Einer Umfrage der Experton Group zufolge wird die Verbreitung von Mietmodellen wie Infrastructure as a Service (IaaS) und Software as a Service (SaaS) in den kommenden Jahren deutlich zunehmen: Bis 2012 wird sich der damit erzielte Umsatz laut Prognose knapp verdreifachen, in einigen Segmenten sogar noch weit stärker wachsen. Auch das seit Jahren praxiserprobte SaaS-Modell profitiert von dem Trend. Immer mehr Applikationen sind als Mietsoftware erhältlich, SaaS-Anbieter freuen sich über gute Geschäfte.
Die steigende Nachfrage beruht auch auf der Annahme, dass sich Applikationen als Mietsoftware günstiger betreiben lassen als gekauft. Doch eine solche pauschale Aussage ist falsch. Die Befürworter von Lizenzsoftware führen beispielsweise ins Feld, dass auch SaaS nennenswerte Anfangsinvestitionen für Integration in die vorhandene Infrastruktur erfordert. Zudem würden die Kosten von Mietsoftware für die gesamte Dauer der Nutzung anfallen und niemals geringer werden, während für die On-Premise-Software die Kosten im Lauf der Zeit fielen.
Die Verfechter von SaaS-Modellen halten dagegen, dass bei einer realistischen Berechnung des Aufwands für Rechenzentrumsbetrieb, Wartung, Hardwareerneuerung und vor allem Software-Updates mit den daraus resultierenden Anpassungen auch für On-Premise-Software regelmäßige Kosten anfallen, die weit über die Gebühren für Lizenz- und Herstellerwartung hinausgehen. Deshalb biete SaaS - gezielt eingesetzt und implementiert - neben weiteren Vorteilen auch nennenswerte Einsparpotenziale.
Wirtschaftlichkeit: Die Experten sind uneins
"Viele Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die die Kosten von SaaS mit denen von konventioneller Software vergleichen, basieren auf komplett falschen Annahmen", bemängelt Phil Wainewright. Er ist CEO des auf strategische SaaS-Beratung spezialisierten Consulting-Unternehmens Procullux Ventures und Betreiber eines US-amerikanischen SaaS-Blogs. "Allzu oft werden die Kosten für eine konventionelle Applikation durch drei, vier oder fünf Jahre geteilt und das Ergebnis dann mit der jährlichen Gebühr für eine SaaS-Applikation verglichen", sagt Wainewright. Aber dieser Ansatz berücksichtige einen der wichtigsten Vorteile von SaaS nicht: "Während Updates von Lizenzsoftware bei Release-Wechseln immer wieder Unterbrechungen im Betrieb und Anpassungen erfordern, wird eine SaaS-Software regelmäßig und unterbrechungsfrei aktualisiert und ist immer auf dem neuesten Stand. Das betrifft sowohl die zugrunde liegende Infrastruktur als auch die Anwendungsebene."
Zu einer anderen Einschätzung kommt Robert DeSisto, Vice Director und Analyst bei Gartner: SaaS-Lösungen seien nur in den ersten beiden Betriebsjahren billiger als On-Premise-Software, weil keine Investitionen in Lizenzen und IT-Infrastruktur notwendig seien. Aber schon ab dem dritten Jahr könnten die Abschreibungen auf die Investitionen dazu führen, dass die On-Premise-Lösung günstiger werde.
Auch die verbreitete Annahme, dass Utility-Lösungen schon deshalb sparsamer seien, weil nur für den tatsächlichen Bedarf bezahlt werden müsse, zieht der Gartner-Analyst in Zweifel. Denn während sich etwa bei IaaS (Infrastructure as a Service) oder PaaS (Platform as a Service) Speicherbedarf und CPU-Leistung exakt messen oder berechnen lassen, basieren SaaS-Verträge üblicherweise auf der Anzahl der Nutzer (Seats) oder der gleichzeitigen Nutzer (Concurrent Seats).
Kosten von SaaS: Anwender sind verunsichert
Ob und in welchem Maß diese Nutzer die Mietsoftware tatsächlich in Anspruch nehmen, hat keinen Einfluss auf die Rechnung. Gleichzeitig sehen SaaS-Verträge üblicherweise fest vereinbarte Laufzeiten mit definierter Nutzerzahl vor. Das widerspricht dem Utility-Prinzip, dass Mietapplikationen nur nach Verbrauch berechnet werden. "Viele SaaS-Anbieter behaupten, dass sie wie Stromanbieter ihren Kunden nur die verbrauchte Leistung berechnen. Das trifft aber in der Mehrzahl der Fälle überhaupt nicht zu", kritisiert DeSisto. Zwar gebe es Beispiele, etwa E-Commerce-Applikationen, die nach Anzahl der ausgeführten Transaktionen abgerechnet würden, "aber das sind eher Ausnahmen".
