Update: "Klaus ist fein raus" - nach BenQ-Pleite wächst Wut auf Siemens

29.09.2006
Die 3000 Beschäftigten des Handyherstellers BenQ mobile in Deutschland fühlen sich derzeit von allen im Stich gelassen.
Die Rolex von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld wurde auf dem einst offiziellen Foto später wegretuschiert.

Noch bevor der Insolvenzantrag am Freitag offiziell gestellt war, trudelten in der Zentrale Briefe ein, in denen Geschäftspartner vorsorglich die Zusammenarbeit aufkündigten. Auch die Putzfirma quittierte bereits den Dienst. Vor allem aber wächst die Wut auf den früheren Besitzer Siemens. "Denkt an Eure verstoßenen Kinder", rief Michael Leppek von der IG Metall am Freitag bei einer Demonstration vor der Siemens-Zentrale in München. Die Mitarbeiter wittern ein abgekartetes Spiel zwischen BenQ und Siemens auf ihrem Rücken. Der Sturm der Empörung trifft Siemens zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Denn vor allem Vorstandschef Klaus Kleinfeld steht derzeit ohnehin schwer unter Beschuss. Viele Demonstranten trugen Pappschilder mit der Titelseite der "Bild"-Zeitung, auf der Kleinfeld für die "frechste Gehaltserhöhung des Jahres" kritisiert wurde. Die Vorstandsbezüge sollen um im Schnitt 30 Prozent erhöht werden, während tausende von Siemens-Mitarbeitern zum Beispiel beim verlustreichen IT-Dienstleister SBS um ihren Job zittern oder Gehaltskürzungen hinnehmen. "Klaus ist fein raus - Für BenQ Siemens das Aus", stand auf einem Transparent bei der Demonstration vor der feudalen Siemens-Zentrale am Wittelsbacher Platz im Herzen Münchens.

BenQ hatte am Vortag der deutschen Tochter den Geldhahn zugedreht. Siemens verkaufte sein verlustreiches Handygeschäft vor einem Jahr an BenQ. Ein Kaufpreis wurde nicht gezahlt, vielmehr erhielten die Taiwaner noch eine Mitgift in dreistelliger Millionenhöhe. Insgesamt ließ sich Siemens die Trennung vor Steuern mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten.

Arbeitnehmer-Vertreter wittern ein abgekartetes Spiel. Siemens und BenQ hätten von vornherein die "Entsorgung der deutschen Mitarbeiter" beabsichtigt. "Offenbar handelt es sich um einen schmutzigen Trick, mit dem sich Siemens seiner Beschäftigten entledigt hat", schimpfte Harald Flassbeck, Bevollmächtiger der IG Metall. Die Beschäftigten wollen daher Schadenersatz von Siemens fordern, allerdings wohl mit wenig Chancen auf eine Auszahlung.

Siemens weist die Vorwürfe empört zurück. Kleinfeld meldete sich am Freitag erstmals persönlich zu Wort. Bei der Entscheidung für den Käufer BenQ habe die Sicherung der deutschen Standorte eine wichtige Rolle gespielt. Dass man daran geglaubt habe, zeige sich schon daran, dass man BenQ erlaubt habe, für bis zu fünf Jahre die wertvolle Marke Siemens zu benutzen. Siemens will nun "seine Rechtsposition gegenüber BenQ prüfen".

Kleinfeld wird aber für viele Arbeitnehmervertreter ein rotes Tuch bleiben. Er schlage aus kurzfristigen Renditeerwägungen ganze Konzernteile ab. Die Folgen sehe man nun im Fall der Handysparte. Daher fordern die Beschäftigten nun, eine Wiederaufnahme bei Siemens: "Wir gehören zur Siemens-Familie."

Die Zeiten der besonderen Siemens-Kultur sind aber vorbei. Früher galt Siemens als einer der sichersten Arbeitgeber in Deutschland. In den vergangenen Jahren wurden aber zehntausende Arbeitsplätze gestrichen, andere aus dem Konzern ausgegliedert. Früher hat sich Siemens mehr Zeit gelassen bei der Sanierung von Problemsparten. Angesichts des rigiden Kurses von Kleinfeld wird bereits über einen gestörtes Verhältnis zwischen dem neuen Chef und seinem Vorgänger Heinrich von Pierer spekuliert, der heute den Aufsichtsrat führt. Im Umfeld des Konzerns wird dies aber bestritten. Eins ist aber sicher: Die Nervosität am Wittelsbacher Platz wächst. (dpa/tc)