Immer Ärger mit der Software

Unkenntnis wird schamlos ausgenutzt

31.01.2003 von von Walter
Augen auf beim Softwarekauf: Anwender sollten wissen, was sie wollen, und auf das Kleingedruckte achten - sonst haben sie das Nachsehen. Softwareprojekte scheitern oder die Kosten explodieren.

DER KAMPF um Erfolg oder Misserfolg gehört zum Alltag der meisten IT-Projekte. Je nach Land und Lage scheitern 50 bis 80 Prozent. Diese Zahlen stammen vor allem aus Studien des angelsächsischen Sprachraums, wo Projektarbeit am weitesten verbreitet ist und Projekt-Management-Systeme die längste Tradition haben. In den USA scheiterten nach Untersuchungen der Marktforschungsgruppe Standish Group 72 Prozent der IT-Projekte im Jahr 2000. Im deutschsprachigen Raum fehlen aussagekräftige Statistiken.

Doch diese nüchternen Zahlen sind ohnehin nur ein Teil der Wahrheit. Sie verraten noch nichts über die eigentlichen Probleme, mit denen sich die betroffenen Unternehmen konfrontiert sehen. Denn scheiternde IT-Projekte verursachen so immens hohe Kosten, dass sie auch gesunde Unternehmen in den Konkurs treiben können.

Rückabwicklungen von ERPSystemen geschehen häufiger, als man glaubt. Nur wird in den seltensten Fällen darüber berichtet. Das spielt sich vor Gericht hinter verschlossenen Türen ab. Vergleiche werden geschlossen und Verschwiegenheit vereinbart. Die wenigen spektakulären Fälle, die durch die Fachpresse geistern, stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Denn es geht nicht nur um einzelne Softwareprodukte, fast alle am Markt befindlichen Softwarelösungen sind betroffen.

Neben der unzulänglichen Erhebung der Anforderungen durch die Unternehmen ist die oft unseriöse Vertriebsberatung der Softwareunternehmen dafür verantwortlich, dass wenig oder gar nicht geeignete Produkte beim Auftraggeber implementiert werden.

Probleme schon bei der Softwareauswahl

Vertriebsbeauftragte namhafter Softwareunternehmen bestätigen hinter vorgehaltener Hand, dass immer wieder Software verkauft wird, die den Anforderungen der Kunden bei weitem nicht gerecht wird und intensive Nacharbeiten oder eine Rückabwicklung erforderlich macht. So wurde einem großen Versandhaus zum Beispiel eine Software geliefert, die keine Retourenannahme erlaubt, ein im Versandhandel üblicher und wesentlicher Geschäftsvorgang.

Die so erforderliche kundenindividuelle Anpassung der Software artet immer wieder in finanzielle Abenteuer für die Auftraggeber aus. Anbieter versuchen stets die Lücken im Vertrag auszunutzen oder über zusätzliche Wünsche des Kunden weitere Umsätze zu generieren.

In einem Fall wurde von einem renommierten Hersteller ein Lohnund Gehaltsprogramm angeboten, für das noch keine Schnittstelle vorhanden war. Dabei hätte man auch andere Lohn- und Gehaltsprogramme anbieten können, für die bereits bewährte Schnittstellen vorhanden sind. Doch das war noch nicht alles. Neben den vereinbarten Kosten für die Schnittstelle von etwa 8000 Euro hatte man still und heimlich für die Konzeption dieser Schnittstelle auch noch über 4000 Euro in Rechnung gestellt. Die Anpassung des Rechnungsformulars schlug schließlich mit über 20 000 Euro zu Buche. Die Unwissenheit des Kunden wird bei solchem Verhalten schamlos ausgenutzt.

Ein anderes, besonders krasses Beispiel beleuchtet das Spiel noch deutlicher: Ein renommierter Hersteller erhob für die Wartungskosten seiner Standardsoftware zwar die marktüblichen 15 bis 18 Prozent, wollte für die durch die Einführung der neuen Anwendung notwendig gewordenen Programmanpassungen an die Individualsoftware des Kunden jedoch 36 Prozent Wartungskosten kassieren.

Auch die Leistungsfähigkeit so genannter „Seniorberater“ von Implementierungsunternehmen lässt immer wieder zu wünschen übrig. So kommt es vor, dass der vermeintliche Fachmann des Softwarelieferanten erst beim Kunden mitgeschult wird oder durch „Learning by Doing“ während der Betreuung das eigene Produkt „erforscht“.

Ähnliches muss leider auch immer wieder den Hotlines der Anbieter attestiert werden: Mangelnde Qualität und Verfügbarkeit lassen die Mitarbeiter des Auftraggebers verzweifeln und verursachen zusätzliche Kosten ohne erkennbaren Nutzen für den Kunden.

Die Mondpreise führen dazu, dass die Mitarbeiter des Anwenders die Hotline nicht mehr anrufen dürfen und selbst „probieren“ müssen, wie Fehler zu beheben sind. Auch dadurch scheitern ITProjekte. (uk)

* Walter Kolbenschlag ist Geschäftsführender Gesellschafter der UBK GmbH in Lauf bei Nürnberg.