Ultimatum abgelaufen: BenQ Mobile wird liquidiert

01.01.2007
Mit dem Ablauf des Ultimatums für Interessenten an der insolventen BenQ Mobile um Mitternacht, stehen Produkte, Mitarbeiter und Konzepte des traditionellen deutschen Handybauers mit einem Bein über dem Abgrund. Und diesmal steht kein Zeichen mehr auf Rettung in letzter Minute. Wir zeichnen den Niedergang des ehemaligen Global Players anhand seiner Geräteserien nach.

Punkt Mitternacht lief am heutigen Neujahrsmorgen die Frist für interessierte Investoren aus, die das Schicksal des insolventen Handyherstellers BenQ-Mobile hätten wenden können. Insolvenzverwalter Martin Prager wird in den nächsten Tagen mit der Liquidierung des Unternehmens beginnen. Nachdem über 2000 Mitarbeiter in Kamp-Lintfort, Bocholt und München bereits ihre Blaumänner aus den Spinden räumen mussten, werden auch die übrigen 1000 Kollegen nicht mehr lange Handys mit Siemens-Logo in Deutschland produzieren dürfen.

Dass ein finanzstarker Investor das Ruder durch einen Kauf der Unternehmenswerte herumreißt, würde an ein Wunder grenzen: vielmehr werden jetzt globale Private Equity Fonds ohne Rücksicht auf den Unternehmensinhalt und seine Mitarbeiter versuchen, Profit aus der Insolvenz zu schlagen.

Fraglos ein trauriges Ende für einen Global Player des Handybaus. In unserem Nachruf möchten wir noch einmal Revue über die Lichtgestalten des deutschen Herstellers passieren lassen. Denn einige Modelle von Siemens avancierten in den letzten drei Jahren zu Publikumslieblingen. So zum Beispiel das Siemens M50, ein einfacher Midrange-Barren, der Ende 2002 das Licht der Welt erblickte und mit einem coolen blau beleuchteten Display und einer J2ME-Engine Nokias 3410 das Leben schwer machen sollte.

Fast zeitgleich begeisterte das Siemens SL55 die Damenwelt: kleiner konnte seinerzeit kein Unternehmen ein Sliderphone bauen. Der pfiffige Slide-Mechanismus, die guten Telefonfunktionen und das für damalige Verhältnisse außerordentlich brilliante Farbdisplay waren klare Alleinstellungsmerkmale, sodass noch fast zwei Jahre nach seinem Erscheinen Nachfrage nach dem schicken Slider bestand.

Zeit für eine neue Gerätegeneration: die Modelle der 65er-Reihe kamen nahezu gleichzeitig auf den Markt und motzten die in die Tage gekommenen kleinen Farbdisplays auf 132x176 Pixel auf. Damit lag man zwar nach wie vor hinter der Konkurrenz, die zumeist auf Smartphone-ähnliche Auflösungen (176x220) setzte, aber der Weg war frei für Multimedia-Anwendungen.

Das S65 war eines der ersten Telefone in Deutschland, die über eine integrierte 1,3-Megapixelkamera verfügten. Bluetooth, Speichererweiterung, tolle Verarbeitung. Doch dass dem Handy die Möglichkeit fehlte, MP3-Dateien wiedergeben zu können, hat bis heute kein Nutzer dem Konzern verziehen.

Softwaretechnisch baugleich, aber deutlich robuster in der Handhabung war der breite Bruder M65 im Stahlgehäuse mit dicken Plastikschalen und mit Gummibändern vor Spritzwasser geschütztem Innenleben. Wer ein Handy suchte, das allen Widrigkeiten des bewegten Alltags trotzen konnte und auch ein unfreiwilliges Bad in der Wanne überlebte, war mit dem M65 nahezu konkurrenzlos gut beraten.

Zwei Krisen musste Siemens während der 65er-Generation meistern: das Erbe, das die völlig misratene Xelibri-Kollektion hinterließ und ein Fauxpas mit ungeahnten Konsequenzen. Eine Pressemitteilung im Sommer 2004 läutete den Anfang vom Ende ein: es hieß, der Warnton bei fast leerem Akku wäre so laut, dass man, wenn man bei dessen Ertönen gerade telefonierte, mit Gehörschäden rechnen müsse. Während Kenner der Szene diese Nachricht bestenfalls mit einem Schmunzeln bedachten, bauschten Boulevard-Medien den Vorfall zum Staatsakt auf - Siemens musste tausende Handys zurückrufen und verlor wertvolle Monate und das Vertrauen der Verbraucher. Siemens einziger Ausflug in die Smartphone-Klasse nannte sich SX1 und kam mit über einem halben Jahr Verspätung in den Handel. Seinen Einstand verbockte das Gerät mit einer allzu unkonventionellen Tastaturanordnung und seiner unterdurchschnittlichen Verarbeitung.

