Update: SSA-Kauf macht Infor zur Nummmer drei

16.05.2006
Infor Global Solutions schluckt den Rivalen SSA Global Technologies und belegt zumindest vorerst Platz drei hinter SAP und Oracle im weltweiten ERP-Markt.

Für 1,35 Milliarden Dollar in bar schluckt der in Alpharetta, Georgia, ansässige Anbieter Infor den Konkurrenten SSA Global. Gemäß der Vereinbarung zahlt der Käufer 19,50 Dollar pro Aktie; Anteilseigner beziehen demnach ein Premium von 24 Prozent auf der Schlusskurs vom 12. Mai. Das Unternehmen war vor einem Jahr mit einem Kurs von 11 Dollar an die Börse gegangen.

Infor und SSA Global hatten in den letzten Jahren jeweils einen Business-Software-Anbieter nach dem anderen zugekauft. Es gibt noch weitere Gemeinsamkeiten: Hinter beiden stehen Investmentgesellschaften, die letztlich das Geld für die zahlreichen Akquisitionen zur Verfügung gestellt haben. Auch die Produkte sind so unterschiedlich nicht. Infor und SSA Global vermarkten Business-Lösungen für mittelständische Firmen des produzierenden Gewerbes und decken dabei unter anderem Enterprise-Resource-Planning (ERP), Customer-Relationship-Management (CRM) und Supply-Chain-Management (SCM) ab. Anders als im von SAP dominierten ERP-Geschäft mit großen Firmen gibt es im Mittelstand keinen weltweiten Marktführer. Diese Lücke möchte Infor füllen.

Hinter SSA Global stehen die Beteiligungsfirmen Cerberus Capital Management und General Atlantic Partners. Golden Gate Capital und Summit Partners sind die Investoren von Infor.

Erstaunlich ist der Merger auch deshalb, weil SSA Global bisher behauptet hatte, organisch wachsen zu können. Doch die Rechnung scheint nicht aufgegangen zu sein: "Wir haben erkannt, dass in einem sich rasch konsolidierenden Markt Größe eine wichtige Rolle spielt", kommentiert Mike Greenough, Chairman, President und CEO von SSA Global.

Auswirkungen hat der Deal auch auf Deutschland, denn nun finden sich die ehemaligen Varial-, Infor-, Brain- und die Baan-Kunden unter einem gemeinsamen Dach wieder. Welche Folgen das hat, bleibt abzuwarten. Für Baan-Anwender ist dies bereits die dritte Übernahme ihres Lieferanten. Die rund 750 deutschen Nutzer hatten sich eigenen Angaben zufolge gerade an SSA Global gewöhnt.

Infors deutscher Statthalter, Wolfgang Kobek, Vice President Field Operations von Infor Global Solutions und Vorstand der Infor Business Solutions AG, bemüht sich, die Vorteile der Transaktion herauszukehren: "SSA Global passt in unsere Produkt- und Marktstrategie." "ERP LN" (vormals Baan ERP) würde das Infor-Portfolio um die Steuerung komplexer Fertigungsabläufe ergänzen. Zudem werde sein Unternehmen mit dieser Software auch für Kunden aus dem gehobenen Mittelstand attraktiv. Eine sinnvolle Erweiterung sei ferner SSAs CRM-Linie, die im Wesentlichen auf Technik der zugekauften Firma Epiphany beruht. Kobek zufolge kommen beide Firmen gemeinsam auf 37 000 Kunden und derzeit 6800 Mitarbeiter weltweit.

Gleichwohl verhehlt der deutsche Manager nicht, dass es auch Überschneidungen gibt, etwa bei den ERP-Kernfunktionen. Es sei jedoch noch zu früh, um über künftige Produktstrategien zu spekulieren. "Das wird unsere Aufgabe in den nächsten Monaten sein." Wie andere Marktteilnehmer verfolgen die Unternehmen das Ziel, ihre Produkte in Richtung Service-orientierte Architekturen umzubauen.

Doch gerade die Produktstrategie dürfte Infor noch Kopfzerbrechen bereiten. "SSA war gerade dabei, Linie in die Baan-Produkte zu bringen", meint Karin Henkel, Analystin bei Strategy Partners. Da beide Unternehmen zahlreiche Hersteller übernommen hätten, deren Software sich zum Teil überlappe, sei es ökonomisch kaum sinnvoll, alle Produkte zu erhalten. Auch bei Infor waren alle Übernahmen - erst im Januar wurde der Asset-Management-Anbieter Datastream gekauft - noch nicht verdaut.

Wie Henkel sind auch die Analysten von AMR Research, Judy Sweeny und Nigel Montgomery, von dem Deal überrascht worden. Ähnlich wie die deutsche ERP-Expertin rechnen sie mit Skepsis bei den Kunden wegen der sich überschneidenden Softwarelinien. Einen baldigen Börsengang Infors erwarten sie nicht. Vielmehr werde der neue SSA-Eigentümer als privates Unternehmen die Produktstrategie ausarbeiten, ohne dabei unter Beobachtung von Börsenanalysten zu stehen.

Infor-Chef Jim Schaper zufolge will sein Unternehmen nach Abschluss des SSA-Kaufs eine Produktstrategie für die nächsten drei Jahre auflegen. Details dazu gebe es noch nicht, doch man wolle das SSA-Portfolio auch weiterhin pflegen, beruhigt er die Kunden.

David Bradshaw, Analyst bei Ovum, steht dem Deal insgesamt positiver gegenüber als seine Kollegen. Er vergleicht die Strategie Infors mit der des Softwarekonzerns Sage. Letztere verfüge über ein Portfolio an unterschiedlichen Produkten, die für verschiedene Märkte und Kundensegmente angeboten werden. Er rechnet daher auch nicht damit, dass Infor - so wie Oracle mit "Fusion Middleware" - eine gemeinsame Architektur für die übernommenen Business-Lösungen schaffen wird. (fn)