MWC

UMTS-Modem als virtueller PC

20.02.2009 von Jürgen Hill
Wer heute mit dem Notebook online geht, greift zum USB-Daten-Stick. Diese Gerätegattung dominiert zur Zeit den Markt und mausert sich zum mobilen Alleskönner, der mehr drauf hat als nur als Mobilfunk-Modem per UMTS oder HSDPA Daten zu übertragen.

War die Entwicklung in Sachen mobile Daten-Modems in den letzten Jahren von der Hatz nach immer höheren Geschwindigkeiten geprägt, so war in diesem Jahr auf dem Mobile World Congress Downsizing schick. Modem-Bauer berichteten, dass sie von immer mehr Mobilfunk-Providern dazu angehalten werden, ihre Modems doch künstlich auf 3,6 Mbit/s zu drosseln. Der Grund hierfür ist einfach: Die Backbone-Netze der Mobilfunk-Provider machen schlapp und sind dem Datenansturm nicht mehr gewachsen. Deshalb war es auch um die nächste UMTS-Evolutionsstufe HSPA+ (Download-Raten von bis zu 28 Mbit/s, Upload bis zu 5,76 Mbit/s) verdächtig ruhig und mancher Hersteller wie etwa Option hatte nur Produktdemos im Gepäck. Kaum einer der Mobilfunker, so der Eindruck des Herstellers, will nämlich in den nächsten 12 bis 18 Monaten auf diesen Standard aufrüsten und entsprechend in die Netzinfrastruktur investieren. Stattdessen wollen die Carrier lieber auf LTE warten, denn hier ist sowieso ein Redesign der Netze fällig. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: So will etwa O2 ab Sommer in München HSPA+ testen und dann in der zweiten Jahreshälfte einführen.

Options USB-Modem uCAN dient gleichzeitig als virtueller PC.
Foto: Option

Während in Sachen Geschwindigkeit eher Ruhe herrschte, prägte den Markt ein ruinöser Preiswettkampf. So beklagten sich westliche Hersteller bitterböse über den chinesischen Huaweii-Konzern, der mit Dumping-Angeboten den Markt und die Margen kaputt mache. So konnte etwa Option eigenen Angaben zufolge 2008 rund eine Million mehr Geräte verkaufen als 2007, erzielte aber lediglich den gleichen Umsatz. Und die nächste Preisschlacht steht bereits an: Nach Huaweii will mit ZTE der nächste chinesische Konzern im Mobilfunk-Modem-Geschäft mitmischen. Nicht ganz ohne Schadenfreude stellten die etablierten westlichen Player fest, dass sich mittlerweile selbst Huaweii über die Praktiken seines chinesischen Konkurrenten beklagt.

Beim belgischen Hersteller Option zog man deshalb die Notbremse und will den ruinösen Preiskampf nicht mehr mitspielen, sondern künftig bessere Margen mit Software erzielen. Aus der Not geboren entstand so das USB-Modem "uCAN", das sich als wahrer Tausendsassa entpuppt. Das neue uCAN ist nämlich nicht nur ein einfaches Datenmodem, sondern gleichzeitig ein virtueller PC, auf dem der Anwender Daten und Applikationen speichern kann, die in einer eigenen Runtime-Umgebung laufen - also auf dem Host-Rechner keine Spuren hinterlassen.

Ohne zusätzliche Treiber oder Software kommt das Option-Modem aus - alles wird auf dem USB-Stick installiert.
Foto: Option

Doch der Reihe nach, die Faszination in Sachen uCAN beginnt bereits bei der Installation. Während sich herkömmliche USB-Datenmodems am Rechner erst als CD-ROM-Laufwerk melden, die entsprechenden Treiber installieren und dann beginnen die Modemtreiber auf das System aufzuspielen, geschieht beim neuen USB-Stick von Option gar nichts. Das Gerät meldet sich schlicht als Human Interface Device (HID) am Rechner an und installiert keine weiteren Treiber. Dank der Zero-Footprint-Technologie, wie Option das Verfahren nennt, muss auch kein Verbindungs-Manager oder ähnliches auf dem System installiert werden. Die entsprechende Software verbleibt auf dem Stick, der als Flash-Laufwerk angesprochen werden kann. Ebenso werden Verbindungsparameter wie Access Point Node (APN) nicht mehr in die Registry geschrieben, sondern auf den Speicher im Stick. Ein Verfahren, das wie Option einräumt, sicherlich bei vielen Mobilfunk-Providern ein Umdenken erfordert. Wie es leider bei vielen Programmen schlechter Stil ist, müllten auch die Carrier mit ihren Connection Managern die Windows-Registry mit unnötigen Einträgen zu. Der uCAN-Stick hinterlässt dagegen nach dem Abziehen keine Spuren auf dem System.

Virtueller PC auf dem USB-Stick

Das Highlight ist der integrierte MicroSD-Slot für Daten und Anwendungen. Wie von reinen Datensticks bekannt, können hier etwa autarke Anwendungen wie Browser, OpenOffice, E-Mail-Client etc. installiert werden. Ebenso ist laut Option-Manager Jan Poté vorstellbar, dass hier die Carrier Applikationen wie den eigenen Musicstore installieren, um so mehr Umsatz zu generieren oder den Benutzer per Push-Dienst über neue Offerten zu informieren. Das Potenzial des Konzepts reicht aber noch weiter: Unternehmen hätten die Option, hier Clients für ihre Enterprise-Applikationen oder die entsprechende VPN-Zugangssoftware zu installieren. Da die Sticks sowohl verschlüsseln als auch aus der Ferne löschen lassen, kommt dabei auch das Thema Sicherheit nicht zu kurz. Poté zufolge überlegt bereits ein großer deutscher Konzern, seine mobilen Verkaufsmitarbeiter mit Netbooks auszustatten, die dann mit eine uCAN-Stick online gehen und die entsprechende Unternehmenssoftware ebenfalls nur auf dem Stick installiert haben. Ein anderes Szenario betrifft das Thema Collaboration: So könnten etwa die Daten vom Stick mit einem Server synchronisiert werden, so dass alle mobilen Mitarbeiter auf die gleichen Dokumente Zugriff haben. Letztlich scheint der Ausbau des Systems nur von den Fähigkeiten der Softwareentwickler abzuhängen. Option zufolge soll der uCAN-Stick noch im ersten Halbjahr 2009 über die Mobilfunk-Provider erhältlich sein. Zu einem späteren Zeitpunkt ist dann auch die Vermarktung über den Channel angedacht.

