Das ergab das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm (DMF) des Bundesamts für Strahlenschutz, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die geltenden Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung seien ausreichend. Auch ein Zusammenhang zwischen der Strahlung und Kopfschmerzen oder Schlafstörungen bei Erwachsenen sei nicht beobachtet worden. Er sieht aber noch Klärungsbedarf. "Das ist vor allem bei Kindern, die sehr empfindlich sind, der Fall, und betrifft die Langzeitwirkungen bei Kindern und Erwachsenen", sagte Gabriel.
Das Bundesamt für Strahlenschutz empfahl wegen der Unsicherheiten einen "vorsichtigen Umgang mit drahtlosen Kommunikationstechniken" und eine Verringerung der Strahlenbelastung. Vor allem mit Blick auf mögliche Risiken der Handy-Nutzung von mehr als zehn Jahren gebe es noch Forschungsbedarf. Außerdem sei unklar, ob Kinder empfindlicher auf die Strahlung reagierten als Erwachsene. Es könne nicht ausgeschlossen werden, "dass es dort ein Risiko gibt, was wir bisher nicht erkannt haben", sagte Fachbereichsleiter Wolfgang Weiss. Nach Angaben der Strahlenschutzkommission sind Kinder stärker Strahlen ausgesetzt, weil sie unter anderem Handys anders halten.
Die große Studie analysiert 54 Einzeluntersuchungen, die sich seit 2002 möglichen Gefahren durch die Strahlung von Handys und schnurlosen Telefonen gewidmet hatten. Ausgangspunkt waren Hinweise auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko in der Bevölkerung und die Frage, ob die Grenzwerte ausreichen. "Es gibt eine Menge an Sorgen", sagte Gabriel. Die Hinweise auf mögliche Risiken unterhalb der geltenden Grenzwerte konnten jedoch nicht bestätigt werden. Das Risiko für Hirntumore steigt laut den Studien weder durch Handys noch durch schnurlose DECT-Telefone oder deren Basisstationen in der Nähe des Bettes. Im Einzelfall wurden Veränderungen der Genaktivität beobachtet. Das stelle die Gesamtbeurteilung aber nicht infrage, hieß es.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte vorsorglich ein Handy-Verbot für Kinder. Solange es keine kindgerechten Schutzstandards für die Nutzung von Mobiltelefonen gibt, sei für Kinder ein Verbot der Nutzung von Handys nötig, sagte BUND-Mobilfunkexperte Bernd Rainer Müller. Die Grünen-Fraktion wandte sich gegen einen "Wildwuchs beim Mobilfunkausbau". Mehr als ein Viertel der Deutschen gebe an, besorgt zu sein über mögliche Beeinträchtigungen, sagte Grünen-Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl.
Das DMF mit Kosten von 17 Millionen Euro wurde je zur Hälfte vom Bundesumweltministerium und den Mobilfunkbetreibern finanziert. Die Unternehmen haben aber laut Bundesamt für Strahlenschutz keinen inhaltlichen Einfluss genommen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation prüft im Rahmen der "Interphone-Studie", ob es ein nachweisbares Krebsrisiko durch Mobiltelefone gibt. Mehrere bereits abgeschlossene Interphone-Teilstudien aus verschiedenen Ländern der Welt haben keine Belege für ein derartiges Risiko gefunden. Dennoch appellierte in Frankreich eine Forschergruppe um den Psychiater und Bestsellerautor David Servan-Schreiber zur Vorsicht angesichts möglicher Gefahren durch Mobilfunkstrahlung. Solange keine endgültigen wissenschaftlichen Ergebnisse feststünden, ob die Strahlen gefährlich seien oder nicht, sollten Handy-Nutzer wachsam sein, heißt es in dem Aufruf.
Insbesondere Kinder unter zwölf Jahren sollten Handys nur im Notfall benutzen, fordern die Wissenschaftler, viele davon Krebsforscher. Empfohlen seien eine Freisprechanlage sowie SMS anstelle von Anrufen. Zudem sollte das Handy so selten wie möglich am Körper getragen und nur wenn unbedingt nötig bei hohen Geschwindigkeiten im Zug oder Auto oder bei schwachem Empfang benutzt werden. Gleichwohl habe einer der Unterzeichner in einem Interview freimütig eingeräumt, die Endfassung des Aufrufs mit Servan-Schreiber in einem 20-minütigen Handytelefonat abgestimmt zu haben, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Dienstag).
