Update: Telekom-Mitarbeiter zwischen Hoffen und Bangen

29.01.2007
René Obermann hat nach seinem Amtsantritt angeblich ein "erschreckendes Bild" des Carriers vorgefunden. Wer zahlt die Zeche für die aktuelle Gewinnwarnung?

Die Deutsche Telekom kommt auch unter der Führung des neuen Vorstandschefs René Obermann nicht zur Ruhe. Innerhalb weniger Monate musste die Gesellschaft erneut massiv ihre Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr senken und damit einräumen, dass sie die Probleme in Deutschland nicht in den Griff bekommen hat. Trotz der Einführung neuer Bündeltarife hält die Erosion der Kundenbasis bei der Festnetzsparte T-Com an. Im vergangenen Jahr wechselten mehr als zwei Millionen Festnetznutzer zur Konkurrenz - der Trend wird sich nach Einschätzung von Experten auch im laufenden Jahr fortsetzen.

Obermann hat seit seinem Amtsantritt Mitte November die Bilanzen und Strukturen von Europas größtem Telekomkonzern intensiv durchforstet. Geschont hat er sich nicht dabei: Bis spät in die Nacht und über die Weihnachtsferien hinweg wälzte der 43-jährige Manager Akten und sprach mit Mitarbeitern. "Das Bild, das sich ihm bot, war erschreckend", berichtet ein Eingeweihter. Zu teuer und zu weit weg von den Bedürfnissen der Kunden sei der Bonner Konzern. Am Pranger steht vor allem die Festnetzsparte T-Com, die in erster Linie für die Gewinnkorrektur verantwortlich ist.

Dass die Telekom ihre Festnetz-Kunden über Jahre hinweg vernachlässigte, macht sich in der Bilanz beziehungsweise in Form einer Gewinnwarnung bemerkbar: Der operative Profit wird mit 19 Milliarden Euro in diesem Jahr um eine Milliarde geringer ausfallen als bislang veranschlagt. Vorstandschef Obermann hatte den Schritt mit dem "harten Wettbewerb" in Deutschland begründet, der zusätzliche Investitionen nötig mache: "Das Umfeld bleibt schwierig." Mit einem besseren Service und neuen Bündelprodukten will die Telekom-Führung die Kunden vom Bleiben überzeugen. Experten sind skeptisch: "Ein verbesserter Kundenservice ist wichtig, allerdings wird dieser die Auswirkungen des Preisverfalls in 2007 kaum abmildern", sagt Martin Gutberlet von der Marktforschungsgesellschaft Gartner. Der Telekom droht also eine lange Durststrecke.

Die Anleger waren von der Nachricht geschockt: Innerhalb weniger Minuten sackte die T-Aktie am Montag um über sechs Prozent ab, womit die mühsam unter Obermanns Führung angehäuften Kursgewinne zunichte gemacht wurden. Mit dem Kurseinbruch regt sich erstmals Kritik an Obermann: Zeitpunkt und Ausmaß der Gewinnwarnung seien überraschend, sagt Andreas Mark, Fondsmanager bei Union Investment. "Die Gewinnwarnung erhöht nicht die Glaubwürdigkeit des Managements." Die Kritik an Zeitpunkt und Ausmaß der Veröffentlichung wies ein Telekom-Sprecher indes zurück: "Die neue Prognose folgt einer nüchternen und schonungslosen Bestandsaufnahme." Den Großaktionären Bund und Blackstone dürfte die Entwicklung kaum schmecken, allerdings können sie sich über eine unverändert Dividende von 0,72 Euro pro Anteil freuen.

Die Dividendenpläne stoßen bei der Belegschaft auf massive Kritik: "Die Anteilseigner sollen eine komfortable Dividende erhalten, während den Arbeitnehmern in die Tasche gegriffen werden soll. Das ist eine unfaire Methode", sagt Verdi-Vorstand Lothar Schröder. Er kritisiert erneut die Pläne des Bonner Konzerns, 45.000 Mitarbeiter in eine eigene Service-Tochter auszugliedern. Mit dem Projekt "T- Service" will die Telekom ihren Service verbessern und gleichzeitig die Kosten senken. Die Auswirkungen des Spagats müssten die Mitarbeiter ausbaden. "Dabei drohen erhebliche Einschnitte bei den Löhnen", sagt Schröder, der im Aufsichtsrat der Telekom sitzt. Einige Finanzexperten spekulieren zudem, dass die Telekom nun wieder stärker Arbeitsplätze abbauen könnte. Obermann will Ende Februar dem Aufsichtsrat seine neue Strategie vorstellen, mit der er die Telekom auf die Erfolgsspur zurückführen will. (dpa/ajf)

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