Update: Semiramis-Pleite schockt die ERP-Branche

30.10.2006
Nachdem ein Gesellschafter seinen Ausstieg ankündigte, blieb nur noch der Weg in die Insolvenz.
Semiramis-Gründer Reinhold Karner gibt seinem Partner Franz Koch die Schuld an der Insolvenz. Quelle: KTW

Völlig überraschend haben die Semiramis Software GmbH im Tiroler Ort Kirchbichl sowie deren Tochter Semiramis Software AG in Hannover Insolvenz angemeldet. Auf der IT-Fachmesse Systems hatte der Hersteller noch über zukünftige Entwicklungen gesprochen. Kunden, Partner und Mitarbeiter des Softwarehauses wurden teilweise während der Messe von der Nachricht kalt erwischt. Das gleichnamige Softwareprodukt Semiramis richtet sich vor allem an mittelständische Firmen aus dem Handel und der Serienfertigung. Es hat sich durch seine moderne, von Grund auf neu entwickelte Java-Umgebung einen Namen gemacht. Wieviele produktive Installationen es gibt, ist unklar. Insgesamt soll Expertenangaben zu Folge die Software etwa 170 bis 180mal verkauft worden sein. Semiramis selbst spricht von rund 250 Installationen.

Reinhold Karner, Gründer und Chef von Semiramis, sieht gute Chancen, die ERP-Lösung am Leben zu erhalten. Karners Unternehmen KTW mit Sitz in Kirchbichl, ist zu 50 Prozent an der Semiramis Software GmbH beteiligt. Seinen Angaben zufolge hält KTW nicht näher beschriebene Rechte an Quellcode und Marke, Wie weit diese Rechte reichen, werde sich in nächster Zeit klären, so der Österreicher.Die andere Hälfte der Firma hielten bislang das Beteiligungsunternehmen Risq aus Malta (fünf Prozent) sowie die Koch Stiftung des Unternehmers Franz Koch (45 Prozent).

Zur Insolvenz ist es nach Darstellung Karners gekommen, weil Koch nicht bereit gewesen sei, die "eigentlich schon vereinbarten Expansionspläne" finanziell mitzutragen. Das Partnergeschäft sollte ausgebaut und durch einen direkten Vertrieb ergänzt werden, um so auch größere Kunden als den bisher adressierten Mittelstand zu erreichen und Branchenschwerpunkte zu setzen. Im Zuge dieser Ausrichtung sollten KTW und Semiramis zusammengeführt werden. Was nun aus dem Produkt und der Firma Semiramis wird, steht vermutlich erst im Dezember fest. Sollte sich am Ende kein geeigneter Investor finden lassen, wäre KTW laut Karner in der Lage, das ERP-Produkt auch in Eigenregie weiterzuführen, allerdings könnten die anvisierten Zukunftspläne nicht ohne Unterstützung von außen in voller Breite verwirklicht werden. KTW verfüge über Supportkapazitäten und sei fähig, das Produkt weiterzuentwickeln. Zudem habe er vor, die Softwarespezialisten der Semiramis Software AG in Hannover zu übernehmen und auch den Standort zu halten. Allerdings ist KTW nicht der juristische Nachfolger der Firma Semiramis und will dies laut Karner auch nicht sein - in diesem Fall hätte das Unternehmen die Nachfolgehaftung.

"Die Zukunft von Semiramis hängt von zwei Dingen ab: Wie stark ist die KTW und lässt die rechtliche Situation überhaupt zu, dass ein Investor einsteigt", meint Helmuth Gümbel, Kenner der ERP-Szene und Managing Partner bei Strategy Partners. Dem ERP-Experten zufolge konnte das Produkt zwar so manchen Kunden überzeugen, doch der Hersteller brauche mindestens 250 gut gehende Installationen, um zu überleben. Gebremst wurden die Verkäufe in der Vergangenheit unter anderem wegen Mängeln in der Version 4.0. Sie kam Mitte 2004 auf den Markt und sollte gegenüber den Vorgänger-Releases besser für den Betrieb in Firmenverbünden geeignet sein.

Nach Ansicht Gümbels ist die Misere von Semiramis auf die schwierige Konstellation der zwei Gesellschafter zurückzuführen. Hier hätten viel früher mehr Investoren ins Boot geholt werden sollen. Ferner habe sich der Softwarehersteller zu spät dazu entschlossen, direkt zu vertreiben und damit auch größere Projekte an Land zu ziehen. Geldgeber Koch und Softwareunternehmer Karner hatten gemeinsam rund 50 Millionen Euro in die Entwicklung der Software gesteckt. Die KTW selbst investierte weitere 20 Millionen Euro. Unklar bleibt, warum genau Koch nicht mehr mitziehen wollte. Gegenüber der Tageszeitung "Tiroler Tageszeitung" sagte er: "Semiramis ist die einzige unserer Beteiligungen, die nicht erfolgreich läuft. Wir haben uns nie operativ eingemischt." Jeder Geldgeber habe das Recht, auszusteigen. Wie die Zeitung weiter schreibt, belaufen sich die Außenstände der Semiramis Software GmbH, bei der drei Personen angestellt sind, auf 8,5 Millionen Euro. Wie hoch die Verbindlichkeiten der deutschen Tochter sind, die 45 Mitarbeiter beschäftigt, ist nicht bekannt. Die erforderlichen finanziellen Mittel zur Expansion hätten sich "in einem einstelligen Millionenbereich" bewegt, sagte Karner.

Michael Kegelmann, Sprecher der Cappa Semiramis Solution Group, in der sich sieben Vertriebspartner zusammengeschlossen haben, fürchtet, dass das Neugeschäft von Semiramis zum Erliegen kommt. "Der Produktname ist verbrannt." Dass beste wäre, wenn ein großer Investor aus der Branche die Lösung übernehmen würde. Kegelmanns Wunschpartner ist die SAP. "Dann hätten die ein mittelstandstaugliches Produkt und könnten Business One einstellen. Und wir als Partner hätten einen finanzstarken Konzern im Rücken." Ob es dazu kommt, hänge natürlich davon ab, wer nun die Rechte an der Software besitzt. Mit eine schnellen Lösung rechnet der Vertriebspartner nicht. "Bis Ende des Jahres tut sich da nichts."

Vertriebspartner Kegelmann bezweifelt ferner, dass nur ein einstelliger Millionenbetrag ausreichen soll, um die erforderliche Expansion zu stemmen. Seiner Meinung nach fehlen etwa 15 Millionen Euro. "Wenn man größere Kunden gewinnen will, muss ein Produkt auch für internationale Projekte gerüstet sein." Zu den Anwendern des ERP-Programms zählt der Autopflegemittelhersteller Sonax aus Neuburg an der Donau. Frank Schubbert, ERP-Projektleiter, war zeigte sich von der Insolvenz überrascht. Der für Sonax zuständige Kundenbetreuer der KTW hatte den IT-Experten auf der Systems informiert. Erfreut ist Schubbert natürlich nicht, sieht die Situation jedoch nicht so dramatisch. Sein Unternehmen wird unbeirrt geplante Vorhaben rund um die Semiramis-Installation realisieren, sagte Schubbert. Sonax nutzt die ERP-Lösung seit Juli dieses Jahres produktiv, und zwar für Ein- und Verkauf, Produktion, Finanzbuchhaltung und zur Anbindung an den externen Logistikdienstleister. (fn)