Business-Nutzer mussten anders begeistert werden. Während die von Motorola zugelieferten UMTS-Phones U10 und U15 fernab jeglicher Bedienbarkeit lagen, schien das SK65 mit Blackberry-Client zum Befreiungsschlag auszuholen. Doch werkelte auch auf diesem Modell kein Smartphone-System und das kleine Display mit den beschränkten Möglichkeiten fraß die Vorteile des innovativen QWERTZ-Konzepts wieder auf. Spaßiger ging es in der Lowrange-Klassifikation zu: der Folder CF62 überzeugte mit einwandfreiem Handling und witzigen Lichteffekten, das CX65 war die günstige und robuste Variante zu den teuren Flaggschiffmodellen M65 und S65.

Anfang 2005 übernahm Klaus Kleinfeld die Geschicke des Siemens-Konzerns von seinem Vorgänger Heinrich von Pierer und kündigte einen straffen Konsolidierungskurs an. Erster Schritt: die Mobile-Sparte sollte verkauft werden. Nur ein Käufer für das konsequent rote Zahlen schreibende Unternehmen fand sich nicht. Während verschiedene chinesische Investoren, darunter auch der spätere Eigentümer BenQ um Möglichkeiten zur Rettung von Wissen und Arbeitskraft feilschten, launchte Siemens die 75er-Modellreihe.

Echte Highlights suchte man hier vergeblich. S75, der designierte Nachfolger des Erfolgsmodells, enttäuschte mit einem allzu klobigen Design und wenig innovativer Zugstärke. Auch das M75 reichte nicht mehr an den Charakter seines Vorgängers heran, obwohl Siemens hier wieder ein nahezu konkurrenzloses Outdoor-Modell ins Programm aufnahm.

Versuche, mit exklusiven Designs wenigstens noch im Midrange-Segment Kunden vom kränkelnden Handykonzept überzeugen zu können (CL75), waren angesichts von Motorolas legendärem RAZR zum kläglichen Scheitern verurteilt und das Highend-Produkt SXG75 mit integriertem GPS-Receiver noch nicht produktionsreif.

Mitte 2005 war der Deal endlich perfekt: BenQ wird die Geschicke von Siemens Mobile übernehmen. Bis das hierfür neu gegründete Unternehmen BenQ-Siemens, das später einmal hochoffiziell zur Marke BenQ Mobile umgebrandet werden sollte, startbereit war, gingen aber weitere wertvolle Monate und ein weiteres Weihnachtsgeschäft ins Land.

Erst im Januar 2006 präsentierten die designierten CEOs Clemens Joos und Jerry Wang auf einem groß angelegten Launch-Event in Berlin die ersten Vertreter aus der Handy-Schmiede. Und insbesondere EF81 und S68 waren sehr charmante Vertreter der Business-Klasse und ein zuverlässiges Sprachkommunikationsmittel bzw. ein hochwertig verarbeitetes UMTS-Telefon.

Doch schon der dritte Newcomer zeichnete das Bild, das BenQ Mobile bis zur Erklärung der Insolvenz im September 2006 nicht wieder revidierte: beim S88 handelte es sich um eine so schlechte Kopie des Sony Ericsson K750i, dass man sich fragen musste, was BenQ-Siemens sonst alles plante, um den umkämpften Markt der leistungsfähigen Feature-Phones für sich zu gewinnen.

Eine Antwort darauf fanden die Deutsch-Taiwaner bis heute nicht. Die ziemlich reichhaltige Produktpalette rekrutierte sich aus billigen Plastikhandys mit spaßigen aber nutzlosen Musikfunktionen (Q-Fi E61 und EF51), dünnen, aber nicht besonders anspruchsvollen UMTS-Barren (S81) und mit Liebe zum Detail gefertigten aber leistungsschwachen Metallslidern (EL71).

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