Update: Zukunft von AOL Deutschland noch ungewiss

04.08.2006
Der amerikanische Internet-Dienstleister AOL trennt sich mit einem Strategiewechsel von bis zu 5000 Stellen, unter anderem durch den Verkauf des Online-Zugangsgeschäfts in Deutschland, Großbritannien und Frankreich.

Von den am Donnerstag der Belegschaft vorgelegten Plänen ist etwas mehr als ein Viertel der rund 19.000 AOL-Beschäftigten betroffen. In Europa könnte eine erhebliche Zahl der Mitarbeiter beim Kauf des Bereichs vom neuen Besitzer übernommen werden. AOL beschäftigt in Europa 3000 Mitarbeiter.

Die deutliche Stellenreduzierung steht im Zusammenhang mit der in dieser Woche angekündigten Umstellung auf kostenlose E-Mail und andere Dienste für AOL-Kunden, die Breitband-Zugang zum Internet haben. Dadurch will AOL mehr Online-Werbekunden gewinnen und besser mit den Hauptkonkurrenten Google, Yahoo! und MSN von Microsoft konkurrieren. Durch die geänderte AOL-Geschäftsstrategie wird erheblich weniger Personal für Marketing, Werbung, Infrastruktur und den Kundendienst benötigt.

Deutsches Access-Geschäft wird verkauft

"AOL Deutschland steht in intensiven Verhandlungen mit Käufern für das Zugangsgeschäft", sagte der Sprecher von AOL Deutschland, Jens Nordlohne, am Freitag der dpa in Hamburg. Wegen dieser Gespräche seien Diskussionen um einen Stellenabbau "eine einzige Spekulation". In Deutschland sind 1500 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg, Duisburg und Saarbrücken beschäftigt. Deutschland sei nach den USA für AOL der wichtigste Markt, ergänzte der Sprecher.

In Frankreich verhandelt AOL exklusiv mit Neuf Cegetel über das französische Zugangsgeschäft. Der Verkauf des Zugangsgeschäfts der AOL Europe mache Fortschritte und man hoffe, dass im Herbst Vereinbarungen erzielt werden könnten, hatten AOL und die Mutterfirma Time Warner, der weltgrößte Medienkonzern, bereits am Mittwoch vor Analysten mitgeteilt. Dem Vernehmen nach müssen potenzielle Käufer Mitarbeiter übernehmen.

Käufer sollen europäische Mitarbeiter mehrheitlich übernehmen

Auch die Onlineausgabe der "New York Times" vom Freitag berichtete, eine erhebliche Zahl der europäischen Mitarbeiter könnte von den Käufern behalten werden. Weitere 2000 Jobs, vor allem in den amerikanischen Service-Zentren, würden dagegen gestrichen. AOL werde im laufenden und kommenden Jahr Sonderbelastungen von 250 bis 350 Millionen Dollar in Kauf nehmen, um Abstandszahlungen zu machen, das Geschäft zu reduzieren und andere Kosten zu tragen. AOL habe seit dem Jahr 2000 bereits 4700 Stellen gestrichen.

Time-Warner-Präsident Jeff Bewkes hatte in dieser Woche vor amerikanischen Analysten erklärt, dass die neue AOL-Strategie Kosteneinsparungen von mehr als einer Milliarde Dollar bis Ende 2007 beinhalte und nicht zu einer Gewinnreduzierung in diesem Jahr führen werde.

Anhaltender Abonnentenschwund

AOL hatte in den USA zum Ende des zweiten Quartals nur noch 17,7 Millionen Nutzer oder 3,1 Millionen weniger als vor einem Jahr. AOL hatte zu seinen Glanzzeiten neun Millionen US-Kunden mehr als jetzt. Das Unternehmen leidet unter einer sich beschleunigenden Abwanderung von Nutzern hin zu anderen Anbietern mit kostenloser E-Mail sowie zu Telefon- und Kabelfernsehfirmen mit kostengünstigen Breitband-Anschlüssen. In Europa hatte AOL zum Quartalsende nur noch 5,6 Millionen Nutzer und hatte dort binnen Jahresfrist 571.000 Kunden verloren.

AOL hatte im zweiten Quartal 2006 gegenüber der entsprechenden Vorjahreszeit einen Umsatzrückgang von zwei Prozent auf zwei Milliarden Dollar verbucht. Dabei gab es wegen des Mitgliederschwunds erneut einen starken Rückgang der Abonnentengebühren um elf Prozent, während sich die Online-Werbeeinnahmen stark um 40 Prozent erhöhten. Der operative AOL-Gewinn fiel um fünf Prozent auf 328 Millionen Dollar. Dies hatte Time Warner am Mittwoch bei Vorlage seiner Geschäftsergebnisse für das zweite Quartal mitgeteilt. (dpa/tc)