Nicht nur Handys funken - Strahlungsquellen im Alltag
Wer Sorgen vor gesundheitliche Risiken durch Handys hat, darf auch keine digitalen schnurlosen Telefone benutzen. Die Schnurlosen, die heute fast alle nach dem DECT-Standard funktionieren, sind laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) oft die größte Strahlungsquelle im Haus. Aber auch Computer-Funkverbindungen wie WLAN und Bluetooth strahlen. Für alle diese Geräte gilt, dass kein Körperteil des Benutzers mehr als 2 Watt Strahlungsleistung pro Kilogramm aufnehmen darf (SAR-Wert 2W/kg, "spezifische Absorptionsrate").
Ein Vergleich der gängigsten Alltags-Kommunikationstechnik:
-
Die üblichen Handys im D- und E-Netz (GSM, Global System for Mobile Communication; 890 bis 1880 Megahertz) funken mit einer Leistung von maximal 2 Watt. Die Strahlung wird in kurzen Pulsen ausgesendet, damit sich mehrere Handys einen Kanal teilen können. So ergibt sich eine maximale mittlere Leistung von 0,25 Watt. Sobald das Handy jedoch eine gute Verbindung zur Basisstation hat, regelt es die Sendeleistung herunter, um die Batterie zu schonen. Außerdem funkt es nur, wenn auch gesprochen wird. Die durchschnittliche Sendeleistung liegt daher nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bei nur rund 0,008 Watt.
-
UMTS-Mobiltelefone (Universal Mobile Telecommunication System; 1920 bis 2170 Megahertz) senden nicht in Pulsen, sondern dauerhaft. Ihre maximale Sendeleistung beträgt dabei 0,125 Watt. Ist die Verbindung gut, wird die Sendeleistung wie bei GSM-Handys reduziert.
-
Die meisten digitalen schnurlosen Telefone arbeiten mit dem DECT-Standard (Digital Enhanced Cordless Telephone; 1880 bis 1900 Megahertz). Sie und ihre Basisstationen funken unabhängig von der Verbindungsqualität stets mit der höchsten Leistung von 0,25 Watt. Dabei ist die Strahlung wie beim GSM-Handy in Pulse zerhackt. Jede hundertstel Sekunde teilt sich in 24 Abschnitte, so dass sich für Telefon und Basisstation eine mittlere abgestrahlte Leistung von je rund 0,01 Watt ergibt. Zudem sendet die DECT-Basisstation auch außerhalb eines Telefonats regelmäßig Kontrollsignale an das Telefon, so dass sie auch in Ruhezeiten mit 0,0025 Watt strahlt. Inzwischen gibt es laut Bundesamt für Strahlenschutz einige DECT-Modelle, die Sendeleistung und Kontrollsignale reduzieren können.
-
Das drahtlose Computernetz WLAN (Wireless Local Area Network; 2400 bis 2480 und 5100 bis 5800 Megahertz) funkt je nach Frequenz mit 0,1 bis 1,0 Watt. Auch im Ruhezustand kontaktiert der Zugangspunkt ("Access Point") die verbundenen Geräte jede Zehntelsekunde mit einem Kontrollsignal. Endgeräte wie Laptops funken nur, wenn auch Daten übertragen werden.
-
Die kabellose Bluetooth-Verbindung (2400 bis 2480 Megahertz) von Computern und Peripheriegeräten wie Maus, Tastatur oder Drucker hat drei Klassen von Sendestärken: In Klasse I sind 0,1 Watt erlaubt, was eine Reichweite von bis zu 100 Metern ermöglicht, in Klasse II nur noch 0,0025 Watt für maximal 50 Meter Reichweite und in Klasse III lediglich 0,001 Watt für maximal 10 Meter Reichweite. Die Strahlungsleistung hängt jeweils von der zu übertragenden Datenmenge ab.
(dpa/tc)