House of IT

"Uns liegt daran, die Silos aufzulösen"

30.04.2012 von Heinrich Vaske
Das vom Land Hessen unterstützte House of IT e.V. will die Rhein-Main-Region stärken. Steffen Saebisch, Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium, und Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG, erklären, worum es ihnen geht.

Sie haben für den Großraum Rhein-Main die Public Private Partnership (PPP) House of IT ins Leben gerufen. Was ist deren Zweck?

Saebisch: Das House of IT ist das gemeinsame Dach, unter dem sich die vielen Initiativen in der Region weiterentwickeln sollen. Es ist zeitlich unbegrenzt und bringt die drei großen Player, die für den IT-Standort Rhein-Main bedeutend sind, in einem Netzwerk zusammen. Das sind die großen und kleinen IT-Unternehmen, das ist die Wissenschaft, vertreten durch die TU Darmstadt, die Hochschule Darmstadt und die Frankfurter Goethe-Universität, und es sind die politischen Institutionen des Landes Hessen. Damit sind wir mehr als ein Cluster. Wir verstetigen den Cluster-Gedanken über eine bestimmte Finanzierungsperiode hinaus.

Die zwei sind sich einig: Staatssekretär Steffen Saebisch (links) und der Vorstandsvorsitzende der Software AG in Darmstadt, Karl-Heinz-Streibich.

Streibich: Uns liegt vor allem daran, die Silos aufzulösen. Privatwirtschaft, öffentlicher Bereich, Hochschulen - jeder ist ja in seinem Paradigma gefangen. Die Interdisziplinarität ist im House of IT als das Kernverhalten manifestiert. IT ist erklärungsbedürftig. Sie erschließt sich nicht einfach so. Deshalb brauchen wir Leuchtturmprojekte. Die Cloud-Media-Plattform wird so ein deutschlandweit sichtbares Projekt. Konkret heißt das in der Praxis: das Frankfurter Städel Museum und die Darmstädter Universitäts- und Landesbibliothek werden mithilfe einer Cloud basierenden Plattform künftig ihre Informationsangebote durch digitale Inhalte (z.B. eBooks, Videos) anreichern können - unabhängig der vorhandenen IT-Ressourcen. Zusätzlich werden wir eine einheitliche und schnelle Anbindung von verschiedenen mobilen Endgeräten und unterschiedlichen Datenquellen ermöglichen. Wir wollen Verbindungen knüpfen, die es vorher nicht gab.

Viel Initiative für den Wirtschaftsstandort

Die Hessen kommen

Mit dem House of IT wollen die Hessen ihre Kräfte im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich bündeln und die eigenen Stärken international sichtbar machen. Dazu wird eine enge Vernetzung der wichtigen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft angestrebt.

Die IT ist nur einer der Schwerpunkte, in Hessen gibt es außerdem das House of Finance und das House of Logistics & Mobility. Auch hier geht es jeweils darum, die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft zu fördern, um so die Kernbranchen der Region weiter zu stärken.

Herr Streibich, welche Vorteile versprechen Sie sich als Chef der Software AG konkret?

Streibich: Zunächst einmal fördern wir den lokalen IT-Standort, indem wir einen fruchtbaren Boden schaffen. Nur so lassen sich weitere IT-Aktivitäten ansiedeln und interdisziplinär aufbauen. Als Software AG profitieren wir davon, wenn sich ein Ökosystem bildet. Das betrifft Neugründungen, Ausbildung etc.

Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die Leuchtturmprojekte: Das sind Kristallisationspunkte, um die herum etwas entsteht. Der dritte Faktor: Als größtes Softwarehaus der Region ist es Teil unserer unternehmerischen Verantwortung, lokal einen Beitrag zu leisten. Die Stiftung der Software AG ist ja sozial sehr aktiv, aber wir wollen auch einen Beitrag zur Wirtschaftsförderung leisten.

Saebisch: Für die hessische Landesregierung sehe ich zwei Vorteile: Das House of IT wird perspektivisch zu einer Aufwertung und Veredelung des Standorts beitragen. Wenn man sich die Wissenschafts- und IT-Region ansieht, dann weiß man, dass so eine interdisziplinäre Einrichtung gefehlt hat. Eine weitere wichtige Säule ist die Weiterbildung. Die hessischen Hochschulen werden profitieren, weil die Firmen ihre Wünsche und Anforderungen an Ausbildung einbringen können. Sie haben außerdem den Vorteil, dass sie über das House of IT einen direkten Zugang zu den Marktteilnehmern bekommen.

"Das kann globale Bedeutung bekommen"

Warum ist das eine auf Hessen begrenzte Initiative? All Ihre Ziele gäben ja auch überregional Sinn.

Saebisch: Wir stellen hier als Landesregierung eine Vernetzungsplattform zur Verfügung, die sich nicht nur an hessische Unternehmen richtet. Es ist eine regional geborene Initiative, die eine nationale und eine, ich sage ganz bewusst: globale Bedeutung bekommen kann. Wir haben beispielsweise bereits eine Kooperation mit einer israelischen Uni. Hier sind also keine Grenzen gesetzt. Ein Cluster kann man nicht an Ländergrenzen festmachen.

