Entwicklung

Umdenken bei Softwaretests

12.01.2009 von Stefan  Ueberhorst
Nachdem HP das Ende seines Test-Tools "Winrunner" verkündet hat, müssen sich Anwender neu orientieren. Die Firma Metafinanz empfiehlt anstelle der rein Skript-basierenden Technik den Wechsel zu programmierfreien Regressionstests mit "mfTestfactory".

Die aktuelle Finanzkrise als Folge eines Softwarefehlers? Dieser Schluss wäre wohl etwas vermessen, doch zumindest erscheint die Bedeutung von Softwaretests in einem neuen Licht, wenn man sich jenen im vergangenen Jahr aufgedeckten Codefehler bei der US-Rating-Agentur Moody’s vor Augen führt: Aufgrund eines Bugs erhielten dort einige riskante Kreditprodukte das Spitzenrating Triple-A, obwohl die tatsächliche Einstufung der Analysten um bis zu vier Punkte darunter lag. Dieser von der "Financial Times" aufgedeckte Fall unterstreicht die Notwendigkeit, Unternehmensanwendungen während und nach ihrer Fertigstellung mit Hilfe spezieller Test-Tools auf eventuelle Fehlfunktionen zu untersuchen.

Zu den bekanntesten Tools für automatisierte Softwaretests zählt Winrunner, das einst von Mercury entwickelt und nach dessen Akquisition zwischenzeitlich von HP vertrieben wurde. Weniger bekannt ist der Umstand, dass HP mittlerweile Winrunner vom Markt genommen hat und ab August 2009 nur noch limitierten Support bieten wird. Winrunner-Kunden sind daher gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen - darauf weist Peter Gabriel, Unit Manager des Münchner Softwarehauses Metafinanz hin: "Frühere Mercury-Kunden müssen ihre Test-Tool-Strategie nun ändern. Sofern sie Winrunner nicht ohne Support weiterbetreiben wollen, bleiben ihnen drei Alternativen: sie migrieren auf andere HP-Tools, wechseln den Hersteller oder lagern ihre aufwändigen Testaktivitäten aus." Den von HP selbst angebotenen Migrationspfad auf "Quicktest Professional" beurteilt Gabriel als kompliziert. Zwar biete HP über ein amerikanisches Beratungsunternehmen eine automatische Konvertierung der Testskripts an, doch der umfangreichere Teil der Übung bestehe darin, die dabei verbleibenden zehn bis 20 Prozent des Codes manuell mit Hilfe von Beratern in die Sprache des neuen Test-Tools zu überführen.

Weg von komplizierten Testskripts

"Jahrelang haben Winrunner-Anwender großen Aufwand in die Skriptprogrammierung gesteckt, und nun erweist sich diese Investition als Sackgasse. Da nun ohnehin die Wahl eines neuen Tools ansteht, sollten sie auch gleich die Testmethodik auf den Prüfstand stellen", meint Gabriel. Denn Winrunner zählt - wie das Gros der am Markt befindlichen Test-Tools - zu den Vertretern der Skripting-Technik und erfordert spezifische Programmierkenntnisse. Die Zielgruppe der Fachanwender ist damit meist überfordert, erklärt Gabriel: "Typische Anwender sind Produkt-Owner, Qualitäts-Manager, Test-Manager und Fachtester. Sie alle wünschen sich eine programmierfreie Softwarelösung, die ihnen hilft, die Testfälle in der fachlichen Sprache zu formulieren."

Dank einer automatisierten Massendatenänderung ermöglicht die mfTestfactory eine schnelle Anpassung von Testfällen ohne Skript-Knowhow.

Diesen Alternativansatz, auch als fachlicher Regressionstest bezeichnet, verfolgt die von Metafinanz entwickelte Test-Suite mfTestfactory. Deren grundlegende Funktionsweise ist einfach erklärt: Während bei Skript-Tools zuvor festgelegte Testdaten per Skript in die jeweiligen Eingabemasken gefüttert werden, nimmt mfTestfactory dem Tester den Skriptteil ab und ermöglicht ihm stattdessen eine Testkonfiguration aus fachlicher Sicht per Mausklick und dialogorientierten Anweisungen. Der Tester öffnet dabei im ersten Schritt eine zu prüfende Eingabemaske - etwa ein Web-Formular für Schadensfälle. Anschließend analysiert mfTestfactory alle Eingabe- und Programmmechanismen dieses Dialogs, um dessen Funktionsweise kennenzulernen. Im nächsten Schritt verknüpft der Tester die erkannten Felder mit Testdaten, um auf diese Weise etwa Eingaben von Sachbearbeitern zu simulieren. Das Werkzeug erkennt laut Metafinanz alle gängigen Programmoberflächen wie C++, Java, MFC, HTML oder 3270-Emulatoren. Weitere Oberflächentechniken sind in Entwicklung.

Nach der initialen Zuordnung von Feldern und Testdaten erfolgt die Testfallkomposition und die Automatisierung: Ein zuvor festgelegter Testsatz wird dabei mit anderen Testsätzen zu Testobjekten und zu Testszenarien aggregiert und in einer Datenbank gespeichert. Damit stehen wiederverwendbare Einzelteile zur Verfügung, die sich zu neuen Testeinheiten kombinieren lassen. Ändern sich beispielsweise im Lauf der Anwendungsentwicklung Dialoge oder Programmfunktionen, so genügt eine Neukonfiguration - es müssen also keine Skripte modifiziert werden.

Die mfTestfactory verfügt über Schnittstellen zu marktgängigen Qualitäts-Management-Werkzeugen und integriert sich damit unter anderem als Plug-in in HPs Quality Center.