Sicher ist: Die Anwender sind sich über die tatsächlichen Kosten von SaaS-Lösungen nicht im Klaren. Nach einer Umfrage von Forrester Research unter 352 US-amerikanischen IT-Entscheidern Ende 2008 war es vor allem die Kostenfrage, die sie vor SaaS-Applikationen zurückschrecken ließ. 37 Prozent der Befragten wollten demnach keine SaaS-Lösung einsetzen, weil sie die Gesamtkosten nicht abschätzen konnten, 30 Prozent hatten Sicherheitsbedenken gegenüber dem SaaS-Modell. Schwierigkeiten bereiten oft die Nebenkosten. Denn während die Softwaremiete sich auch für längere Zeiträume exakt beziffern lässt, ist es weit schwieriger, die Kosten für Implementierung, Integration und Schulung der Anwender abzusehen. Ebenso hatten die Befragten Probleme, einzuschätzen, was es im SaaS-Betrieb kostet, Backup- und Security-Policies standardkonform zu formulieren und zu implementieren.
Zudem bestand weitgehende Unklarkeit über die Vertragsgestaltung für SaaS-Modelle. Während die Unternehmen bei Lizenzsoftware auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückgreifen können, fehlt es bei SaaS-Verträgen noch an Vergleichsmöglichkeiten. Anwender akzeptierten deshalb oft Vereinbarungen, ohne die Vertragsbedingungen exakt einschätzen und vergleichen zu können, merken die Forrester-Analysten kritisch an.
Unumstritten ist bei Befürwortern wie Gegnern, dass sich SaaS-Lösungen erheblich schneller implementieren und nutzen lassen. Aber wie lässt sich eine kürzere Time to Market in Umsatz und Gewinn umrechnen? Wie hoch sind die Mehreinnahmen, wenn beispielsweise eine CRM- oder BI-Lösung drei Monate früher einsetzbar ist als beim Konkurrenten? In dynamischen Märkten lässt sich das allenfalls grob abschätzen.
Vorteilhaft für kleinere Unternehmen ist in der Regel, dass sie mit SaaS Zugriff auf ein Leistungsspektrum haben, das sie sich mit ihren eigenen IT-Kapazitäten wohl kaum verschaffen könnten. Doch im Mittelstand und in Großfirmen sieht das anders aus. SaaS-Lösungen erreichen hier noch nicht den Funktionsumfang, der mit Lizenzsoftware, tiefer Integration und entsprechendem Customizing möglich ist. Aber wie lässt sich der unterschiedliche Funktionsumfang in betriebswirtschaftliche Modellrechnungen umsetzen?
Integrationsmöglichkeiten: SaaS hinkt hinterher
Was für einen Kleinbetrieb ein Schritt nach vorn ist, kann für das Großunternehmen zum Hemmnis werden - und exakte Zahlen, die Wettbewerbsvor- oder -nachteile belegen, sind kaum ermittelbar. Deshalb hilft eine Entscheidung für oder gegen SaaS nicht weiter, wenn sie auf allgemeinen Gesamtkosten-Modellen basiert. Sie muss den jeweiligen Einzelfall betrachten.
Und dabei spielen Aspekte wie die IT-strategische Ausrichtung und die notwendige Integrationstiefe eine wichtige Rolle. Zudem muss geklärt werden, ob eine differenzierende Kernapplikation betroffen ist und ob eine schnelle Implementierung Vorteile verspricht. Anwender, die sich für SaaS interessieren, sollten sich deshalb vor einer Entscheidung gründlich mit der Materie auseinandersetzen. "In den letzten Jahren gab es einen Hype um SaaS. Bei den Anwendern hat das zu unterschiedlichen Annahmen und Erwartungen geführt - guten wie schlechten, mehr oder weniger realistischen. Das gibt Anlass zur Besorgnis, dass Unternehmen sich für SaaS aufgrund falscher Annahmen entscheiden", warnt Gartner-Mann DeSisto.(jha)