Pimp my Modem

Eines der ersten HSPA+-Modems hat Sierra Wireless vorgestellt.
Foto: Sierra Wireless

Ein andere Strategie als Option fährt der kanadische Hersteller Sierra Wireless als Antwort auf die chinesischen Herausforderer: Statt auf zusätzliche Software setzen die Kanadier, die derzeit ebenfalls eine große Nachfrage nach Sticks feststellen, auf eine Personalisierung des USB-Stick. Nach dem die Consumer bereits mit "Pimp my Computer" ihre PCs optisch veredelten und teilweise dafür viel Geld ausgaben, sollen sie demnächst Datensticks kaufen, die mit Lichteffekten aufwarten. Das Thema Individualisierung geht der Hersteller zudem durch auswechselbare Oberflächen an. Ähnlich wie bei Handys mit wechselbarer Gehäuseschale, kann so das Aussehen des Sticks verändert werden. Nach Aussagen von Joachim Dressler, Business Development Director bei Sierra Wireless, eröffnet dies für die Mobilfunk-Carrier zwei Optionen: Entweder sie nutzen den Platz für ein verstärktes Branding ihrer eigenen Marke oder sie generieren darüber zusätzlichen Umsatz, in dem sie etwa individuelle Oberflächen verkaufen oder diesen Raum an Dritte als Werbefläche vermarkten. Skeptiker, die an dieser Geschäftsidee zweifeln hält Dressler entgegen, dass sich ja beispielsweise auch Notebooks oder Handys mit Schmucksteinen gut verkaufen. Wie Option kann auch der User bei Sierra eine MicroSD-Karte als zusätzlichen Speicher nutzen. Allerdings liefern die Kanadier dazu kein virtuelles System mit Software mit. Auch in Sachen Treiber geht man bei Sierra Wireless einen anderen Weg: Zwar spart sich auch hier der User künftig die zusätzliche Treiberinstallation, doch dies kommt daher, das Windows 7 künftig bereits die entsprechenden Software-Interfaces für die Sierra-Produkte an Bord hat.

Des Weiteren versucht die Firma stärker zwischen Consumer- und Business-Markt zu differenzieren. So werden die Consumer-Modelle teilweise in der Geschwindigkeit limitiert. Bei den Modems für den professionellen Bereich gibt Sierra dagegen richtig Gas. So hat das Unternehmen mit den Geräten "USB 306" und "USB 307" zwei Produkte vorgestellt, die HSPA+ unterstützen.

Externes Modem oder integriert im Notebook?

Als weiteres Unterscheidungsmerkmal stattet Sierra die Modelle für den professionellen Bereich mit einem Antennenanschluss aus. Auch wenn, wie Dressler anmerkt, die Nachfrage nach externen Antennen eher gering ist, machen diese doch oft den feinen Unterschied zwischen stabilem UMTS-Empfang oder lediglich GPRS-Speed aus. Deshalb wollen die Kanadier im Gegensatz zu Option nicht auf dieses Feature verzichten, dem man bei bei den Belgiern lediglich einen Placeboeffekt zuspricht. Auf einer Welle sind die beiden Hersteller dagegen wieder, wenn es um die Frage geht, ob unter Empfangsaspekten eher ein Notebook mit integriertem Mobilfunkmodul oder ein Stick zu bevorzugen sei. Unisono sprechen sie den Notebooks die besseren, sprich stabileren Empfangsqualitäten zu. Option-Manager Poté begründet dies damit, dass etwa der Display-Rahmen eines Notebooks die Möglichkeit biete, mit Antennen-Diversity zu arbeiten, was in den beengten Verhältnissen eines Sticks nicht möglich ist. Dressel zufolge spricht für die integrierte Lösung zudem noch, dass hier die verschiedenen Bussysteme besser aufeinander abgestimmt sind und so Leistungseinbrüche vermieden werden. Gleichzeitig warnt aber Poté vor einer Integrationsfalle: "Ist das Motherboard unglücklich designed, dann kann der Prozessor mit seinen Taktfrequenzen durch aus den mobilen Datenempfang stören." Die Crux für den Anwender ist dabei, dass er nicht an den Datenblättern oder von außen erkennen kann, ob ein Notebook mit guten Empfangseigenschaften aufwartet. Und Unterschiede gibt es nach Aussagen der Modemhersteller sehr wohl, allerdings wollte beide Firmen keinen Produktnamen nennen. Beide Manager empfehlen deshalb Unternehmen, die einen größeren Rollout planen und auf die Empfangsqualität wert legen, die Modelle der engeren Wahl einem Praxistest unter kritischen Bedingungen zu unterziehen. Für Anwender, denen dies zu viel Aufwand ist, hat Sierra-Manager Dressler noch einen Tipp: "Schauen Sie welche Notebooks die Mobilfunker im Programm haben, denn diese nehmen in der Regel nur Modelle, die im eigenen Netz gewisse Mindeststandards in Sachen Empfangsqualität und -stabilität einhalten."