Streibich: Als internationales Unternehmen wissen wir: Man braucht bei der Entwicklung einer Infrastruktur einen langen Atem. Das ist über Quartalsergebnisse nicht messbar. Man darf jetzt nicht ungeduldig sein, sondern muss kontinuierlich dabei bleiben und es als Evolution der Region betrachten. Die Software AG will hier eine Rolle spielen.

Auch im Bitkom-Präsidium nehmen wir uns vor, dass die Cluster weiterentwickelt werden und untereinander kommunizieren. So wird es einen überregionalen Cluster-Kongress geben, um diese Vernetzung zu fördern. Wir wollen im nächsten Schritt auch mit unseren europäischen Kollegen zusammenarbeiten.

Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte des House of IT?

Saebisch: Wir bauen auf drei Säulen auf: dem Wissenstransfer, zu dem die Unis einen angemessenen Beitrag leisten müssen, zweitens Weiterbildung und Lehre - vor allem auch interdisziplinär - und schließlich als Drittes Unternehmensgründung und Wachstum. Wir wollen, dass kleine und mittlere Unternehmen profitieren.

Wo legen Sie den technischen Fokus? Wollen Sie entlang der Infrastruktursoftware der Software AG oder der Business-Applikationen von SAP die Ökosysteme ausbauen?

Streibich: Die thematischen Felder sind klar umrissen. Wir haben in der TU Darmstadt das Center for Advanced Security Research Darmstadt (Cased), das in Deutschland wahrscheinlich größte Competence Center zur IT-Sicherheit. Dieses Feld ist also besonders wichtig. Das gleiche gilt für Unternehmenssoftware: Wie gelingt es, heterogene Software spielend zu integrieren? Ein großes, breites Feld, auf dem wir arbeiten.

Natürlich wollen wir auch mit den Leuchtturmprojekten, die im House of Finance und House of Logistics and Mobility aufgesetzt wurden, zusammenarbeiten. Und schließlich wird uns das Internet der Zukunft als Querschnittsthema interessieren. In diesen Bereichen werden sich die Projekte abspielen. Es wird kein Schwerpunkt auf Consumer-Produkten liegen, weil Deutschland hier nicht ganz vorne dabei ist. Unsere Stärken liegen in den Bereichen IT-Sicherheit, Infrastruktursoftware, Internet der Dinge etc. Da möchten wir ganz vorne mitmischen.

Saebisch: Hessen ist eine der stärksten Mobilitäts- und Logistikregionen in Europa. Wir wollen unsere Stärken weiter ausbauen. Schenker zum Beispiel kommt jetzt mit seiner Konzernzentrale nach Frankfurt. Das hat natürlich seinen Grund…

Streibich: Wir werden nicht die 126. Basisforschung betreiben, sondern Mehrwert schaffen durch ein besseres Verständnis untereinander. Beispielsweise bestünde der Kontakt, den Staatssekretär Saebisch und ich haben, ohne das House of IT so nicht. Jetzt reden wir über Produkte, Kongresse, Förderungsmöglichkeiten, Innovationen - das ist unglaublich erfrischend.

"Es geht um die Wirkung, nicht um eine Profilbildung"

Als neutraler Betrachter fragt man sich, was diese Initiative von anderen unterscheidet und zu welchen sichtbaren und messbaren Ergebnissen sie wirklich kommen werden.

Saebisch: Es geht hier ja nicht um ein Medienprofil. Wir arbeiten am Aufbau eines Netzwerks. Wir wissen alle: Ohne Netzwerke und Erfahrungsaustausch können bestimmte Projekte nicht vorangetrieben und umgesetzt werden. Das House of IT wird ja überwiegend durch das Engagement der Unternehmen und deren finanzieller Unterstützung getragen. Diese haben ganz klare Vorstellungen, wofür sie sich engagieren. Uns geht es um die Wirkung, nicht um eine wie auch immer geartete Profilbildung.

Aber irgendwer wird doch wissen wollen, wo all die Fördermittel versickern…

Streibich: Wir werden einen MBA anbieten, das Thema Unternehmensgründungen fördern, Leuchtturmprojekte aufsetzen. All das sind Dinge, die als Erfolgsmeilensteine messbar sind.

Was für ein MBA wird das sein?

Streibich: Interdisziplinäre Ausbildungsmöglichkeiten, die zum Beispiel IT und Management-Qualifikationen vereinen. Wenn Sie heute einen globalen Account-Manager oder einen internationalen Projekt-Manager suchen, finden sie keinen. Den müssen Sie sich selbst entwickeln. Die Kompetenzbandbreite eines Geschäftsführers - das kann man nirgendwo studieren. Wir achten darauf, dass wir diese interdisziplinäre Aus- und Weiterbildung fördern.