf den Markt kommen. Ob dies auch für Release 4.4 gilt, für das unter anderem Bausteine für die Automobilindustrie vorgesehen sind, werde noch einer Prüfung unterzogen.

Fest steht schon heute, dass der Buchhaltungsbaustein für Greenax auch für Semiramis angepasst werden soll. Semiramis verfügt wie eine Reihe anderer ERP-Lösungen auch über kein eigenes Rechnungswesen, sondern stützt sich auf Partnerprodukte, etwa das von Varial. Greenax nutzt hier das Rechnungswesen der SoftM Suite aus dem gleichen Haus. Zur CeBIT 2007 soll das Java-gestützte Modul erscheinen.

Branchenexperten sind von der Übernahme nicht überzeugt. "Uns ist diese Vorgehensweise nicht erklärlich", so Karin Henkel, Analystin bei Strategy Partners. "SoftM muss hier noch eine Reihe Details präzisieren, damit man sich auch von der Dauerhaftigkeit der neuen Konstellation überzeugen kann." Beispielsweise ist für SoftM das von Semiramis favorisierte Geschäft über Partner weitgehend unbekannt.

KTW, das Unternehmen von Semiramis-Gründer und CEO Reinhold Karner, bleibt auch weiterhin Vertriebspartner für das ERP-Produkt. Dies sehe ein Kooperationsvertrag zwischen SoftM und KTW vor. Die Firma mit Sitz in Kirchbichl wird den Vertrieb in Österreich übernehmen. "Wichtig ist für uns vor allem, dass wir unseren Kunden und Interessenten nun wieder die notwendige Zukunftssicherheit bieten können. Ich bin auch sicher, dass wir mit dieser Lösung wieder jene Interessenten überzeugen können, auf Semiramis zu setzen, die ihre Kaufentscheidung aufgrund der Insolvenz verschoben haben", kommentiert Karner.

Der Semiramis-Gründer hatte über seine Firma KTW viele der bestehenden Kunden gewonnen. Allerdings weiß ERP-Experte Scherer von mehr als einer Klage oder Schlichtungsfall bei den laufenden Projekten. " Semiramis verfügt über eine hervorragende Lead-Liste. Hier ist jedoch die Frage, ob diese bei Semiramis oder bei den Partnern liegen - zuvorderst KTW." (fn)