Update: Mit Bäurer drängt Sage in den Mittelstand

13.06.2006
Mit der Übernahme von Bäurer treten die Briten stärker als bisher mit SAP, Microsoft, Oracle und Infor in den Wettbewerb. Das Unternehmen soll als eigenständige Geschäftseinheit weitergeführt werden. Auch am direkten Vertrieb will das auf den Verkauf via Partner ausgerichtete Softwarekonzern festhalten.

Von CW-Redakteur Frank Niemann

Softwarefirmen zu übernehmen ist für Sage Routine. Der Bäurer-Kauf fällt etwas aus dem Rahmen, da der deutsche ERP-Hersteller Kunden im Mittelstand adressiert, die Sage mit eigenen Produkten bisher nicht erreichte. Außerdem verstärkt das britische Softwarehaus, das sein hiesiges Geschäft von Frankfurt am Main aus betreibt, seine Marktpräsenz in Deutschland. Besonders teuer kommt Sage der Kauf nicht: 23,3 Millionen Euro zahlen die Briten, was etwa dem 2005 erzielten Jahresumsatz von Bäurer entspricht.

Bäurer aus Donaueschingen entwickelt mit "b2 Industry" Software für mittelständische Unternehmen aus der Fertigungsindustrie beziehungsweise dem Handel ("b2 Trade"). Das Produkt "b2 Wincarat" wurde für Hersteller von Kunststoffen entwickelt.

Mit dem Bäurer-Kauf legt Sage im deutschen Markt zu. Kommt auch die Übernahme von SSA Global durch Infor zustande, würde Sage mit Bäurer Platz fünf belegen. Quelle: PAC, 2006

Art und Umfang steht sie Bäurer-Software unter anderem mit den Produkten "Mysap All-in-One" von SAP sowie Microsofts "Dynamics NAV" und "Dynamics AX" in Wettbewerb. Weitere Konkurrenten auf dem deutschen Markt sind Oracle (mit "J.D. Edwards") und Infor. Letzterer Hersteller verfügt über einige in Deutschland verbreitete ERP-Lösungen ("XPPS" der ehemaligen Firma Brain und Infor.com) und hatte unlängst dem Baan-Eigentümer SSA Global ein Übernahmeangebot unterbreitet. Die bisherigen Sage-Produkte konnten es nur bedingt mit diesen Lösungen aufnehmen. Meist beliefert das Softwarehaus Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern. In Bäurers Kundenstamm finden sich Organisationen mit bis zu 1000 Angestellten. "Die Übernahme bringt uns in Deutschland einen großen Schritt nach vorne", freut sich Sage-Deutschlandchef Peter Dewald. Die Produktlinien von Bäurer ergänzen die Sage-Angebote ohne nennenswerte Überschneidungen. Zusammen bieten wir dem Mittelstand nun ein komplettes Angebot bis hin in das Segment der größeren Mittelständler."

Nicht nur die Konkurrenzsituation, sondern auch die strategische Tradition spricht dafür, dass Sage hinzugekaufte Software weitgehend bestehen lässt: Meist führt der Konzern diese Lösungen fort, wenn auch unter einem anderen Namen. Im Gegensatz zu anderen ERP-Anbietern verkauft das Unternehmen kein Standardprodukt weltweit, sondern bietet Lösungen für lokale Märkte an, nachdem dort präsente Hersteller gekauft wurden. Die in Deutschland vertriebene "Office Line" etwa ist in Großbritannien oder den USA unbekannt. Sie zählt zu den Produkten, die Sage mit dem Kauf der hiesigen Firma KHK erworben hatte. Lediglich mit "Sage CRM" legte der Softwarelieferant ein weltweit einheitliches Produkt auf. Auch hat Sage bislang keine Ambitionen, Lösungen von übernommenen Firmen auf eine gemeinsame Technikplattform zu heben, wie es beispielsweise Oracle und Microsoft tun.

"Einen Eingriff ins Produktportfolio strebt Sage in der Regel nicht an, worüber sich Bäurer-Kunden freuen dürften", kommentiert Christian Glas, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München. Zu den langjährigen Kunden von Bäurer zählen die Landmaschinenhersteller Amazonen Werke aus Hude. "Welche Auswirkungen die Übernahme hat, können wir noch nicht absehen", so IT-Leiter Clemens Rittel, der noch auf eine Stellungnahme seines Softwarelieferanten wartet. Ganz überrascht hat Rittel der Deal nicht. "Wenn Investoren an einem Hersteller beteiligt sind, muss man immer mit einer Übernahme rechnen."

Nachdem die Bäurer AG im Jahr 2002 Insolvenz anmelden musste, schaffte die Bäurer GmbH mit Rückendeckung des Investors Adastra Erste Beteiligungs GmbH aus München den Neuanfang. Im Jahr 2005 konnte der ERP-Lieferant mit 230 Mitarbeitern seinen Umsatz um 20 Prozent auf 24 Millionen Euro steigern. Das klingt zwar gut, doch diese Marke hatten die Investoren schon für das Geschäftsjahr 2003 anvisiert. Wie vor drei Jahren schon kam Bäurer 2005 über 1200 ERP-Implementierungen nicht hinaus. Möglicherweise gab die geschäftliche Situation den Ausschlag für den Verkauf an Sage. Der Investor Adastra bezeichnet den Deal dagegen als "weiteren Entwicklungsschritt für Bäurer". Und Bäurer-Chef Dietmar Reinhard nennt den neuen Eigentümer gar einen "Wunschpartner".

Für das laufende Fiskaljahr hatte sich Bäurer eine Steigerung des Geschäfts um 15 bis 20 Prozent vorgenommen. "Ob der Hersteller die Wachstumsziele unter Sage realisieren kann, ist fraglich", sagt Frank Naujoks, Analyst bei IDC in Frankfurt am Main. Es dürfte nicht ganz einfach sein, den Vertrieb zu harmonisieren: Bäurer erzielt in Deutschland mehr als 90 Prozent des Umsatzes direkt, während Sage ausschließlich über Partner vertreibt. "Hauptaufgabe des deutschen Managements wird es sein, Bäurer-Produkte richtig am Markt zu positionieren", stellt Naujoks fest. Dazu zähle aber auch, Partner zu gewinnen, die Bäurer-Lösungen an den Mann bringen können. Zur Positionierung gehört auch, die Produkte voneinander abzugrenzen. Zwar richtet sich Bäurer an größere Kunden, als Sage es tut, doch auch die Office Line enthält Fertigungsfunktionen. Zur CeBIT hatte Sage das Modul "Produktion" mit einigen Erweiterungen versehen.

"Wir werden am bisherigen Vertriebskonzept von Bäurer festhalten", so Peter Dewald gegenüber der Computerwoche. Auf Wachstumspotenziale will sich der Manager nicht festlegen, hält aber die Prognosen der Bäurer-Führung für realistisch.

Nach den Worten Dewalds wird Bäurer als eigenständige Geschäftseinheit mit dem bestehenen Management weitergeführt. Auch die Standorte bleiben erhalten.