Unangenehme Konsequenzen

28.01.1994

Vielleicht behalten ja diejenigen Recht, die das Thema Objektorientierung in dieselbe Schublade stecken wollen wie die Schlagwoerter CIM und CASE: "Much Ado about Nothing". Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Denn anders als bei den C- Kuerzeln werden hier die Marketing-Broschueren der Anbieter - zumindest in grossen Zuegen - durch die Erfahrungen erster Anwender bestaetigt (vgl. Thema der Woche in dieser Ausgabe).

Um so erstaunlicher ist es, dass einige der Pionieranwender nach erfolgreicher Fertigstellung ihrer Pilotprojekte erst einmal die Notbremse gezogen haben. Der Grund dafuer wird nur hinter vorgehaltener Hand genannt: Die Rede ist von einer "uneinheitlichen" Beurteilung der Erfahrungen - bis hin zu Grabenkaempfen innerhalb der DV-Abteilung beziehungsweise zwischen Informations-Management und Betriebsleitung.

Selbstverstaendlich erfordert jede neue Technik einen Lernprozess. Doch wo erste Schritte ins Neuland gewagt wurden, ist die Bereitschaft zur Weiterbildung sicherlich vorhanden. Die Ursachen dafuer, warum die Beschaeftigung mit objektorientierter Systementwicklung in einigen Betrieben schon auf Eis gelegt wurde, duerften demnach woanders zu suchen sein.

Moeglicherweise haben diese Unternehmen dieselbe unangenehme Erfahrung machen muessen wie der Projektleiter einer grossen Versicherungsgesellschaft, der aus verstaendlichen Motiven nicht namentlich genannt werden moechte: "Als wir versuchten, auf der Grundlage unserer objektorientierten Studie Anwendungen zu realisieren, passten die vorn und hinten nicht mehr zu der bestehenden Ablauf- und Aufbauorganisation."

Nun ist es zwar moeglich, auch redundante Ablaeufe in einem objektorientierten System abzubilden. Einen Sinn ergibt das allerdings nicht. Vielmehr laedt der Umstieg auf die objektorientierte Entwicklung geradezu ein, die Ablaeufe innerhalb des Unternehmens - und damit moeglicherweise auch die Aufbauorganisation - zu ueberpruefen und noetigenfalls zu aendern.

Wer sich mit Objektorientierung beschaeftigt, fragt zwangslaeufig nicht mehr: Wer berichtet an wen?, sondern: Was wird wie und von wem getan? Die Folge davon sind straffere Ablaeufe - neudeutsch: Workflows - und flachere Hierarchien. Falls die Unternehmen vor dieser Konsequenz zurueckschrecken, koennte sich die Objektorientierung letztendlich doch als das erweisen, was ihre Kritiker in ihr sehen: als blosser Marketing-Hype.qua